# taz.de -- Prozess: Haft für falsche Massagen
       
       > Das Amtsgericht verurteilt einen Physiotherapeuten, der mehrere Frauen
       > bei der Arbeit sexuell missbraucht hat.
       
 (IMG) Bild: Vertrauensvolle Atmosphäre ausgenutzt: In Bremen ging ein Masseur weiter, als seine Kundinnen wollten
       
       "Das habe ich in meiner ganzen Laufbahn noch nicht gehabt, dass ich für ein
       Phantom sprechen musste", sagt Verteidigerin Gesine Reisert zu Beginn ihres
       Plädoyers. "Denn zu so einem hat sich mein Mandant ja in den letzten beiden
       Verhandlungstagen entwickelt." Reisert vertritt die Interessen von Saeid
       S., einem einschlägig vorbestraften Physiotherapeuten, vor dem Berliner
       Amtsgericht.
       
       Am ersten Verhandlungstag erschien der kleine 43-Jährige mit den
       angegrauten Locken noch persönlich. Er schwieg zu den Vorwürfen und hörte
       sich die Aussagen von fünf Zeuginnen an. Doch bereits zum nächsten Termin
       faxte der Iraner dem Gericht ein Attest. Bei ihm sei eine Herzerkrankung
       festgestellt worden - in einem Krankenhaus in Teheran. Das Schreiben erwies
       sich später als gefälscht (taz berichtete).
       
       Für den darauf folgenden Verhandlungstag schickte S. wiederum ein Attest -
       ebenfalls aus Teheran und mit der gleichen Diagnose. Doch wer einmal lügt,
       dem glaubt der Richter nicht mehr - diese Weisheit gilt auch in diesem
       Fall. Für den Richter fehlte der Angeklagte nun unentschuldigt. Der Prozess
       gegen den zweifachen Familienvater ging deswegen in dieser Woche in dessen
       Abwesenheit zu Ende.
       
       Sieben Zeuginnen im Alter von 33 bis 57 Jahren sagten insgesamt gegen den
       Betreiber einer Steglitzer "Praxis für physikalische Medizin und
       Schmerztherapie" aus. Die Erlebnisse der Frauen sind nahezu identisch: S.
       bat die bis auf Slip und BH entkleideten Patientinnen, sich bäuchlings auf
       seine Behandlungsliege zu legen. Automatisch hielten die Frauen dabei die
       Handinnenflächen an der Körperseite. Daran rieb S. wie zufällig sein
       Geschlechtsteil, kaum dass er mit seiner Arbeit begonnen hatte. Dann schob
       er den Slip seiner Patientin weg, um "über längere Zeit" deren Genitalien
       zu berühren, wie das Gericht später urteilte.
       
       "Selbst gestandene Frauen konnten sich nicht erklären, wie sie in so eine
       Situation geraten konnten", erinnerte sich der ermittelnde Polizeibeamte.
       Die Opfer fragten sich, warum sie nicht sofort aufsprangen und die Therapie
       abbrachen; warum sie sich stattdessen wie paralysiert fühlten. Manche gaben
       für ihr Zögern auch pragmatische Gründe an: Sie hätten nur ungern halbnackt
       eine Diskussion angefangen. Eine stark kurzsichtige Frau hätte zu einer
       Flucht zudem erst ihre Brille finden müssen.
       
       Der Polizeibeamte erklärte das Verhalten der Frauen auch mit dem fließenden
       Übergang von einer zunächst therapeutischen Behandlung zu einem sexuellen
       Übergriff. In der Tat sagten zwei der Zeuginnen, sie hätten nach der
       Massage keine Schmerzen mehr verspürt. Das wertet S.s Verteidigerin als
       Beweis für eine zwar unorthodoxe, aber eben ganzheitliche Behandlung.
       "Keine der gestandenen Frauen hat gesagt: 'Hören sie auf! Lassen Sie das
       sein!' " Sie forderte deswegen Freispruch für ihren abwesenden Mandanten.
       
       Doch der Richter widersprach der Sicht der Anwältin: Die Massagen hätten
       einen "ausschließlich sexuellen Bezug gehabt", sie seien medizinisch nicht
       mehr zu rechtfertigen gewesen. Das Gericht verurteilte S. wegen sexuellen
       Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder
       Betreuungsverhältnisses in sieben Fällen zu insgesamt drei Jahren und neun
       Monaten Haft. Außerdem entzog es dem Therapeuten ohne Berufsabschluss die
       Erlaubnis, gesunde Menschen gewerblich zu massieren.
       
       Anwältin Reisert will für Saeid S. in Berufung gehen. Doch dazu muss sie
       bis zum nächsten Mittwoch Kontakt zu ihrem Mandanten bekommen. Sollte dann
       vor dem Landgericht erneut verhandelt werden, setzt das die Anwesenheit des
       Angeklagten voraus.
       
       13 Dec 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uta Falck-Eisenhardt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) sexueller Missbrauch
       
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