# taz.de -- Im Tal der Riesen: Garten Eden gesucht
       
       > Tasmanien besteht fast zur Hälfte aus Nationalparks - mit einer aus
       > europäischer Sicht fabelhaften Tierwelt. Doch im "Weltnaturerbe" sind die
       > Spuren grober Umweltsünden an vielen Stellen sichtbar
       
 (IMG) Bild: Tasmanischer Teufel
       
       Endlich schlafen die Kinder, die unbedingt noch den späten Sonnenuntergang
       am anderen Ende der Welt miterleben wollten. Erster Urlaubsabend im
       tasmanischen Sommer, Heiligabend im fernen Deutschland. Erst kurz nach 21
       Uhr wird es dämmrig, in den Eukalyptusbäumen vor der Holzhütte rabauken
       Vögel. Noch einmal rausgehen, die unglaublich klare Luft atmen. Da löst
       sich aus dem Schatten der Bäume ein kleines Tier, vielleicht ein Hase. Es
       kommt näher, auf keinen Fall ein Hase. Eine Riesenratte? Aber warum dieser
       hoppelnde Gang und die superkurzen Vorderbeine? Wir schauen uns an, das
       unbekannte Wesen und ich, dann verschwindet es in der Dämmerung. Eine
       rätselhafte Insel ist Tasmanien, diese kleine Landmasse vor Australiens
       Südostküste, deren Tiere und Pflanzen sich über Jahrtausende in völliger
       Isolation entwickelten.
       
       Der nächste Tag bringt die Erklärung. "Das war ein Potoroo oder
       Rattenkänguru", weiß der strohblonde Ranger im Tasmanian Devil Park. Der
       Tasmanische Teufel, noch so eine fremde Kreatur. "Sie sind faul, langsam
       und lausige Jäger - aber sie haben ein teuflisches Gebiss, daher der Name."
       Das fiese Geräusch krachender Knochen bestätigt den Ranger. Die schwarzen
       Tierbabys mit den niedlichen Knopfaugen mutieren während der Fütterungszeit
       im Gehege zu knurrenden kleinen Bestien, die wütend an blutigen Kadavern
       zerren. Na, dann doch lieber nebenan Kängurus und deren kleinere Verwandte,
       Wallabies, füttern. Wombats und Possums verschlafen indes den warmen
       Vormittag.
       
       Aus europäischer Sicht ist Tasmaniens Tierwelt fraglos fabelhaft. Neben den
       zahlreich vorkommenden Beuteltierarten sind mit Glück auch das schwimmende
       Schnabeltier (Platypus) oder der stachelbewehrte Ameisenigel (Echidna) zu
       sichten. Beliebt ist das Eiland auch bei den "Fairy Penguins", den
       kleinsten Pinguinen der Welt. Allabendlich tauchen die behänden Schwimmer
       aus dem eisblauen Südpazifik auf und watscheln in breiter Front in die
       angrenzenden Dünen, um ihre hungrige Brut zu füttern.
       
       Ein Highlight für Touristen: Beobachtungsposten wie auf Bruny Island, ganz
       im Süden Tasmaniens, garantieren im Sommer einen guten Blick auf die
       Pinguinparade. Ein Ranger passt auf, dass die 2.000 Brutpaare nicht allzu
       sehr gestört werden. Am anderen Ende Tasmaniens, im kleinen Ort Devonport,
       sind es Urlauber, die täglich zu Hunderten an Land gehen. Seit Mitte 2002
       pendeln Megafähren zwischen dem australischen "Festland" und Tasmanien und
       bescheren der Insel einen Touristenboom. Etwa 800.000 Urlauber besuchen pro
       Jahr das zuvor eher unbeachtete Eiland, das es nur auf 480.000 Einwohner
       bringt. Ein Ansturm, dem Tasmanien bisher gewachsen ist. Die
       Touristenströme verteilen sich gleichmäßig auf die wilden Nationalparks im
       Westen und die traumschöne Küste im Osten.
       
       Europäer zieht es von jeher nach Tasmanien: von dem Holländer Abel Tasman
       1642 entdeckt, von Franzosen 1792 ausgekundschaftet und ab 1803 von den
       Briten besiedelt. Rasch hatte die isoliert gelegene Kolonie unter Tier- und
       Pflanzenkundlern den Ruf weg, ein irdischer Garten Eden zu sein. Heute noch
       ist Tasmanien ein Paradies für Freunde unberührter Natur: Etwa 40 Prozent
       der Insel sind als Nationalpark ausgewiesen, und fast ein Viertel der
       Landfläche trägt das Prädikat "Weltnaturerbe".
       
       Wer indes die Nord-Süd-Route über die A 1 fährt, mag sich fragen, wofür er
       um die halbe Welt gereist ist? Lichte Wälder, Felder und schwarzweiße Kühe
       auf den Wiesen erinnern stark an vertraute Bilder aus der Heimat.
       
       Dieser ebene, kultivierte Landstrich ist jedoch die große Ausnahme im
       ansonsten eher rauen Tasmanien. Besonders im Westen durchziehen tief
       zerklüftete Gebirgszüge die Insel, deren Ausläufer sich zu mächtigen
       Steilküsten aufhäufen. Dichter, moosiger Regenwald macht riesige Gebiete
       extrem schwer zugänglich. Und so kommt es, dass auch 200 Jahre nach der
       englischen Erstbesiedlung weite Gebiete Tasmaniens Terra incognita sind.
       
       Die Briten machten sich damals das undurchdringliche Terrain zunutze und
       gründeten fluchtsichere Gefängniskolonien auf Van Diemen's Land, wie die
       Insel zunächst hieß. In Port Arthur und in der Maquarie-Bucht malochten
       tausende Häftlinge unter brutalsten Bedingungen in Minen und im Schiffsbau,
       und so war das Eiland bald verschrien als Demon's Land, Dämonenland. Auch
       die Aborigines bekamen die harte Hand der Kolonialherren zu spüren. Binnen
       wenigen Jahrzehnten waren die Ureinwohner durch Verfolgung und
       eingeschleppte Krankheiten vollständig ausgerottet.
       
       Außer restaurierten Ruinen der Arbeitslager erinnert heute nichts mehr an
       diese dunkle Epoche. Geblieben ist die wilde Schönheit der Natur. Eine der
       spektakulärsten Gegenden ist der Cradle Mountain - St. Claire National
       Park. Enge Schluchten, wildes Moorland, verträumte Seen und stürmische
       Bergkuppen erwarten Wanderer, die sich auf die etwa sechstägige
       Durchquerung des Parks machen. Leichtsinn kann dabei böse Folgen haben:
       "Hier kann es auch im Sommer schneien", warnt ein Schild im
       Besucherzentrum. In der Tat ist das Wetter in Tasmanien äußerst
       wechselhaft.
       
       Trotz dieser Widrigkeit hat sich das Örtchen Strahan an der Westküste zum
       Touristenmagneten entwickelt. Attraktionen sind eine Fahrt durch den
       Regenwald mit einer Dampfeisenbahn oder eine Schifffahrt auf dem
       ursprünglichen Gordon River. Wer diese Natur-light-Erlebnisse mag, muss
       dafür tief in die Tasche greifen. Zum Nulltarif hingegen gibt's den Blick
       auf eine der übelsten Umweltsünden, die Tasmanien zu bieten hat. In den
       Bergen oberhalb Strahans wurden einst ohne Rücksicht auf Verluste Erze
       abgebaut. Bis heute sehen die erodierten Berghänge um die Minenstadt
       Queenstown aus wie eine Mondlandschaft . Den passenden Namen für die
       unwirtliche Gegend hat ein Unbekannter auf das Ortsschild gekritzelt:
       Mordor, jene Welt des Bösen in Tolkiens Werk "Herr der Ringe".
       
       An anderer Stelle konnten Umweltschützer das Schlimmste verhindern:
       Tausende blockierten Anfang der 80er-Jahre in kleinen Booten den wild
       tosenden Franklin River und retteten ihn vor einem gigantischen Dammprojekt
       zur Stromgewinnung. Wenig später wurde die einzigartige Flusslandschaft zum
       Weltnaturerbe erklärt. Heute kämpft die von der Tasmanian Wilderness
       Society (TWS) angeführte grüne Bewegung vor allem gegen die Holzindustrie,
       die mittels Kahlschlag und Brandrodung ganze Wälder plattmacht. Touristen
       sehen wenig davon, denn am Straßenrand bleiben einige Reihen Bäume als
       grüne Fassade stehen. Heiß entbrannt ist der Kampf ums 80 Kilometer
       westlich der Hauptstadt Hobart gelegene Styx Valley. Im "Tal der Riesen"
       wachsen seit Jahrhunderten Eukalyptusbäume gen Himmel, die zu den höchsten
       der südlichen Hemisphäre gehören. Die Holzindustrie zeigt wenig Respekt vor
       den Baumveteranen und will sie zu Holzspänen gehäckselt verscherbeln. Der
       TWS ist im Mai 2005 ein Teilsieg gelungen, große Bereiche des Styx-Tals
       sind nun vor Motorsägen sicher.
       
       Nicht ausgeschlossen, dass auch das "Tal der Riesen" bald als Weltnaturerbe
       vor jedem Eingriff sicher ist. Ein irdischer Garten Eden ist es zwar nicht
       ganz, dieses Tasmanien. Aber es kommt der Vorstellung davon immer noch
       verdammt nah.
       
       21 Dec 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hilja Müller
       
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 (DIR) Bedrohte Arten
       
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