# taz.de -- Skepsis und Hass im Westen: Kenia kommt nicht zur Ruhe
> Im Westen Kenias, wo die ethnischen Säuberungen von Oppositionsanhängern
> gegen Kibaki-Unterstützer am heftigsten waren, herrschen weiter Angst vor
> neuer Gewalt.
(IMG) Bild: Demonstrationen von Odinga-Anhängern gehen weiter.
BURNT FOREST taz Es sind sicher 200 junge Männer, bewaffnet mit Messern,
mit Pfeil und Bogen, mit Dolchen und Knüppeln. Sie sind wütend, und sie
wollen zur nahen katholischen Kirche ziehen, in der rund 1.000 Flüchtlinge
Schutz gefunden haben. "Die Kikuyus in der Kirche haben unseren Mais
gestohlen. Wir werden ihn zurückholen!", ruft einer. Eine Spezialeinheit
der Polizei versucht die Meute zu beruhigen.
Die Jugendlichen vom Volk der Kalenjin haben ihre Kikuyu-Nachbarn verjagt
und ihre Häuser angezündet - und jetzt werfen sie ihnen Diebstahl vor.
"Einige der Flüchtlinge kamen unter Polizeischutz zu den Trümmern ihrer
Häuser zurück, um die nicht verbrannten Sachen zu holen. Einzelne haben die
Gelegenheit benutzt, um von uns Mais zu klauen", erklärt der 23-jährige Ben
Molit. "Wir konnten nichts tun, weil sie Polizeischutz hatten. Aber jetzt
holen wir unser Eigentum zurück."
Burnt Forest ist Kriegsgebiet. Der kleine Ort im Westen Kenias ist seit den
umstrittenen Präsidentenwahlen vom 27. Dezember Schauplatz grausamer Gewalt
gewesen. Menschen wurden in Stücke gehackt oder lebendig verbrannt.
Bauernhöfe gingen in Flammen auf. Burnt Forest liegt in der Provinz Rift
Valley in einer Region, wo die Mehrheit der Bevölkerung zum Volk der
Kalenjin gehört, das bei den Wahlen mehrheitlich für Oppositionsführer
Raila Odinga stimmte. Eine Minderheit aber gehört zur größten kenianischen
Ethnie der Kikuyu, die den Amtsinhaber Mwai Kibaki bevorzugte. Nachdem der
am 30. Dezember unter dubiösen Umstanden zum Wahlsieger erklärt wurde, ging
die Opposition landesweit auf die Straße, und in einigen Regionen ging sie
auf Jagd gegen die Kikuyu, eben auch in Burnt Forest. In ganz Kenia sind
knapp 700 Menschen getötet und eine Viertelmillion vertrieben worden.
Ben Molit hilft seinem Vater auf dem Bauernhof. Er studiert für das
Lehramt, aber jetzt sind die Universitäten geschlossen. "Ich habe nichts
gegen Kikuyu", sagt er. "Aber sie sollen ihre Finger von unseren Sachen
lassen." An der Welle der Gewalt habe er sich nicht beteiligt. Aber er kann
sie verstehen. Seine Augen suchen Kontakt mit denen seiner Freunde um ihn
herum, während er redet. "Ich kann mir vorstellen, wie wütend die Nachricht
von Kibakis Sieg die Menschen machte. Die Kikuyus gingen schließlich
provozierend tanzen auf der Straße. Wir von der Opposition wussten aber,
dass unser Mann Raila Odinga gewonnen hatte."
Nicht nur Kikuyus wurden angegriffen. Auch Kalenjins, die Kibaki gewählt
hatten, verloren ihre Häuser und wurden verprügelt. Die Angreifer wussten
ganz genau, wer Kibaki und wer Odinga gewählt hatte. Und auch Anhänger der
Opposition starben bei Racheangriffen. Während Ben Molit seine Gesichte
erzählt, wandert eine kleine Gruppe Kikuyu mit ihrem Hausrat die andere
Straßenseite entlang. Sie laufen den Hügel herab zur katholischen Kirche.
Die jungen Männer rufen ihnen nach: "Geht nach Othaya!" - das Heimatdorf
von Mwai Kibaki.
Der Kommandant der Polizei, der inzwischen nach dem angeblich gestohlenen
Mais gesucht hat, kommt zurück und sagt: "Wir haben jemanden verhaftet und
euren Mais sichergestellt." Die Jugendlichen jubeln. Dann sagt einer: "Wir
trauen euch nicht. Wir wollen den Mais sehen!" Der Kommandant verspricht
es. Es gibt viele Gerüchte, dass Kenias Polizei ebenso gespalten ist wie
die Bevölkerung. Manche sollen bei der Plünderung von Kikuyu-Häusern
mitgeholfen haben, andere haben Kikuyus geschützt und bei deren Rache
weggeschaut. Inzwischen ist im Westen Kenias überall Militär zu sehen.
17 Jan 2008
## AUTOREN
(DIR) Ilona Eveleens
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