# taz.de -- Schluss mit überheiztem Mief: Goethe reloaded
       
       > Lower East Side - Satellit und Green Architecture: Das New Yorker
       > Goethe-Institut eröffnet eine neue Dependance.
       
 (IMG) Bild: Goethe kam bis nach Italien - das Goethe-Institut gibt es weltweit, auch in New York.
       
       Es dürfte das erste Mal in der Geschichte des Goethe-Instituts gewesen
       sein, dass eine Ausstellungseröffnungsparty so außer Kontrolle geriet, dass
       sie von der Polizei aufgelöst werden musste. Als am Freitag deutsche
       Exil-Hipster und amerikanische Szenegänger zur Einweihung des Galerieraums
       "Ludlow 38", dem neuen Institutssatelliten in der Lower East Side
       Manhattans, in Menschentrauben auf den Bürgersteig quollen, fuhren zwei
       NYPD-Uniformierte vor und vertrieben die inoffizielle Ansammlung von der
       Straße. Der Unterschied zu den herkömmlichen Veranstaltungen im Hauptsitz
       an der Upper East Side hätte nicht größer sein können. Dort traf man bisher
       immer auf dieselben fünfzehn weißhaarigen, handtaschenbewaffneten Ladies
       mit Transatlantik-Hintergrund. Die angestaubten Hallen der Beaux-Arts-Villa
       an der Fifth Avenue gegenüber dem Metropolitan Museum ließen statt
       Metropolenluft das miefig-überheizte Westdeutschland der Achtziger
       schnuppern.
       
       Damit ist jetzt Schluss. "Ludlow 38", designt von den Briten Liam Gillick
       und Ethan Breckenridge, wird vom Goethe-Institut in strategischen
       Partnerschaften mit jährlich wechselnden Kuratoren, dieses Jahr dem
       Kunstverein München, und einem großzügigen Sponsoring von BMW organisiert.
       Der Galerieraum ist dabei nur Teil einer umfassenden Generalüberholung des
       New Yorker Kulturprogramms. Die Gesprächsreihe "What is Green
       Architecture?", geplant vom deutschen MoMA-Kurator Andres Lepik, greift ein
       in den Staaten zurzeit extrem gefragtes Thema auf und wirbt für die
       deutsche Tradition ökologischen Bauens. Am Ende soll die tatsächliche
       Renovierung der Goethe-Villa stehen. "With God on our Side" ist der Titel
       einer im März beginnenden Vortragsreihe mit deutschen Intellektuellen wie
       Daniel Cohn-Bendit oder Peter Sloterdijk. Die Filmreihe "Show and Tell"
       rundet das neue Kulturprogramm ab.
       
       Der Kopf hinter dieser Entstaubungsoffensive ist Programmdirektor, Essayist
       und Schriftsteller Stephan Wackwitz, der seine Arbeit in New York im
       letzten Herbst nach mehreren Jahren an den Goethe-Instituten in Krakau und
       Bratislava aufgenommen hat. Ihm scheint zu gelingen, woran schon einige
       Programmplaner vor ihm gescheitert waren: die lokale Kulturpolitik des
       Instituts wieder zeitgenössisch und relevant zu machen. Unmissverständlich
       umreißt Wackwitz seine Mission: "Ich möchte dieses Institut wirklich wieder
       auf die Landkarte setzen, in New York und in Deutschland."
       
       Stärker als anderswo hängt Publikumserfolg in New York von der Lage der
       jeweiligen Institution in bestimmten Stadtvierteln, manchmal sogar von der
       Straßenadresse ab. Alle fünf bis zehn Jahre ziehen deshalb die Galerien von
       einer Gegend Manhattans in die nächste. Als das neue Galerienviertel der
       kommenden Jahre zeichnet sich - spätestens seit dem spektakulären
       siebenstöckigen Neubau des New Museums durch die japanischen Architekten
       Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa - der Grenzbereich zwischen Lower East
       Side und Chinatown ab. Trotz der Designerhochhäuser, die hier inzwischen
       wie Pilze aus dem Boden schießen, gilt die Gegend als das letzte
       Szeneviertel Manhattans. Seine Verjüngung des Goethe-Instituts hier zu
       beginnen, lag für Stephan Wackwitz daher auf der Hand: "Die künstlerische
       Innovation in New York findet dort unten statt, nicht bei uns in der Upper
       East Side."
       
       "Ludlow 38" soll dabei auch die spezifisch deutsche Idee des "Kunstvereins"
       als einem bürgerlich-selbstorganistorischen Modell exportieren, das im
       Zentrum der Kunstwelt, aber von den Rändern der Gesellschaft her arbeitet.
       Ein Konzept, das sich vielleicht als anschlussfähig an die
       Grassroots-Kunstbewegungen erweist, die die Szenen im New York der
       Sechziger, Siebziger und Achtziger bestimmt haben, bevor diese von den
       Investmentbank-Galeristen verdrängt wurden. Die erste Ausstellung "Publish
       and be Damned" versammelt in diesem Sinne gleich eine ganze Bibliothek von
       selbst publizierten Zeitschriften, Fanzines und kurzlebigen Periodika mit
       so exotischen Titeln wie "Anarchitektur", "Fucking Good Art" oder "Dot Dot
       Dot". Dieses Underground-Diskursarchiv erweist sich zwar künstlerisch als
       relativ belanglos, aber es trifft den konzeptuellen Kern der Sache. Die für
       die nächsten Monate angekündigten Ausstellungen von Wolfgang Tillmans,
       Andreas Neumeister und dem "Institute of applied Urbanism" klingen
       vielversprechend.
       
       Natürlich ist New York ein denkbar schwieriger Standort für den Export
       deutscher Kultur. Seine Szenen sind bekanntermaßen unberechenbar und seine
       Kunstwelt scheint unwiderruflich kommerzialisiert. Man wird daher erst
       einmal abwarten müssen, als wie nachhaltig sich die neue Programminitiative
       in the long run erweist. So viel zeitgenössischer Wind allerdings, das
       steht fest, wehte noch nie im New Yorker Goethe-Institut.
       
       10 Feb 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Schreiber
 (DIR) Daniel Schreiber
       
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 (DIR) Stadtplanung
       
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