# taz.de -- Studio Braun in der Berliner Volksbühne: "Teschler Polarity!"
       
       > Die Komikveteranen von Studio Braun haben seit Jahren dasselbe alberne
       > Konzept der Popkulturverwurstung. Ist das noch Bohème oder schon
       > Karneval?
       
 (IMG) Bild: Wahnsinn, Punk, Arroganz oder Karneval? Studio Braun auf der Bühne.
       
       Das Phänomen Studio Braun zu erklären, ist nicht einfach. Man könnte es
       Künstlerkollektiv nennen, bestehend aus den Popstars Rocko Schamoni, Heinz
       Strunk und Jacques Palminger. Vor Publikum zelebriert das Trio ein
       komisches Wort: Telefonstreiche. Einzeln machen sie Musik, Theater,
       betreiben den Hamburger Pudelclub und schreiben erfolgreich Romane.
       
       Bei Liveauftritten, wie am Donnerstagabend in der Berliner Volksbühne,
       finden sich regelmäßig Horden von intellektuell-jugendlichen Fans ein, die
       die Mischung aus Lesung, Witzeleien und Musik bejubeln. So viel zum
       deskriptiven Teil. Schwieriger ist die Frage, warum das Prinzip
       funktioniert, obwohl der absurde Humor seit Jahren auf derselben Stelle
       trampelt. Warum ist das komisch oder gleich: Ist es das überhaupt (noch)?
       
       Tatsache ist, dass viel gelacht wird. Wenn "Heinzer" aus seinem
       "literarischen Blockbuster" zitiert, Palminger auf dem Tisch stehend in
       bedeutungsschwangerem Gestus über Playboys singt ("Jedes Ja von dir ist ein
       Eiswürfel im Drink unseres Lebens/Die enervierende Sexualität in meinem
       Leben verdichtet sich zu Urindiamanten") und Rocko ansetzt zu einem
       "Minimaltrack mit Rockeinflüssen von Van Halen und Bon Jovi" kommt selbst
       in der Volksbühne Stadionatmosphäre auf. Klatschend und grölend fängt eine
       Gruppe im Publikum an, [1][den Studio Braun-Hit Maria Cron] zu johlen.
       Währenddessen spielt Heinz Strunk Saxophon, schwiemeliger als George
       Michaels "Careless Whisper".
       
       Man kann die Show auch als Satire bezeichnen. Wahllos werden Zitate aus
       jeglichen kulturellen Archiven dekontextualisiert, aneinandergereiht und
       verwurstet. Als Archiv und Ziel des Spotts dienen Hochkultur, bürgerlicher
       Alltag, Popkultur und seit Neuestem auch die Unterschicht.
       
       Das Lachen darüber wirkt gruppenstabilisierend, abgrenzend. Strunk
       schwadroniert über das "Lumpenproletariat der Discountgesellschaft", das
       "rote Fleisch" einer zur Pennerin abgestürzten Freundin, die monströs auf
       dem Plastikstuhl einer Dönerbude ihr Dasein fristet.
       
       Aber Vorsicht: Moralisierendes Kopfschütteln verkennt die Absicht hinter
       dem Projekt. Es geht nicht um Arroganz oder Punk oder politische Aussagen
       irgendeiner Art. Sondern um Entertainment als Selbstzweck, darum, "fett
       abzuliefern". Befragt zur Intention hinter seinem ersten Roman erklärt
       Schamoni: "Ich hatte keine Kohle, und da hab ich mir gedacht, vielleicht
       schaffe ich es ja, 140 Seiten irgendwie vollzumüllen."
       
       Vielmehr scheint es um das Ausleben kindlich-pubertärer Impulse zu gehen,
       ums Albernsein und Unsinn reden, eine kathartische Sinnbefreiung - Karneval
       also. Entsprechend springen und tanzen die drei wahnsinnig auf der Bühne
       herum, küssen sich (mit Zunge) und rülpsen ins Mikrofon. Wenn Rocko sich
       beim Vorlesen verspricht, schiebt er den Fehler schmunzelnd auf
       mangelhaftes Lektorat durch seinen Verlag. Ein Zuschauer brüllt "Lektorat
       am Arsch!", was zum Gag des Abends mutiert. Ob man das dann komisch findet,
       ist Geschmackssache.
       
       Letzte These: Die Komik funktioniert durch Konditionierung. Studio Braun
       waren immer witzig und werden dafür geliebt, und so lacht das Publikum
       automatisch, wenn sie auf der Bühne stehen.
       
       Anders lässt sich Folgendes nicht erklären: Etwa 20 Mal während des
       Auftritts rufen die drei "Teschler Polarity!" ins Publikum - ein
       Insiderwitz, deren Herkunft und Sinn sich keinem Außenstehenden erschließt.
       Am Anfang sind die Reaktionen irritiert, beim fünften Mal wird schon
       verhalten gelacht, und gegen Ende gejubelt. Einen Gedanken dahinter, den es
       zu erfassen gäbe um mitlachen zu dürfen, gibt es schlichtweg nicht.
       
       Weniger elitär kann es kaum zugehen, jeder hat in solch demokratischer
       Komikstruktur die gleichen Bedingungen und darf mitlachen. Egal, ob etwas
       komisch ist, und egal auch, in welchen Untiefen sich der Inhalt bewegt.
       Alaaf.
       
       29 Feb 2008
       
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