# taz.de -- Eren Keskin in türkischer Haft: Die Unerschrockene
       
       > Es gehört eine Menge Mut dazu, offen in der Türkei für Menschenrechte
       > einzutreten. Die Anwältin Eren Keskin steht seit Jahren in der ersten
       > Reihe dieser Mutigen.
       
 (IMG) Bild: Eren Keskin, 2004, bei der Verleihung des Aachener Friedenspreises an sie.
       
       Um sich in der Türkei für die Menschenrechte einzusetzen, braucht man viel
       Mut. Zum einen, weil gegen diese Aktivisten immer wieder der berüchtigte
       Paragraf 301 des Strafgesetzbuches in Anschlag gebracht wird, der die
       "Beleidigung des Türkentums" unter Strafe stellt. Zum anderen, weil
       radikale Nationalisten im Fahrwasser der Gerichtsverfahren Schmäh- und
       Drohbriefe absondern und diese Todesdrohungen durchaus ernst zu nehmen
       sind. Die Anwältin Eren Keskin, 49, steht seit Jahren in der ersten Reihe
       der Mutigen. Sie ist bekannt als Mitglied des türkischen
       Menschenrechtsvereins IHD, der schon in den bleiernen 90er-Jahren die
       Repression gegenüber den Kurden anprangerte. 1997 gründete sie ein
       Rechtshilfebüro für Frauen, die in Gewahrsam sexuell belästigt oder
       vergewaltigt wurden. Dieses Büro übernahm unentgeltlich insbesondere die
       Klagen von Kurdinnen gegen Übergriffe von türkischem Militär und Polizei.
       Durch ihre Arbeit als Anwältin wie auch in zahlreichen Interviews machte
       sie darauf aufmerksam, dass insbesondere im Kurdenkonflikt Frauen gezielt
       sexuell missbraucht werden.
       
       Keskins Freimütigkeit blieb nicht ohne Folgen. 1994 wurde sie zu zwei
       Jahren Haft verurteilt, weil sie in einem Brief an das belgische Parlament
       das Wort "Kurdistan" benutzt hatte. Im Jahre 2006 wurde sie nach Artikel
       301 wegen Beleidigung des Türkentums und Herabwürdigung türkischer
       Institutionen verurteilt, weil sie 2002 während einer Podiumsdiskussion in
       Köln der türkischen Armee vorgeworfen hatte, Kurdinnen sexuell missbraucht
       zu haben. Die Strafe wurde in eine Geldstrafe umgewandelt.
       
       Wegen eines Interviews, das sie im Juni 2006 dem Berliner Tagesspiegel
       gegeben hat, ist sie am Donnerstag nach kurzer Verhandlung von einem
       Gericht in Istanbul zu neuerlichen sechs Monaten Haft verurteilt worden. In
       dem inkriminierten Interview hatte sie den Einfluss der Armee auf die
       türkische Politik kritisiert und erklärt, keine türkische Regierung könne
       ihr Programm gegen die Generäle durchsetzen. Das Urteil erging erneut
       aufgrund des Paragrafen 301, den die türkische Regierung trotz langer
       Ankündigungen bislang weder abgeschafft noch modifiziert hat. Gleichzeitig
       wurde wegen derselben Äußerung gegen sie ein Disziplinarverfahren bei der
       Anwaltskammer angestrengt, was zu einem Berufsverbot führen könnte
       
       Keskin, die für ihr Engagement 2001 den
       Amnesty-international-Menschenrechtspreis, 2004 den Aachener Friedenspreis
       und 2005 den "Theodor-Haecker-Preis für politischen Mut und Aufrichtigkeit"
       der Stadt Esslingen erhielt, hat bereits Berufung angekündigt.
       
       21 Mar 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Antje Bauer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Türkische Friedenspreisträgerin verurteilt: Haftstrafe wegen Interview
       
       Wegen eines Interviews im "Tagesspiegel" wurde die Menschenrechtlerin Eren
       Keskin zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die Begründung:
       Herabwürdigung der Türkei.