# taz.de -- Panikmache der Energiekonzerne: Die "Stromlücke" ist ein Kampfbegriff
       
       > Ohne Atomkraft werde der Strom knapp, warnen die Energiekonzerne. Wie
       > viel Energie aber im Jahr 2020 überhaupt nötig ist, hängt davon ab,
       > welche Effizienz bis dahin erreicht wird.
       
 (IMG) Bild: Befürchtet trotz Windenergie eine Stromknappheit: RWE-Chef Jürgen Großmann.
       
       Die Energiewirtschaft hat einen neuen Kampfbegriff: Die "Stromlücke". Am
       Wochenende sagte Eon-Chef Wulf Bernotat, er rechne für die Zeit um 2020 mit
       Strommangel, weshalb Deutschland die Atomkraft brauche. Ende Februar hatte
       schon RWE-Chef Jürgen Großmann in der Bild dramatische Szenarien für Europa
       konstruiert: "Mittlerweile reicht bereits das Zusammentreffen eines
       trockenen heißen Sommers mit wartungsbedingten Ausfällen von Kraftwerken,
       um die Versorgungssicherheit zu gefährden." Der Präsident des Bundesamts
       für Strahlenschutz, Wolfram König, hingegen erklärt: "Es gibt keine
       Stromlücke." Wer hat recht? Eine Analyse der deutschen Stromwirtschaft.
       
       Muss Deutschland Strom importieren? 
       
       Obwohl 2007 durch Stillstand mehrerer Atomkraftwerke 26 Milliarden
       Kilowattstunden weniger an Atomstrom erzeugt wurden als im Jahr zuvor,
       erzielte Deutschland noch immer einen Exportüberschuss von beachtlichen 14
       Milliarden Kilowattstunden. Seit fünf Jahren liegt der deutsche Stromexport
       deutlich über den Importmengen. Und trotz der bereits abgeschalteten
       Atommeiler Stade und Obrigheim erreichte Deutschland 2006 und 2007 den
       höchsten Stromexportüberschuss seiner Geschichte. Aller Voraussicht nach
       wird es 2008 einen erneuten Rekord geben- dank des Ausbaus der erneuerbaren
       Energien.
       
       Wie sieht es 2020 aus? 
       
       Das hängt vor allem von den Verbrauchsprognosen ab. 2007 lag der
       Nettostromverbrauch in Deutschland bei 541 Milliarden Kilowattstunden. Bei
       einer jährlichen Zunahme von einem Prozent wären es im Jahr 2020 rund 616
       Milliarden Kilowattstunden. Gelingt es hingegen, den Verbrauch durch
       verbesserte Effizienz um nur ein einziges Prozent jährlich zu senken, kommt
       Deutschland 2020 mit 474 Milliarden aus. Die Differenz zwischen den beiden
       Szenarien beträgt 142 Milliarden Kilowattstunden. Das ist mehr Energie, als
       alle deutschen AKW zusammen 2007 erzeugt haben. Wer über eine Stromlücke
       redet, muss also vor allem erst definieren, von welchem Verbrauch er
       künftig ausgeht.
       
       Welchen Anteil werden die erneuerbaren Energien decken können? 
       
       In den letzten zwei Jahrzehnten wurden die erneuerbaren Energien ständig
       unterschätzt. So ist es gut möglich, dass dies auch weiterhin der Fall sein
       wird. Die Stromwirtschaft geht in ihren Vorhersagen bis 2013 von einem
       Zuwachs von etwa 40 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom aus. Bei
       unverändertem Verbrauch werden so 2013 rund 20 Prozent des Strom aus
       erneuerbaren Energien gedeckt werden können. 2020 läge man bei konstantem
       Zubau zwischen 25 und 30 Prozent Ökostrom. Entscheidend wird sein, wie
       schnell die Entwicklung der Offshore-Windkraft vorankommt. Die
       Stromwirtschaft rechnet für 2013 mit rund 15 Milliarden Kilowattstunden aus
       Offshore-Windkraft.
       
       Strommenge ist nicht alles. Wie kommt der Strom zu den Verbrauchern? 
       
       In Norddeutschland müssen schon heute bei starkem Wind zeitweise einige
       Windkraftanlagen abgeschaltet werden, weil der Strom nicht bis in die
       bevölkerungsreichen Regionen des Landes kommt. Deswegen ist ein Ausbau der
       Stromnetze vor allem von Nord nach Süd unerlässlich. Und wenn die
       Offshore-Windkraft kommt, wird das Thema noch drängender. Da Deutschland
       aber dicht besiedelt ist und neue Hochspannungsleitungen bei Anwohnern
       immer auf Widerstand stoßen, wird man um den stärkeren Einsatz von
       Erdkabeln nicht herumkommen. Diese sind zwar teurer, aber auch weniger
       anfällig gegen Schäden und vor allem politisch leichter durchsetzbar.
       
       Wie geht es mit der Kohle weiter? 
       
       Sowohl die Rohstoffpreise von Stahl und Beton für den Bau als auch die
       Betriebskosten sind gestiegen - Dank des Emissionshandels dürfen die
       Anlagen die Luft nicht mehr kostenlos verschmutzen. Aus ökologischer Sicht
       steht man nun vor der Frage: Will man lieber alte Kohlekraftwerke länger
       betreiben, die zwar eine schlechtere Energiebilanz haben, aber die Chance
       geben, in vielleicht zehn Jahren den Betrieb ganz zu überdenken? Oder will
       man effizientere neue Anlagen, deren Betrieb dann aber für 40 Jahre
       gesichert sein muss, damit sich die Investitionen amortisieren?
       
       24 Mar 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
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