# taz.de -- "Der Meister und Margarita": Der Teufel kommt nach Putin-Land
       
       > Sebastian Baumgarten inszeniert Michail Bulgakows "Der Meister und
       > Margarita" im Schauspielhaus Düsseldorf als böses Spiel um Erlösung und
       > Verdammnis.
       
       Der Regisseur Sebastian Baumgarten scheint derzeit für höhere Aufgaben im
       Gespräch, denn bei seiner Premiere von "Der Meister und Margarita" nach
       Michail Bulgakow im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiels gesellten
       sich zur Kulturprominenz des Landes überregionale Opernkritiker und dazu
       noch ausgewiesene Wagnerianer, die das Schauspielhaus sonst meiden wie der
       Teufel das Weihwasser. Gewiss, Baumgarten war 2006 überraschend von der
       Opernwelt zum Opernregisseur des Jahres gekürt worden und stammt aus einer
       alten Operndynastie. Zudem spricht die Wahl des Stoffs von einer
       Konkurrenzsituation. In sicherer Entfernung zur Berliner Volksbühne
       bemächtigt Baumgarten sich in Düsseldorf nach Sartres "Die schmutzigen
       Hände" nun schon zum zweiten Mal eines "Castorf-Stoffs". Castorf breitete
       seine Adaption von Michail Bulgakows Roman weiland über die üblichen fünf
       Stunden aus, Baumgarten rafft seine Version in Düsseldorf in knappen 140
       Minuten zusammen.
       
       Auf der Bühne liegt pappiger Schnee, der zu wässrigem Matsch schmilzt und
       jeden Schritt zur Rutschpartie macht. Im Hintergrund ragen öde
       Plattenbauhochhäuser in einen bleiernen Moskauer Winterhimmel. Davor ducken
       sich windschiefe Bretterbuden, ein voll gerümpelter Innenraum mit
       Küchengerät und verdreckter Badewanne. Prekariat auf Russisch. Für die
       Bühne verantwortlich zeichnet Thilo Rheuter.
       
       Bei Bulgakow sucht der leibhaftige Teufel, der hier Voland heißt, in den
       30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts die korrupte, atheistische, von
       Stalin paralysierte russische Gesellschaft heim und stiftet Chaos und Tod.
       Nur zwei Gerechte sind auszumachen und werden schließlich belohnt, der
       "Meister", der an einem Roman über Pontius Pilatus arbeitet, und seine
       Geliebte Margarita. Bulgakows satirisch allegorischer Roman, der den
       Stalinismus und die starre Bürokratie anprangert und sich gewagte Exkurse
       in die biblische Passionsgeschichte erlaubt, ist für Baumgartens
       Assoziations- und Aktionstheater eine ideale Steilvorlage, denn
       Verfremdungseffekte, Perspektivenwechsel und absurde Verdrehungen sind
       bereits im Stoff vorhanden.
       
       So kann Baumgarten unbeschwert aus allen Rohren feuern und lässt es -
       diesmal ganz ohne belehrende Fußnoten - richtig krachen. Mit gewohnt
       leichter Hand und perfekt jonglierter Logistik choreografiert er virtuos
       das Geschehen, hält durchweg atemberaubendes Tempo und findet stets den
       richtigen Rhythmus. Dabei vertraut er vor allem auf die Musikalität seiner
       Darsteller, die Tonspur (Ingo Günther) setzt zwar schmissige Akzente, hält
       sich aber zumeist auffallend bedeckt.
       
       Auf zwei Videowänden und zwei Monitoren flimmern die biblischen
       Gerichtsszenen in der Optik der Sandalenfilme, ein paar Comicstrip-Einlagen
       und Projektionen wetterleuchten am Moskauer Himmel, ansonsten bremst
       Baumgarten das Technikgewitter und entfesselt dafür eine geradezu
       anarchische Spielfreude. Markus Scheumann gibt den im Irrenhaus gelandeten
       Meister schillernd, lakonisch trocken, mit grübelnder Komik, Nadine
       Geyersbach zeigt als seine Geliebte Margarita zugleich Distanz und
       Hysterie. Voland ist bei Rainer Galke eine gemütliche Varietégestalt,
       Christoph Müllers Korowjew ein galliger Ironiker, Cathleen Baumann eine
       überdreht keifende, selbstironische Katze. Das restliche Personal fügt sich
       nahtlos ein, Winfried Küppers legt mit Blondinenwitzen einen großen
       Auftritt als Varieté-Conferencier hin.
       
       Baumgartens Collage- und Revueverfahren, das als penetrantes Dauerfeuer
       auch nerven kann, bleibt bei seiner Bulgakow-Inszenierung zwar atemlos,
       nervös und ironisch, kommt aber auf den Punkt und entwickelt bemerkenswerte
       Komik. Beiläufig und elegant glückt der Bogen zur aktuellen
       Umbruchssituation in Putin-Land, in dem die Korruption blüht und die Zensur
       regiert wie ehedem zu Stalins Zeiten. So bagatellisiert Baumgarten Bulgakow
       nicht, denn die erprobten Werkzeuge der Dekonstruktion schlagen hier
       überraschend in einer Art dialektischem Kurzschluss in einen konstruktiven
       Effekt um. Bulgakows böses Spiel um Leben und Tod, Atheismus und Glauben,
       Gott und Teufel, Erlösung und Verdammnis ist ja selbst schon eine einzige
       große, groteske Dekonstruktion. Großer Applaus also für einen mitreißenden
       Abend.
       
       REGINE MÜLLER
       
       20 Apr 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Regine Müller
       
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