# taz.de -- Deutscher Filmpreis: Vaseline statt Kontur
       
       > Fatih Akin kann sich freuen. Mit vier Auszeichnungen war sein Film "Auf
       > der anderen Seite" eindeutiger Gewinner des Deutschen Filmpreises. Der
       > beleidigte Til Schweiger feierte seine eigene Party.
       
 (IMG) Bild: Abräumer des Abends: Fatih Akin.
       
       Alle Widersprüchlichkeit des Abends verdichtet sich in einem Augenblick.
       Bevor die Entscheidung über die beste Bildgestaltung bekanntgegeben wird,
       haben die nominierten Kameramänner via Videoeinspielung Gelegenheit, ihr
       Konzept zu umreißen. Benedict Neuenfels beschreibt, wie er für
       "Liebesleben" Vaseline auf Glasplatten gegeben und vors Objektiv geschoben
       hat, um wie umnebelt wirkende Bilder zu erzeugen. Gleich darauf erläutert
       Hans Fromm, dass er für "Yella" nüchterne, klare Bilder finden wollte,
       gerade weil der Film in einem Zwischenreich von Traum, Tod und
       New-Economy-Wirklichkeit spielt. Alles, bloß keine Riffelglasfilter!
       
       Die beiden Aussagen treffen hart aufeinander. Zweimal gilt es, Bilder für
       traumartige, somnambule Zustände zu finden, einmal heißt die Lösung
       Vaseline, das andere Mal klare Kontur. Die Filmakademie gibt, das nimmt
       nicht wunder, der Vaseline den Vorzug vor der Kontur. Die Kunstfertigkeit,
       die auf den ersten Blick ins Auge sticht, hat mehr Freunde als die
       Zurückhaltung, das Spröde. "Ich entschuldige mich bei Hans für die Filter",
       sagt Neuenfels, als er die Lola in den Händen hält. Ein versöhnlicher Satz,
       der gleichwohl nicht verbergen kann, wer den Preis und das Preisgeld mit
       nach Hause nimmt. Er passt er zu den vielen diplomatischen Sätzen, die am
       Freitagabend im Palais am Funkturm fallen. So viele Positionen verkeilen
       sich hart, lösen sich dann aber doch im pluralistischen Nebeneinander. Nur
       das Preisgeld ergreift Partei.
       
       Man kann das als großen Vorzug sehen. Die Filmakademie mit ihren mehr als
       1.000 Mitgliedern ist demokratisch verfasst, widerstreitende Standpunkte
       sind deshalb unausweichlich und werden nicht versteckt, sondern zur Sprache
       gebracht. Das gilt bei weitem nicht nur für den ästhetischen Dissens von
       Neuenfels und Fromm. Kaum etwa gibt Barbara Schöneberger, die Moderatorin
       des Abends, die typischen Floskeln gegen das Raubkopieren und für das Kino
       als einzigen Ort der Filmerfahrung zum Besten, sprechen der Regisseur Tom
       Tykwer und der Ehrenpreisträger Alexander Kluge über die Zukunft des Kinos
       jenseits der Kinoleinwand. Das alles passt also in diese Akademie: Die
       Phrasen wie die eloquente, hellsichtige Reflexion darauf, dass sich das
       Kino zurzeit in seinen Grundfesten verändert.
       
       Diese Pluralität und diese Offenheit sind Grund zur Freude, wenn auch nicht
       ohne Einschränkung. Denn bisweilen wünscht man sich in all diesem
       diplomatischen Nebeneinander, dass einer eine Position bezieht, behauptet
       und verteidigt - umso mehr, wenn ein prominentes Mitglied der Akademie, Til
       Schweiger, seit Monaten nervt, weil sein an der Kasse sehr erfolgreicher
       Film "Keinohrhasen" nicht nominiert ist. Schweiger ist deshalb aus der
       Akademie ausgetreten, hat es sich bald anders überlegt, ist wieder
       eingetreten und hat erneut mit Austritt gedroht. Er trägt sich außerdem mit
       Plänen, eine eigene Preisgala auszurichten, und er veranstaltet am
       Freitagabend parallel zum Fest im Palais im Funkturm seine eigene Party in
       einem Club in Berlin-Mitte. Anstatt dass nun einer derjenigen, die im Lauf
       der langen Gala auf die Bühne treten, Schweiger sagt, was für ein albernes
       Verhalten er an den Tag legt, machen alle gute Miene zum bösen Spiel - vor
       allem der Mann, dessen Staatsministerium die Gelder zur Verfügung stellt.
       "Es ist heutzutage eine bestaunenswerte Leistung, sechs Millionen Menschen
       ins Kino zu bringen", sagt Bernd Neumann. "Dazu gratuliere ich Til
       Schweiger von ganzem Herzen."
       
       Uneingeschränkt freuen kann sich Fatih Akin. Sein Film "Auf der anderen
       Seite" bekommt vier Lolas, darunter in den entscheidenden Kategorien bester
       Film, beste Regie und bestes Drehbuch. Christian Petzolds Film "Yella"
       dagegen geht - mit Ausnahme des Preises für die Schauspielerin Nina Hoss -
       leer aus. Wer hoffte, die Akademie ließe endlich einmal einen Vertreter der
       Berliner Schule zu Recht und Würden kommen, wird auch in diesem Jahr
       enttäuscht.
       
       28 Apr 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cristina Nord
 (DIR) Cristina Nord
       
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