# taz.de -- Sparmaßnahmen des RBB: Aus für "Polylux" und Radio Multikulti
       
       > Der RBB schafft mit "Polylux" eine seiner wenigen prestigeträchtigen
       > Zulieferungen für die ARD ab - und Europas erste multinationale
       > Hörfunkwelle gleich dazu.
       
 (IMG) Bild: "Polylux"-Moderatorin Tita von Hardenberg.
       
       Der vom Sparzwang gebeutelte Rundfunk Berlin-Brandenburg wirft einige
       seiner bekanntesten Pferde aus dem Stall: Wie RBB-Intendantin Dagmar Reim
       am Mittwochmorgen einer konsternierten Mitarbeiterrunde mitteilte, stellt
       der RBB sein Radio Multikulti, die erste multinationale Hörfunkwelle
       Europas, zum Jahresende ein. Ebenfalls geopfert wird das Zeitgeistmagazin
       "Polylux", eine der wenigen prestigeträchtigen RBB-Zulieferungen fürs Erste
       ARD-Programm.
       
       Grund ist die finanzielle Schieflage beim RBB, so die Intendantin. Die vor
       genau fünf Jahren aus ORB und SFB fusionierte Anstalt sendet für das
       strukturschwache Brandenburg und die genauso pleite Hauptstadt Berlin. Da
       auch die nächste Gebührenerhöhung nicht so üppig ausfällt wie geplant und
       der RBB zusätzlich durch Gebühren-Befreiung wegen Hartz IV darbt, fehlen
       ihm bis 2012 rund 54 Millionen Euro. Das sind über zehn Prozent der
       heutigen RBB-Erträge in Höhe von rund 406 Millionen Euro.
       
       Der RBB-Rundfunkrat hat sich mit der Programmkappung nicht beschäftigt: Er
       tagt nämlich erst heute. Zwar äußerte seine Vorsitzende Ulrike Liedtke
       gestern per RBB-Pressemitteilung Verständnis für "diese unvermeidlichen,
       bitteren programmlichen Konsequenzen". Andere Gremienmitglieder sind
       dagegen sauer, dass man das desThema nicht zuerst auf der heutigen Sitzung
       behandelt hat. "Das Vorgehen hat uns schon irritdesiert", sagte Dieter
       Pienkny, der für den Deutschen Gewerkschaftsbund im obersten RBB-Gremium
       sitzt: "Die Karawane zieht weiter, und man kann nur noch hinterherbellen."
       
       Um neun Uhr waren gestern die MitarbeiterInnen von Multikulti zu einer
       außerordentlichen Versammlung zusammengetrommelt worden.
       RBB-Hörfunkdirektor Christoh Singlstein nannte dort die Schließung nach 15
       Sendejahren "eine schmerzliche Entscheidung", die dem Haus aber "den
       geringst möglichen Schaden zufüge". RBB-Chefin Reim sagte, sie habe "bis
       zum Schluss" versucht, über einen Finanzausgleich zwischen den anderen
       ARD-Anstalten "Geld aufzutreiben" - doch weil diese sich eher mal
       verweigert hätten, "bleibe nur noch die Abschaltung einer Welle".
       
       Innerhalb der Redaktion hält man diese Entscheidung für falsch. "Radio
       Multikulti ist aufgrund der wenigen Festangestellten leicht abzuwickeln",
       sagte ein Mitarbeiter. "Dabei gehört der Sender zu den wenigen Wellen, die
       den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch wirklich voll
       erfüllen."
       
       Auf den Multikulti-Frequenzen soll ab Januar 2009 das vom WDR produzierte
       Funkhaus Europa zu hören sein, dass 1998 nach dem Vorbild Multikulti
       aufgebaut wurde. Von der Abwicklung des Senders nicht betroffen sind
       voraussichtlich die arabische, russische und polnische
       Multikulti-Redaktionen, da diese Sprachen beim Funkhaus Europa bisher nicht
       vorkommen. Bezahlen muss der RBB für die freundliche Hilfe ausgerechnet aus
       Köln - der finanzstarke WDR hatte dem RBB-Vorläufer SFB auch die Leitung
       des Hauptstadtbüros abgeluchst - zwar nichts. Trotzdem hält RBB-Mann
       Singlstein von der rheinischen Lösung wenig: Das Funkhaus Europa sei "nur
       der zweite Aufguss" des RBB-Konzepts, moserte er im
       Multikulti-Mittagsmagazin "Metro", das eigene Programm "deutlich besser
       geeignet, die Hauptstadtregion zu versorgen". Doch "in der Not frisst der
       Teufel Fliegen", rechtfertigte Singlstein den Deal.
       
       Der Frust ist echt, zumal das Sparprogramm nicht einmal reichen wird: 35
       Millionen Euro - davon 16 Millionen von Multikulti - bringen die heute
       verkündeten Maßnahmen, zu denen auch das Einfrieren von Honorar- und
       Investitionstöpfen gehört. Macht immer noch einen Fehlbetrag von rund 20
       Millionen Euro.
       
       Mit seiner ganz bewusst in die Öffenlichkeit getragenen Streich-Aktion
       setzt der RBB auch ein Signal an die ganze ARD. Ihr stehen weitere heftige
       Diskussionen um die interne Finanzverteilung ins Haus, denn zumindest bei
       Radio Bremen und dem Saarländischen Rundfunk kann mit dem vorhandenen Geld
       das Angebot ebenfalls nicht gehalten werden.
       
       Dem Ersten auf RBB-Rechnung erhalten bleibt immerhin der eben wieder mit
       seiner "Internationalen Show" gestartete Kurt Kroemer. Der kommt
       schließlich aus Neukölln, wo es schon immer etwas billiger war.
       
       21 May 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) J. Wiedemeier
 (DIR) S. Grimberg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rundfunk ohne Multikulti: Nur die alte Heimat im Wohnzimmer
       
       Per Satellit können arabische Berliner mehr als 60 Fernsehkanäle aus ihren
       Herkunftsländern empfangen. Um das Leben in Deutschland geht es in deren
       Programmen nicht. Ein Grund, warum der Familienberater Raafat Matar die
       Schließung von Radio Multikulti für falsch hält.
       
 (DIR) Radio Multikulti wird abgesetzt: Mehr geliebt als gehört
       
       Radio Multikulti war der erste Sender, der den demographischen Wandel in
       Deutschland Ernst nahm. Jetzt wird er wieder eingestellt.
       
 (DIR) Unternehmer, Politiker und Künstler, selbst die Polizei ist sauer: Radio Multikulti muss bleiben, weil
       
       Der Rundfunk Berlin-Brandenburg will sein Radio Multikulti zum Jahresende
       abwickeln. Die taz spart nicht mit Kritik und holt Fans des renommierten
       Senders ans Mikrophon.
       
 (DIR) Das Aus für Radio Multikulti: Wackeldackel im Rundfunkrat
       
       Im RBB-Rundfunkrat stößt die Entscheidung, Radio Multikulti zu schließen,
       auf teils heftige Kritik. Auf eine gemeinsame Resolution, die Entscheidung
       zu überdenken, kann sich der Rat aber nicht einigen.