# taz.de -- Gauck über Linke-Politiker: "Gysi ist ein Meister der PR-Strategien"
       
       > Der ehemalige Chef der Stasiunterlagenbehörde wünscht sich von Gregor
       > Gysi eine ausgeprägtere Wahrheitsliebe - und spricht über das Tragische
       > an dem "begabten Mann".
       
 (IMG) Bild: Kritisiert Gysi, verschweigt aber nicht seine Talente: Joachim Gauck, einst Herr über die Stasiunterlagenbehörde.
       
       taz: Herr Gauck, würden Sie Gysi einen IM nennen? 
       
       Joachim Gauck: Herr Gysi hat ja so viele Verfahren eingeleitet - ich
       erinnere mich, wie er Bärbel Bohley mit einer riesigen Bußgeldandrohung
       gestoppt hat -, dass ich nicht sicher bin. Ich bin aber sicher, dass man
       der Wahrheit näherkommt, wenn man die Verstrickungen Gysis differenziert
       darstellt, als wenn man nur seinen Worten folgt.
       
       Gregor Gysi also ein Meister der Nebelmaschine? 
       
       Das ist ja das Tragische an diesem begabten Mann. Wenn seine Liebe zur
       Wahrheit in Bezug auf seine Person so ausgeprägt wäre, wie seine
       rhetorischen Künste es sind, dann wäre es einfacher, einen positiven Zugang
       zu ihm zu gewinnen. Mit seinen kunstvollen Verteidigungsstrategien und
       seinen Kenntnissen medialer Bedürfnisse schafft er eine
       Detailungenauigkeit, die der Öffentlichkeit dann vermittelt: Niemand kann
       es genau wissen, ob er Zuträger war.
       
       Ist Gysi exemplarisch für das Verhältnis von Zuträgern der Staatssicherheit
       zu ihrer Vergangenheit? 
       
       Bei den stärker und bei den weniger stark Belasteten gibt es ähnliche
       Strategien. Die weniger Belasteten könnten doch eigentlich die Wahrheit
       öffentlich bekennen. Meist jedoch wählen sie dieselbe Rückzugsstrategie:
       Leugnung der Fakten, Umdeutung der Fakten.
       
       Bereits 1998 hat der Bundestag Gysis enge Zusammenarbeit mit dem MfS
       belegt. Dennoch herrscht der Eindruck vor, er habe sich bisher erfolgreich
       dagegen verwahren können. 
       
       Er ist ein Meister der PR-Strategien. Die Öffentlichkeit schätzt seine
       Schlagfertigkeit und seinen Witz. So gelingt es ihm, belastende Fakten für
       nachrangig zu erklären. An einer Person wie Gysi kann man erkennen, dass
       weniger die Sachverhaltsermittlung im Fokus der Öffentlichkeit steht als
       die Aufmerksamkeitserregung. Dieses Element beherrscht der Mann. Der damit
       verbundene Verlust an Glaubwürdigkeit wird von der Öffentlichkeit billigend
       in Kauf genommen, solange seine Einlassungen Unterhaltungswert haben.
       
       So sind auch die Ergebnisse des Bundestags und der Recherchen der Behörde
       in Vergessenheit geraten? 
       
       Jedenfalls weitgehend. Gysi hat schon zu meiner Zeit Verfahren eingeleitet
       und hat versucht, auch die Recherche der Behörde rechtlich anzugreifen.
       Damit ist er allerdings gescheitert.
       
       Wie sind die neuen Akten jetzt zu bewerten? 
       
       Ich höre von einem neuen Zeugen. Das ist ein ähnlicher Hinweis wie jene,
       die in unserer Behörde gefunden wurden, die auch die IM-Bezeichnung
       verwendet haben. Solche Hinweise wie jener des Führungsoffiziers, der Gysi
       als IM bezeichnet, spielen wirklich eine wichtige Rolle bei der Recherche.
       Es ist ein neues Indiz dafür, dass die Überzeugung des Bundestags von
       damals richtig ist, dass IM-Belege vorliegen.
       
       Ist es für die Links-Partei Zeit, Konsequenzen zu ziehen? 
       
       So weit ist die Partei noch nicht. Wir haben in allen Landesparlamenten im
       Osten und zum Teil im Westen Vertreter, die mit der Staatssicherheit
       zusammengearbeitet haben. Die Partei hält es nur selten für nötig, sich von
       solchen Personen zu trennen.
       
       Werden IMs von der öffentlichen Meinung unterschiedlich bewertet? 
       
       Bei Stars, Fußballern oder witzigen Typen sieht die Öffentlichkeit gerne
       eine negative Vergangenheit ausgeblendet. Dadurch werden Belastungen in
       einen Erinnerungsschatten gestellt. Da stört dann die Öffentlichkeit, wenn
       Journalisten dieses Thema hervorholen. Das erinnert an die Nachkriegszeit.
       
       Ist es nicht erstaunlich, dass die Akteneinsichtnahme zunimmt? 
       
       In Deutschland ist die Zivilgesellschaft entwickelter. Deswegen werden auch
       Belastungen der Vergangenheit deutlicher reflektiert. Die Mehrheitsmeinung
       ist durch die Aufarbeitung der NS-Diktatur sensibilisiert. Die Aufarbeitung
       der Vergangenheit spielt eine größere Rolle.
       
       INTERVIEW: KAI SCHLIETER
       
       21 May 2008
       
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