# taz.de -- Streit um Studiengebühren in Hessen: Gericht erlaubt Campus-Maut
       
       > Das hessische Staatsgericht hält die Studiengebühren für rechtens. Koch
       > fühlt sich bestätigt, doch verhindern dürfte das Urteil die Abschaffung
       > der Gebühren trotzdem nicht.
       
 (IMG) Bild: Das Chaos in Hessen geht weiter: Studenten der Universität Kassel.
       
       WIESBADEN taz Das Hessische Staatsgericht hat am Mittwoch zwei
       Normenkontrollanträge gegen die Studiengebühren abgeschmettert. Die 500
       Euro pro Semester, so die Richter, seien rechtens und durchaus mit dem
       Artikel 59 der Landesverfassung vereinbar.
       
       Das Gericht urteilte damit zum einen gegen eine von über 70.000 Hessen
       eingereichte Massenklage, die vom DGB unterstützt wurde, zum ande- ren
       gegen einen Antrag von Abgeordneten und Landtagsfraktionen von SPD und
       Grünen. Der geschäftsführende Ministerpräsident Roland Koch (CDU) lobte die
       Entscheidung. Nachdem die rot-rot-grüne Landtagsmehrheit in der vergangenen
       Woche die Abschaffung der Uni-Gebühr beschlossen hatte, hatte sich Koch
       kurz darauf wegen eines Formfehlers geweigert, das neue Gesetz zu
       unterzeichnen.
       
       Das jetzige Gerichtsurteil fiel allerdings denkbar knapp aus. Sechs der elf
       Richtenden sprachen sich dafür aus, fünf votierten mit einer gesonderten
       Erklärung dagegen. Verwaltungsrichterin Karin Wolski berief sich in der
       Urteilsbegründung darauf, dass die Verfassung schon 1946 Spielraum gelassen
       habe. Zwar sei festgeschrieben, dass der Unterricht an Schulen und
       Hochschulen "unentgeltlich" sei. Der Text sehe aber auch vor, dass der
       Gesetzgeber Reichere zugunsten sozial Schwächerer verpflichten könne, ein
       "angemessenes Schulgeld" zu zahlen, damit die Bildungschancengleichheit
       gesichert werden könne.
       
       Sinn des Artikels sei, dass niemand aufgrund einer finanziellen Notlage vom
       Studium ausgeschlossen werden dürfe. Dies aber habe die damalige
       CDU-Mehrheitsregierung in ihrem seit dem Wintersemester 2007 geltenden
       Studiengebührengesetz berücksichtigt. Studieren- de könnten ohne
       Bonitätsprüfung, ohne Ansehen ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen
       Situation Darlehen beantragen. Die Rückzahlung sei für Bafög-Empfän- ger
       zinsfrei, nach dem Studium mit geringen Rückzahlungsraten großzügig dem
       Einkommen angepasst und erlösche ohnehin nach 25 Jahren oder mit dem Tod.
       Die Regelung gelte allgemein, es gebe keine Ausnahmen, auch "völlig
       Mittellose" würden nicht vom Studium ausgeschlossen, denn das Darlehen
       schaffe allen "Tüchtigen freie Bahn".
       
       Der Gesetzgeber, so Wolski, habe im Kern nicht "Unentgeltlichkeit, sondern
       Bildungschancengleichheit" gewollt. Die Schulgeldfreiheit aber gehöre zu
       den sozialen und nicht zu den "klassischen Grundrechten" und könne deshalb
       geändert werden. Der Staat müsse "Rücksicht auf Haushalt, Wirtschaft und
       andere Belange" der Gesamtgesellschaft gegenüber Einzelinteressen nehmen
       können.
       
       Die richterliche Minderheit pochte in ihrem Sondervotum darauf, in der
       Verfassung stehe ausdrücklich "unentgeltlich": "Und dann bedeutet das, es
       kostet nichts, und nicht, du kannst es später abbezahlen!" Das Urteil
       verkehre diese Vorgabe "geradezu in ihr Gegenteil". Wer sich verschulden
       müsse, verbessere seine wirtschaftliche Lage keinesfalls, sondern
       verschlechtere sie zusätzlich. Schon deshalb habe die Studiengebühr eine
       abschreckende Wirkung.
       
       Der geschäftsführende Ministerpräsident Roland Koch nannte das Urteil ein
       "ganz wichtiges Signal für die Zukunft Hessens". Dessen Bestand werde
       allerdings nur von kurzer Dauer sein, räumte er ein. Denn schon am
       kommenden Dienstag wird der Landtag deshalb in einer Sondersitzung mit
       nachgebesserter Vorlage noch einmal entscheiden. Die bereits seit einer
       Woche protestierenden Studierenden und Gewerkschaften kündigten für die
       nächsten Tage weitere Demonstrationen an.
       
       11 Jun 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heide Platen
       
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