# taz.de -- Bürgerbeteiligung: Grüne überfahren Bürger
> Die Kastanienallee in Prenzlauer Berg soll umgebaut werden. Anwohner
> kritisieren die Pläne des Bezirks. Doch davon hält der grüne Stadtbaurat
> nichts: "Bürgerbeteiligung macht hier wenig Sinn"
Mehr Platz für Radfahrer soll es geben, weniger Raum für Autos, und alle
Bäume dürfen stehen bleiben: Die Pläne des Bezirks Pankow für die
Kastanienallee in Prenzlauer Berg klingen ganz nach dem Geschmack der
Klientel in der Szene-Straße. Doch Anwohner haben Widerstand gegen die
Sanierung angekündigt, sie wollen Alternativen zu den Plänen entwickeln.
Dem Bezirksamt ist dieses Engagement ziemlich egal. "Bürgerbeteiligung an
einer Hauptverkehrsstraße macht weniger Sinn als in Nebenstraßen", sagt
Stadtbaurat Jens-Holger Kirchner. Das Pikante daran: Er kommt vom
klassischen Lobbyisten bürgerschaftlichen Engagements - den Grünen.
Die Bezirkspläne, die in den vergangenen Wochen auslagen, sehen sogenannte
Angebotsstreifen für Radfahrer vor, also 1,50 Meter breite, markierte Wege
am Straßenrand. Radfahrer sollen so sicherer zwischen Schwedter Straße und
Schönhauser Allee unterwegs sein können; immer wieder haben sich in der
Vergangenheit Reifen in Straßenbahnschienen gehakt, sind Menschen
verunglückt. Auto-Stellplätze sollen dafür zwischen die Bäume verlagert und
damit reduziert werden. In der Folge wird auch der Gehweg schmaler. Zur
Straßenbahn soll es barrierefreie Zugänge geben; sie soll auf dem Stück
zwischen Schwedter Straße und Schönhauser Allee schneller fahren können.
"Es wird kein Baum gefällt, und es wird genug Platz für die Schankvorgärten
bleiben", verspricht Kirchner von den ab 2010 geplanten Umbauten, für die
er 1,9 Millionen Euro veranschlagt.
Dass der Stadtbaurat bürgerschaftlichem Gegen-Engagement gerade an dieser
Straße so wenig Spielraum geben will, erstaunt. Schon einmal nämlich musste
er im gleichen Kiez klein beigeben, als sich Anwohner gegen Sanierungspläne
des Bezirks stemmten. Im vergangenen Jahr weigerten sich Bewohner der
Oderberger Straße, das von oben auferlegte Konzept zu akzeptieren. Nach
zähen Verhandlungen und vielen Protesten musste Kirchner klein beigeben;
gemeinsam mit ihm entwickelten die Anwohner schließlich ein Konsenskonzept.
"Nur wer laut schreit, findet Gehör", bemerkt dazu ein Aktivist.
Beim Streit um die Kastanienallee sind die Fronten noch verhärtet. Die
Bürgerinitiative Wasserturm, die den Protest bündelt, will nach einer
ersten Anwohnerversammlung in der letzten Woche nun eigene Vorschläge für
die Ausgehmeile des Prenzlauer Bergs erarbeiten. Denn dass der Spaziergang
auf dem gegenwärtigen Bürgersteig mehr eine Holperpartie denn ein Flanieren
ist, streitet kaum einer ab; auch nicht, dass die Verkehrsteilnehmer -
Fußgänger, Radler, Tramnutzer und Autofahrer - unterschiedliche Bedürfnisse
haben. Dazu kommen die Interessen der Café- und Kneipenbesitzer. "Die
bisherigen Pläne sind unlauter und würden den Charakter der Kastanienallee
zerstören", sagt gleichwohl Matthias Aberle von der Initiative. Mit den
Bezirksplänen werde der Verkehr nicht sicherer. "Das wird ein Gedrängel
geben, Lieferwagen halten auf den Radwegen, die Fluktuation wird viel
höher", ist er überzeugt. Derzeit legt die Initiative Unterschriftenlisten
in den Läden aus. Das Protokoll der ersten Anwohnersitzung ist an Haustüren
und Wände gepinnt.
Kirchner will erst mal abwarten. Sein Argument: Bürgerbeteiligung mache auf
der Kastanienallee kaum Sinn, weil es bei der Straßenplanung weniger
Gestaltungsmöglichkeiten gebe als auf der ruhigen Oderberger Straße. Dort
fahren keine Straßenbahnen und deutlich weniger Autos, die Lage sei weitaus
überschaubarer als auf der Kastanienallee.
17 Jun 2008
## AUTOREN
(DIR) Kristina Pezzei
## ARTIKEL ZUM THEMA