# taz.de -- Portugal schwächelt in der Defensive: Ein Lutscher für den Spaßvogel
       
       > Die Portugiesen verdecken ihre Schwachstellen in der Verteidigung mit
       > demonstrativer Lockerheit. Und Cristiano Ronaldo hat schon den ersten
       > Titel gewonnen - im teaminternen Tischtennis.
       
 (IMG) Bild: Kann dribbeln wie ein Zeichentrickheld: Cristiano Ronaldo.
       
       NEUCHÂTEL taz Als Cristiano Ronaldo am Dienstag zum Training erschien,
       erhielt er zu seiner Überraschung bereits die erste Auszeichnung bei dieser
       EM: Einen Lutscher. Die Verleihung im EM-Quartier der portugiesischen
       Nationalelf in Neuchâtel war wenig feierlich. Armando Petit, der kleine
       Mittelfeldspieler und große Scherzbold, zog den orangen Lolli abrupt hervor
       und überreichte ihn dem vorgeblich besten Fußballer der Welt mit den
       Worten: "Für dich, Verlierer. Weil du gestern im Trainingsspiel gegen mein
       Team verloren hast." Ronaldo war auch für diesen Spaß zu haben und steckte
       den Lutscher demonstrativ in den Mund.
       
       Portugal ist bei dieser EM in jeder Hinsicht die Mannschaft aus der
       Unterhaltungsbranche. Ihr spielerisch leichter Umgang mit dem Ball und dem
       Trainingslager-Leben macht sie zu Lieblingen von Fans und Medien. Auch beim
       Viertelfinale gegen Deutschland an diesem Donnerstag in Basel werden wieder
       Millionen am Fernseher gespannt auf die Momente warten, wenn Spielmacher
       Deco aus dem Nichts Pässe spielt, die man sich gar nicht vorstellen konnte,
       wenn Ronaldo scheinbar anstrengungslos dribbelt, wie es Zeichentrickhelden
       vorbehalten sein sollte. Wie selbstverständlich suchte Portugal bei der EM
       bislang die Schönheit im Angriff.
       
       Diese reiche Klasse sehen auch Trainer. Doch sie erkennen auch etwas
       anderes. Wer dieser Tage privat mit Experten wie Javier Clemente spricht,
       der als serbischer Nationaltrainer in der Qualifikation Portugal zwei
       Unentschieden abtrotzte, hört auch Skepsis. Denn Portugal spielt mit Pausen
       und einer für die heutige Zeit ungewöhnlich lockeren defensiven Ordnung.
       
       Zwar scheint das größte Problem der deutschen Elf momentan sie selbst zu
       sein, doch falls sie halbwegs wieder zu ihrem Spiel findet, ist Portugal
       keineswegs so favorisiert, wie es Decos Pässe oder Ronaldos Dribblings
       vorgaukeln. Portugal lässt seine Defensivleute oft alleine. Petit etwa, ein
       ordentlicher, aber auf EM-Niveau gewöhnlicher Mittelfeldmann von Benfica
       Lissabon, steht oft verlassen im Grenzland zwischen Abwehr und Mittelfeld.
       Hier böte sich schussstarken Deutschen wie Michael Ballack und Thomas
       Hitzlsperger Platz zum Austoben. "Es ist schwierig mit Ballack", sagte
       Petit, "er verschwindet und taucht plötzlich in Schusspositionen auf." Auch
       Portugals Außenverteidiger erhalten wenig Unterstützung aus dem Mittelfeld,
       was Paulo Ferreira links hinten oft überfordert.
       
       Im Grunde ist es der beste Fußball der Achtzigerjahre auf dem höchsten
       Tempo, mit der exquisiten technischen Klasse der Gegenwart. Während andere
       tolle Mannschaften wie Italien oder Spanien heute quasi durchgehend von
       Automatismen gesteuert agieren, vertraut Portugal wie die großen Teams vor
       20 Jahren auf spontane Eingebungen in einem einigermaßen geordneten
       Spielsystem. Dabei kommt die Inspiration nicht nur von den medialen Helden
       wie Deco, sondern die wichtigsten kurzen Impulse setzte ironischerweise oft
       der medial gescholtene Nuno Gomes. Er ist mit 32 der Stürmer, der keine
       Tore schießt. Seit März 2007 traf er in der Selecção einmal. Aber er
       interpretiert die schwierige Rolle des alleinigen Stürmers bei der EM
       großartig. Fleißig und aufmerksam, ermöglichte er Pepes 1:0 gegen die
       Türkei mit einem Doppelpass und Decos 1:0 gegen Tschechien mit einem
       winzigen, aber öffnenden Ballableger.
       
       Vor allem aber die Ausgelassenheit hat es sich eingerichtet bei den
       Portugiesen. Und Ronaldo, der leicht als selbstverliebter Beau erscheint,
       hat einen großen Anteil daran. Als Spaßmacher zumindest ist er Teamspieler.
       Der Katalane Gerard Piqué, der mit Ronaldo bei Manchester United spielte,
       erzählt, dass einmal alle Plastikhütchen vom Training verschwunden waren.
       Ronaldo hatte damit das Auto des Kollegen Nani dekoriert. Und am Dienstag
       wollte Ronaldo, der als Verlierer mit dem Lutscher Ausgezeichnete, noch
       eines klarstellen: "Im Tischtennis habe ich Petit gestern mit links
       geschlagen."
       
       18 Jun 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronald Reng
       
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