# taz.de -- Interview mit Faruk Sen: "Ich habe nur eine Zunge"
       
       > Faruk Sen will sein Amt als Leiter des Zentrums für Türkeistudien nicht
       > ohne weiteres aufgeben. Er fordert eine "tragfähige Lösung" - und droht
       > mit rechtlichen Schritten.
       
 (IMG) Bild: Faruk Sen (re.) glaubt nicht, dass NRW-Minister Laschet (li.) ihn stürzen will.
       
       taz: Herr Sen, seit Tagen stehen Sie heftig in der Kritik. Warum sind Sie
       erst jetzt nach Deutschland zurückgekehrt? 
       
       Faruk Sen: Weil ich in der Türkei wichtige Termine hatte. Ich hatte den
       Zentrumsvorstand gebeten, dass er seine Sitzung auf diese Woche verschiebt.
       Dazu war er leider nicht bereit, obwohl das vieles einfacher gemacht hätte.
       
       Können Sie die Empörung über Ihren Artikel in der türkischen Zeitung
       Referans nachvollziehen? 
       
       Ich kann die Empörung bei denjenigen nachvollziehen, die durch meinen
       unglücklichen Vergleich die Judenverfolgung verharmlost gesehen haben. Das
       war in keiner Weise meine Absicht. Das Missverständnis resultierte daraus,
       dass der Begriff "neue Juden" in der Türkei nicht so vorbelastet ist und
       entsprechend unbedacht verwendet wird - leider in diesem Fall von mir. Die
       Kritik daran beispielsweise von Charlotte Knobloch oder Michel Friedman …
       
       … die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland und der frühere
       Vize … 
       
       … ist völlig berechtigt. Ich habe mich deshalb auch beim Zentralrat der
       Juden ausdrücklich entschuldigt. Für die Unterstützung, die ich jetzt vom
       Zentralrat erfahre, bin ich sehr dankbar. Kein Verständnis habe ich
       allerdings für Vorwürfe, ich hätte dem deutsch-türkischen Verhältnis und
       der Integrationspolitik geschadet. Ich habe in dem betreffenden Artikel als
       Deutscher mit türkischer Herkunft in meinem Geburtsland dortige
       gesellschaftliche Minderheiten gegen Antisemitismus und Ausgrenzung in
       Schutz genommen. Es ist doch gerade meine Pflicht als deutscher
       Staatsbürger, mich gegen die Diskriminierung von Juden einzusetzen. Dafür
       soll ich jetzt in Deutschland bestraft werden? Das kann nicht richtig sein.
       
       Kritiker werfen Ihnen vor, Sie sprächen allzu oft mit gespaltener Zunge:
       Hier träten Sie als Vorkämpfer der Integration auf, in der Türkei schürten
       Sie Ressentiments gegen Deutschland. Was sagen Sie dazu? 
       
       Der Vorwurf ist unberechtigt. Ich kann gar nicht mit zwei Zungen sprechen,
       ich habe nur eine. Mit der kritisiere ich sowohl in der Bundesrepublik als
       auch in der Türkei, was zu kritisieren ist. Schließlich bin ich
       Wissenschaftler und keine Werbeagentur. Wo es Diskriminierungen und
       Benachteiligungen gibt, muss das benannt werden - und das mache ich: auf
       Türkisch und auf Deutsch. Aber genauso lobe ich auch, was es an positiven
       Entwicklungen gibt. So habe ich die Integrationspolitik des Landes
       Nordrhein-Westfalen und des dortigen Integrationsministers Armin Laschet
       immer gut gefunden und bin für sie eingetreten.
       
       Sehen Sie ernsthaft noch Chancen, auf den Chefposten zurückkehren zu
       können? 
       
       Ich habe mit Freude gelesen, dass Minister Laschet eine Lösung finden
       möchte, die tragfähig ist. Er sucht einen breiten Konsens, zu dem auch ich
       Ja sagen kann. Ich bin bereit, mich für eine solche Lösung zu engagieren:
       Es gibt noch viel für mich zu tun im Zentrum. Zur Not wird es eine
       gerichtliche Lösung geben. Unsere rechtliche Position stimmt mich hier sehr
       positiv. Je länger der Streit aber dauert, umso mehr beschädigt er das
       Zentrum und die Integrationspolitik. Das kann nicht mein Ziel sein. Mir ist
       es wichtig, dass die seit 23 Jahren erfolgreiche Arbeit des Zentrums
       weitergeführt werden kann.
       
       NRW-Integrationsminister Laschet, der Kuratoriumsvorsitzender des ZfT ist,
       hat über Sie und die Zukunft des Zentrums gesagt: Er hoffe, dass es
       gelingt, "dass wir seine großen Verdienste anerkennen und trotzdem zu einem
       Neuanfang kommen". Das klingt nach Abschied. 
       
       Dieser Interpretation kann ich mich nicht anschließen. Dass es für mich
       eine Nachfolge früher oder später geben muss, steht außer Diskussion. Ich
       bin Anfang des Jahres 60 geworden. Doch es ist wichtig, dass dies in einem
       geregelten Prozess stattfindet, der das Zentrum nicht beschädigt. Herr
       Minister Laschet und ich haben vereinbart, dass wir uns nach seinem Urlaub
       treffen wollen. Ich hoffe, dass wir zu einer Verständigung kommen werden.
       
       INTERVIEW: PASCAL BEUCKER
       
       2 Jul 2008
       
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