# taz.de -- Krieg in Georgien: Russland zieht Truppen ab
       
       > Russlands Präsident Medwedjew verkündet das Ende der Kämpfe und will
       > Truppen aus Südossetien abziehen. Die UNO spricht von 100.000
       > Flüchtlingen.
       
 (IMG) Bild: Wasser für eine Frau: Flüchtlinge aus Zchinwali
       
       GENF/MOSKAU/TIFLIS afp/dpa/ap/taz Russland beendet nicht nur die
       Kampfhandlungen gegen Georgien, sondern wird auch seine Truppen aus
       Süd-Ossietien abziehen. Das ordnete Russlands Präsident Dmitri Medwedjew am
       Dienstag an.
       
       Die Sicherheit der russischen Friedenssoldaten und der russischen
       Staatsbürger sei gewährleistet, sagte Medwedjew in schönstem Kremlinsprech.
       Der "georgische Aggressor" sei bestraft. Zugleich erteilte er dem
       russischen Verteidigungsministerium den Befehl, die Kampfhandlungen jeder
       Zeit wieder aufzunehmen, sollte in der von Georgien abtrünnigen Region
       Südossetien wieder Gewalt an der Bevölkerung verübt werden.
       
       Dennoch hatte Georgiens Regierung gemeldet, dass die russische Armee
       weiterhin einzelne Luftangriffe auf georgische Ziele verübt. Die
       Streitkräfte hätten Angriffe gegen zwei Dörfer in der Nähe von Südossetien
       geflogen, hieß es in Tifilis.
       
       Georgiens Präsident Michail Saakaschwili kündigte derweil am Dienstag auf
       einer Kundgebung in Tiflis an, dass Georgien die von Russland dominierte
       Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) verlassen wolle. "Wir haben die
       Entscheidung gefällt: Georgien verlässt die GUS", sagte er. Er habe das
       Parlament aufgefordert, entsprechende Schritte einzuleiten.
       
       Durch den bewaffneten Konflikt zwischen Georgien und Russland sind nach
       UN-Angaben nunmehr rund 100.000 Menschen in die Flucht getrieben worden.
       Das UN-Flüchtlingshilfswerk in Genf (UNHCR) gab am Dienstag diese Zahl
       bekannt und rief die Verantwortlichen vor Ort auf, humanitäre Korridore zur
       Versorgung der Menschen zu öffnen. Unter Berufung auf Angaben der
       georgischen und der russischen Regierung nannte das UNHCR die Zahl von rund
       30.000 Menschen, die von Südossetien nach Nordossetien flohen. Zudem gebe
       es in Südossetien rund 12.000 Binnenflüchtlinge. Aus der georgischen Stadt
       Gori, die mehrere Tage lang das Ziel russischer Luftangriffe war, flohen
       demnach 56.000 Menschen.
       
       Die russischen Kampfverbände werden bis auf Weiteres in Georgien bleiben.
       Das teilte der stellvertretende Generalstabschef Anatoli Nogowizyn am
       Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax mit. "Die russischen Truppen
       bleiben da, wo wir sie hin befohlen haben", sagte Nogowizyn.
       
       Im Krieg zwischen Russland und Georgien waren zuvor alle diplomatischen
       Register gezogen worden. In New York beriet der UN-Sicherheitsrat in einer
       geheimen Dringlichkeitssitzung über einen Aufruf zum sofortigen
       Waffenstillstand. Der französische Außenminister Bernard Kouchner wollte
       seine Vermittlungsbemühungen am Dienstag in Moskau fortsetzen. Der
       französische Präsident und amtierende EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy
       wurde in Moskau und Tiflis erwartet. Die Präsidenten Polens, der Ukraine
       und der drei Baltenstaaten Lettland, Estland und Litauen kündigten einen
       Solidaritätsbesuch in Tiflis an.
       
       In scharfen Worten forderte US-Präsident George W. Bush Moskau zur Umkehr
       auf. Eine "dramatische und brutale Eskalation" des gegenwärtigen Konflikts
       könne Russlands Beziehungen zum Westen gefährden. Russland sei in einen
       "souveränen Nachbarstaat einmarschiert und bedroht eine demokratisch
       gewählte Regierung", sagte der US-Präsident nach einer Krisensitzung mit
       dem Nationalen Sicherheitsrat in Washington. Eine solche Militäröffensive
       sei im 21. Jahrhundert völlig inakzeptabel.
       
       Die russische Regierung und das Militär vor Ort störten die diplomatischen
       Avancen wenig, der Vormarsch ging weiter. Das wirkliche Ausmaß der
       russischen Offensive in Georgien blieb weiter unklar. Es gibt Bilder von
       russischen Angriffen auf die unmittelbar südlich von Südossetien gelegene
       Gori, der Geburtsstadt des Sowjetdiktators Stalin. Russische Truppen legen
       anscheinend eine Art Sicherheitskordon von etwa zehn Kilomter um die
       Grenzen Südossetiens.
       
       Schwedens Außenminister Carl Bildt landete gestern in Tiflis. Im
       Stockholmer Rundfunksender SR sagte er, Russland habe mit "Bodentruppen und
       ziemlich ausgedehnten Luftschlägen die georgischen Militäranlagen
       einschließlich Radarstationen, Kommunikation und Armeelager komplett
       zerstört". Durch die Angriffe seien auch "massive wirtschaftliche Schäden"
       für Georgien entstanden.
       
       Die sowieso auf dem Rückzug befindliche georgische Armee wird unterdessen
       auch von der zweiten abtrünnigen Provinz Abchasien aus unter Druck gesetzt.
       Das abchasische Verteidigungsministerium verkündete, eine Offensive gegen
       die georgischen Truppen in der Kodori-Schlucht gestartet zu haben - dem
       einzigen Gebiet in Abchasien, das von Georgien kontrolliert wird.
       Abchasische Truppen seien am Morgen in den oberen Teil der Schlucht
       eingedrungen, berichteten auch Korrespondenten der russischen
       Nachrichtenagentur Interfax. Abchasien versucht seit Samstag, die dort etwa
       1500 Mann starken georgischen Truppen aus der Kodori-Schlucht zu
       vertreiben. Die abtrünnige Provinz hatte sich ebenso wie Südossetien Anfang
       der 90er Jahre von Georgien abgespalten. Nach dem Völkerrecht gehören beide
       Gebiete jedoch weiter zu Georgien.
       
       Die einzige Hilfe, die die USA den Georgiern im Konflikt offiziell zukommen
       ließen war eine Luftbrücke; 2.000 georgische Soldaten wurden zur
       Verstärkung aus dem Irak in ihre Heimat eingeflogen. Ach ja: Und die
       Website des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili president.gov.ge
       ist nach Hackerangriffen - angeblich aus Moskau und St. Petersburg - zu
       einem Provider in den USA umgezogen.
       
       12 Aug 2008
       
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