# taz.de -- Anhörung in Brüssel: Gift in Kindern
       
       > Obwohl weichmachende Phthalate in Spielzeugen verboten sind, finden
       > Forscher im Blut von Kindern immer höhere Konzentrationen der Chemikalie.
       
 (IMG) Bild: Vergiftete Spielzeuge?
       
       Eva Eiderstrom hat die Probe aufs Exempel gemacht. In ihrem schwedischen
       Heimatort kaufte sie ein bei kleinen Mädchen sehr beliebtes Frisierset.
       Zwar standen weder Hersteller noch die gesetzlich vorgeschriebene
       Infonummer auf der Verpackung, da Eiderstrom aber einer
       Verbraucherorganisation vorsteht, fand sie den Hersteller Mattel und seine
       Telefonnummer schnell heraus. Doch zu den Inhaltsstoffen konnte oder wollte
       der Spielwarenproduzent keine Auskunft erteilen, obwohl er dazu gesetzlich
       verpflichtet ist. Eiderstrom ließ das Spielzeug analysieren. Ergebnis: Das
       Haarpflegeset für kleine Mädchen ist ein Chemiecocktail, der auch Phthalate
       enthält. Sie stehen im Verdacht, fortpflanzungsschädigend zu sein.
       
       Eiderstrom schilderte das Beispiel bei einer Parlamentsanhörung in Brüssel.
       Die 20 Jahre alte Spielzeugrichtlinie wird nämlich überarbeitet. Die
       EU-Kommission hat einen Entwurf vorgelegt. Anfang Oktober beginnen die
       Beratungen im Parlament.
       
       Glaubt man dem TÜV-Experten Klaus Brüggemann, gibt es jede Menge
       Nachbesserungsbedarf am Kommissionsvorschlag. Zwar werden Stoffe, die im
       Verdacht stehen, krebserregend, mutagen oder fortpflanzungsschädigend zu
       sein, endlich in der Spielzeugherstellung verboten, doch Brüggemann warnt
       vor einem neuen Messverfahren für giftige Schwermetalle. Dadurch dürften
       Kinder künftig höheren Konzentrationen von Arsen, Chrom, Quecksilber oder
       Blei ausgesetzt werden als bisher. Denn die Grenzwerte wurden bislang
       danach festgesetzt, wie viel Mikrogramm eines Stoffes der Körper eines
       Kindes pro Tag aufnehmen darf. Künftig berechnen sie sich pro Kilogramm
       Spielzeugmaterial. Laien können die Daten nicht vergleichen, eine
       wissenschaftliche Studie aber kommt zu dem Ergebnis, dass die Grenzwerte so
       für manche Schwermetalle um das Zwanzigfache steigen.
       
       Alarmierende Forschungsergebnisse über die vermutete fortpflanzungshemmende
       Wirkung von Phthalaten legte der dänische Reproduktionsspezialist Henrik
       Leffers den Abgeordneten vor. Untersuchungen bei Ratten ergaben, dass hohe
       Phthalatkonzentrationen die Entwicklung der Hoden schon vor der Geburt
       schädigen und die Ausbildung gesunder Spermazellen dadurch beeinträchtigt
       wird. Der Testosteronspiegel sei bei jungen Dänen inzwischen im Schnitt
       nicht höher als bei 60-jährigen. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen
       hohen Phthalatkonzentrationen im Urin der Mutter und gering ausgebildeten
       oder missgebildeten männlichen Geschlechtsorganen des Babys sei
       nachweisbar.
       
       Je reicher ein Land sei, desto stärker sinke die Fortpflanzungsrate, sagte
       Leffers. Da die Frauen immer später im Leben schwanger würden, wirke sich
       die schlechte Qualität des männlichen Spermas umso nachteiliger aus. Es
       werde noch 20 Jahre dauern, bis die Wissenschaft die Wirkung der
       Weichmacher auf den menschlichen Organismus genau erklären könne. "So lange
       können Sie nicht warten. Sie müssen das Vorsorgeprinzip anwenden!", rief er
       den Abgeordneten zu.
       
       Doch Gesetze allein scheinen auch nicht zu helfen. Phthalate sind in
       Babyspielzeug, das in der EU verkauft wird, bereits seit Jahren weitgehend
       verboten. "Trotzdem steigen die Werte, die wir bei Kindern messen,
       unverändert an. Die haben inzwischen mehr Phthalat im Blut als unsere
       Versuchsratten", erklärt Leffers.
       
       5 Sep 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniela Weingärtner
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Spielzeug
       
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