# taz.de -- Dauerlauf über 250 Kilometer: Auf den Spuren des Kriegsboten
       
       > Vor nicht einmal zehn Jahren begann Michael Vanicek (40), damals
       > übergewichtig, mit dem Laufsport. Mittlerweile läuft er erfolgreich
       > Ultramarathons und startet am Freitag zum vierten Mal beim legendären
       > Spartathlon über 250 Kilometer:
       
       Die Nacht über hatte sich Michael Vanicek immerhin noch im schnellen
       Gehschritt über die Strecke gequält. Als dann der Regen einsetzte und
       stärker wurde, war das Rennen für den Ultramarathonläufer zu Ende. "Ich
       dachte nur noch, ich will mich hier hinsetzen und sterben. Es ging einfach
       nicht mehr weiter für mich", erzählt Vanicek von seiner größten
       Grenzerfahrung als Langstreckenläufer. Nach 207 gelaufenen Kilometern
       musste er schließlich aufgeben, ausgekühlt und geplagt von Schmerzen an
       beiden Außenbändern in den Knien. "Das war ein Desaster, aber im Nachhinein
       möchte ich diese Erfahrung gar nicht missen. Es war ja nichts wirklich
       Bedrohliches und so habe ich gelernt, mit Belastungen noch besser
       umzugehen."
       
       Das Desaster ereignete sich vor drei Jahren beim Spartathlon, einem der
       härtesten Langstreckenläufe der Welt. Innerhalb von 36 Stunden müssen die
       Teilnehmer knapp 250 Kilometer zwischen Athen und Sparta laufen. Obwohl es
       mittlerweile ein begrenztes Teilnehmerfeld gibt und die Startberechtigung
       an einige läuferische Bedingungen gekoppelt ist, beendet in der Regel nicht
       mal die Hälfte der Starter das Rennen.
       
       Der Spartathlon fasziniert die Läufer auf eine einzigartige Weise, ist er
       doch dem legendären Lauf des griechischen Kriegsboten Pheidippides
       nachempfunden, der 490 v. Chr. während der Perserkriege von den Athenern
       nach Sparta geschickt worden sein soll, um Unterstützung für die
       bevorstehende Schlacht von Marathon anzufordern.
       
       Michael Vanicek, 40 Jahre alt, fing erst vor knapp zehn Jahren mit dem
       Laufsport an. Wenn man den hageren kleinen Mann mit seinem schmalen Gesicht
       heute sieht, mag man gar nicht glauben, dass er damals 95 Kilo wog: "Ich
       war eigentlich immer etwas dick und pummelig." Nach mehreren Diäten
       inklusive Jojo-Effekt entschloss er sich im Juli 1999, auch mit Sport
       anzufangen um das Gewicht zu reduzieren. "Man fühlt sich gut, wenn man
       gerade zehn, fünfzehn Kilo abgenommen hat. Dann bin ich eben nebenbei
       laufen gegangen."
       
       Schnell entwickelte er eine Leidenschaft, musste sich nicht quälen oder
       überwinden, um selbst bei widrigsten Bedingungen laufen zu gehen. "Ich
       arbeite im Schichtbetrieb in der Bundesdruckerei. Da kann es auch mal
       vorkommen, dass ich nachts mit der Grubenlampe durch den Wald muss, um mein
       Training zu absolvieren."
       
       Ansonsten hat Vanicek sein Leben nicht weiter umgestellt: "Natürlich ernähr
       ich mich insgesamt bewusster, doch bin ich nach wie vor ein
       leidenschaftlicher Esser." Er findet, dass Ultraläufer, für die das Laufen
       trotz der Strapazen ein Hobby ist, oft etwas unorthodoxer sind als zum
       Beispiel professionelle Langläufer und fügt lächelnd hinzu: "Das macht das
       Ganze auch wieder menschlich."
       
       Beispielhaft nennt Vanicek seine Laufplanung. "Manchmal schaue ich morgens,
       wenn das Wetter schön ist, in den Laufkalender und entscheide mich spontan
       bei einem längeren Lauf mitzumachen." Dann fährt Vanicek lieber zu einem
       Wettkampf, anstatt seine Kilometer einfach nur als Training abzuspulen,
       allein in den Wäldern rund um seinen Wohnort Leegebruch im Landkreis
       Oberhavel. So gewann er 2004 auch seinen ersten Marathon in Potsdam, wo er
       in 2:46:42 Stunden so schnell lief wie nie. Doch irgendwann stellte Vanicek
       fest, dass sein Marathon-Potenzial ausgeschöpft war: "Ich hatte meinen
       Zenit erreicht. Ich wurde nicht mehr schneller und verlor ein bisschen die
       Lust." Also suchte er neue Herausforderungen.
       
       So fand er den Weg zu immer längeren, immer extremeren Läufen, ständig mit
       dem Wunsch, seine persönlichen Grenzen auszuloten. "Es gilt, während des
       Rennens die destruktiven Gedanken zu zerschlagen." Dabei lässt sich Vanicek
       vor allem vom Wettkampf motivieren: "Ich denke mehr oder weniger nur über
       den Rennverlauf selbst nach und finde das auch sehr spannend." Dann geht es
       um Taktik und Tempo, Probleme und Schmerzen.
       
       Seit einiger Zeit hilft ihm bei der Bewältigung auch sein Teamkamerad Jan
       Prochaska (42), mit dem zusammen er für das LG Nord Berlin Ultrateam
       startet. Oft laufen sie die Rennen gemeinsam, von Start bis Ziel stets
       beieinander, so auch im vorigen Jahr beim erfolgreich bewältigten
       Spartathlon.
       
       In diesem Jahr werden sich die Wege der "Laufzwillinge" unterwegs eventuell
       trennen. "Jan ist in einer super Form. Und ich habe noch mit den
       Nachwirkungen meines letzten Ultralaufs zu tun", so Vanicek. Vor ein paar
       Wochen, beim Ultratrail Montblanc, lief er sich beide Fersen wund. Zwei
       Blasen überdeckten seine hintere Fußsohle und machten das Beenden des Laufs
       unmöglich. Es war erst das zweite Mal, dass er einen Ultramarathon
       abbrechen musste, bei 30 Starts.
       
       Morgen wird Vanicek trotz teilweise ausgefallenen Trainings nach
       Griechenland aufbrechen. Bis zum Rennen am Freitag bleibt ihm dann noch ein
       wenig Zeit zur Akklimatisierung. Seine persönliche Bestzeit von 2006 (26:56
       Stunden) wird er wohl kaum unterbieten können, aber beenden möchte er den
       Lauf auf jeden Fall. Im Ziel freut er sich vor allem auf den Brauch, einer
       überlebensgroßen Pheidippides-Statue die Füße zu küssen.
       
       21 Sep 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) John Hennig
       
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