# taz.de -- Deutsche und russische NGOs im Austausch: Brücken ins "andere Russland"
       
       > In St. Petersburg trefen sich Vertreter der Zivilgesellschaften
       > Deutschlands und Russlands. Annäherungen am Rande des deutsch-russischen
       > Gipfels.
       
 (IMG) Bild: Während Merkel mit Medwedew durch St. Petersburg spaziert, diskutieren in der Universität Vertreter der Zivilgesellschaften auch heikle Themen.
       
       ST. PETERSBURG taz "Wie ein Damoklesschwert hängt das neue russische Gesetz
       für Nichtregierungsorganisationen über uns", beklagt sich Sergej Zyplenkow,
       Geschäftsführer von Greenpeace Russland. "Vielen Gruppen wurde einfach eine
       Registrierung verweigert." Zyplenkow kritisiert auch die deutsche
       Bürokratie. Die stringente deutsche Visapolitik, so Zyplenkow, erschwere
       eine länderübergreifende Arbeit.
       
       Zwei Tage trafen sich vor den deutsch-russischen Regierungskonsultationen
       in St. Petersburg am Donnerstag Vertreter der Zivilgesellschaften beider
       Länder in der Universität. Dabei wurden heikle Themen, beispielsweise das
       NGO-Gesetz oder Südossetien, nicht ausgeklammert. Die Gespräche zeigten
       aber auch, wie viel Kraft im deutsch-russischen Dialog steckt.
       
       Eindrucksvoll berichtet Anne Hofinga, Vorsitzende der "Russlandhilfe", von
       ihrer sozialen Arbeit. Vor 15 Jahren erarbeiteten deutsche und russische
       Sozialarbeiter, Ärzte und Freiwillige gemeinsam die ersten Programme, damit
       straffällige oder behinderte Kinder nicht in staatlichen Einrichtungen
       weggesperrt werden. Eine Schule mit Werkstatt bereitet die Kinder und
       Jugendlichen auf ein Leben in Eigeninitiative vor. Inzwischen werden die
       Pädagogen dieser erfolgreichen Schule landesweit als Referenten zu
       Fortbildungsmaßnahmen eingeladen.
       
       "Gerade bei den sozialen Initiativen sieht man, wie wichtig die
       Zusammenarbeit ist und wie hier weiteres Vertrauen entwickelt werden kann",
       so Jelena Schemkowa, Geschäftsführerin der Menschenrechtsorganisation
       "Memorial". Schemkowa ruft die Teilnehmer auf, den Status
       deutsch-russischer Projekte im sozialen Bereich zu erhöhen. Der
       Petersburger Dialog, so Schemkowa, solle die sozialen Projekte weiter
       voranbringen. Gleichzeitig, so Schemkowa, gelte es, die Arbeit deutscher
       Freiwilligen bei russischen Nichtregierungsorganisationen zu fördern.
       Jaroslaw Kusminow, Rektor der Hochschule für Wirtschaft in St. Petersburg
       und Mitglied im Rat zur Förderung von Zivilgesellschaft und Menschenrechten
       beim russischen Präsidenten, greift diese Idee begeistert auf. Er möchte
       umgekehrt auch Projekte von russischen Freiwilligen in Deutschland
       gefördert sehen.
       
       Trotz aller Unterschiede einigten sich die Teilnehmer auf gemeinsame
       Schwerpunkte. Man will auf den Abbau bürokratischer Hemmnisse drängen,
       Freiwilligenarbeit in Russland und Deutschland fördern, ein
       deutsch-russisches Seminar zu "Fremdenfeindlichkeit und Gewalt in der
       Gesellschaft" planen und den Gedanken der Städtepartnerschaften wieder
       populär machen.
       
       Martin Kummer, 16 Jahre lang Oberbürgermeister des thüringischen Suhl,
       Partnerstadt von Kaluga, drängt darauf, auch über Arbeitnehmerstandards zu
       sprechen. Wenn man im VW-Werk von Kaluga nachfrage, wie es dort um
       Mitbestimmung und Personalrat bestellt sei, stoße man auf Schweigen. Im
       Dialog, so Kummer, sollten wir auch auf die Rechte der Arbeitnehmer achten.
       BERNHARD CLASEN
       
       4 Oct 2008
       
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