# taz.de -- Zwangsprostitution: Freier bleiben unbestraft
       
       > Wer Sex mit einer Zwangsprostituierten hat, soll nach dem Willen der
       > großen Koalition bestraft werden - eigentlich. Warum ein angekündigtes
       > Gesetz nach drei Jahren noch nicht da ist.
       
 (IMG) Bild: In die Prostitution gezwungen: Freier müssen keine Strafe fürchten.
       
       Helena zum Beispiel. Die deutschen Männer hätten merken können, dass etwas
       nicht stimmte, als sie das kaum erwachsene Mädchen am Straßenrand der
       kleinen tschechischen Grenzstadt sahen. Im eiskalten Winter trug die
       18-Jährige keine Strümpfe, hochschwanger war sie auch.
       
       Den deutschen Freiern war das nicht wichtig. Sie wollten Sex nach ihren
       Vorstellungen kaufen, und da war eine Zwangsprostituierte, die sich nicht
       wehren konnte. Inzwischen lebt Helena ein "menschenwürdiges Leben", erzählt
       Streetworkerin Cathrin Schauer von Karo. Der Plauener Verein bekämpft die
       Zwangsprostitution im sächsisch-tschechischen Grenzland und hat Helena den
       Ausstieg ermöglicht. "Es ist zu einfach, den Buhmann den Zuhältern
       zuzuschieben", sagt Schauer. "Es gibt noch einen Täter - den Freier, der
       den Frauen das antut."
       
       Das sah auch die Koalition aus CDU/CSU und SPD so. Die Parteien
       vereinbarten 2005 im Koalitionsvertrag eine Bestrafung von Männern, die die
       Zwangslage einer Prostituierten ausnutzen. Drei Jahre später ist ein Gesetz
       nicht in Sicht - und wird nach Einschätzung von Fachleuten vor der
       Bundestagswahl 2009 auch nicht mehr kommen.
       
       "Das ist ein verfahrenes Projekt", sagt Strafrechtsprofessor Joachim
       Renzikowski von der Universität Halle-Wittenberg zum
       Gesetzgebungsverfahren. Aus seiner Sicht streiten die Koalitionspolitiker
       weniger um Sachfragen, sondern fechten einen Grundsatzstreit um die
       Prostitution aus. "Teile der SPD haben Angst, dass mit dem Gesetzesvorhaben
       die Prostitution insgesamt wieder auf der Agenda steht", sagt auch die
       Rechtspolitikerin Ute Granold von der CDU. Sie ist seit Jahren die
       treibende Kraft hinter der Forderung nach Freierbestrafung.
       
       "Wir wollen tatsächlich verhindern, dass die Themen Prostitution und
       Zwangsprostitution zusammengebracht werden", sagt die Frauenpolitikerin
       Angelika Graf von der SPD. Rot-Grün hatte 2002 die Prostitution
       legalisiert. Das Prostitutionsgesetz erlaubt es Huren etwa, ihren Lohn vor
       Gericht einzuklagen. Auch Bordellbetreiber machen sich nicht mehr strafbar,
       wenn sie den Frauen ein Arbeitsumfeld zur Verfügung stellen. Teile der SPD
       fürchten, dass die CDU die Prostitution wieder kriminalisieren will.
       Demnach wäre die Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten nur ein
       erster Schritt in Richtung Bestrafung aller Freier.
       
       Diese Bedenken seien aber unberechtigt, sagt Granold. Anders als in
       früheren Gesetzentwürfen zur Freierstrafbarkeit fordere die CDU nicht mehr,
       etwa die Bordellbetreiber wegen "Förderung der Prostitution" wieder zu
       bestrafen. Es gehe allein um die Kunden von Zwangsprostituierten. Im
       November will Granold die Rechtspolitiker der Koalition an einen Tisch
       kriegen, um konkrete Fragen zu besprechen.
       
       Denn von denen gibt es genug: Werden die Freier den Opferberatungsstellen
       weiter Hinweise auf Zwangsprostituierte geben, wenn sie eine Bestrafung
       fürchten müssen? Wie soll einem Freier nachgewiesen werden, dass er von der
       Zwangslage der Frau wusste?
       
       "Das Gesetz ist ein guter Ansatz, aber mir fehlt der Nachweis", sagt
       Cathrin Schauer von Karo. "Das Klischee von der zusammengeschlagenen Frau
       entspricht einfach meist nicht der Realität." Strafrechtler fürchten, dass
       ein Gesetz nur symbolischen Wert hätte. Granold sieht das anders: "Man kann
       sehr schnell erkennen, ob eine Frau zwangsweise der Prostitution nachgeht.
       Alles andere ist nur vorgeschoben."
       
       So droht das Gesetz im Dickicht der Interessen unterzugehen - dabei wäre es
       eigentlich ein sensationelles Vorhaben. Erstmals würden diejenigen
       bestraft, die erst durch ihre Nachfrage einen Markt für sexuelle Ausbeutung
       schaffen, den Experten in seinem weltweiten Ausmaß mit dem Waffen- und
       Drogenhandel vergleichen.
       
       Die EU schätzt, dass in Westeuropa mehrere hunderttausend Frauen
       entrechtet, gedemütigt und teils mit brutaler Gewalt zur Prostitution
       gezwungen werden. Das Bundeskriminalamt zählte 2007 in Deutschland 689
       Menschenhandelsopfer - die Spitze eines Eisbergs.
       
       9 Oct 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hendrik Heinze
       
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 (DIR) Zwangsprostitution
       
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