# taz.de -- Konzern ExxonMobil: Die Supermacht vom Ölfeld
       
       > ExxonMobil ist das reichste und mächtigste Privatunternehmen der Welt.
       > Zugleich ist der Konzern der größte Feind des Klimaschutzes - selbst in
       > der Ölindustrie gilt er als skrupellos.
       
 (IMG) Bild: Herz der amerikanischen Ölindustrie: ExxonMobil in Baytown, Texas.
       
       Die riesige Werbetafel rechts neben dem Highway 330 ist nicht zu übersehen:
       "We buy ugly houses!". Fünf Minuten später biegt die Erhart Road rechts ab,
       eine holperige Seitenstraße. Jetzt versteht man das Geschäftsmodell. Unter
       breiten Bäumen ducken sich an der linken Seite armselige Holzhäuser und
       ausgeschlachtete Autos. Rechts erheben sich hinter einem Maschendrahtzaun
       die silbernen Türme der Raffinerie von Baytown, 30 Kilometer östlich der
       texanischen Metropole Houston. Baytown, Texas, ist die größte
       Erdölraffinerie der Welt und Grundstein dafür, dass der Ölkonzern Exxon das
       größte, profitabelste und mächtigste Privatunternehmen der Welt ist. Zwölf
       Quadratkilometer voller Türme, Pipelines, Kessel und Silos. Dutzende von
       weißen Tanks im Turnhallenformat lagern Rohöl, Benzin, Plastik oder
       Kunststoffe, Schlote stoßen dicken weißen Qualm in die tiefhängenden grauen
       Wolken.
       
       Der Ölkonzern ist eine Klasse für sich: Gemessen an seinem Budget steht er
       auf Platz 19 der Liste der reichsten Länder der Welt. Er besitzt direkte
       Pipelines in die politischen Machtzentralen der USA und bremst im
       Alleingang den internationalen Klimaschutz. Wenn die USA "abhängig vom Öl"
       sind, wie US-Präsident Bush sagt, dann ist ExxonMobil der größte Dealer.
       Die Firma ist das Hassobjekt von Umweltschützern auf der ganzen Welt, eine
       ökonomische, ökologische und politische Supermacht und für die New York
       Times sogar ein "Feind des Planeten".
       
       Cliff Clements kennt ein ganz anderes ExxonMobil: Einen ausgezeichneten
       "corporate citizen", ein Unternehmen mit Verantwortung für seine
       Mitarbeiter, von denen manche Malocher als Millionäre in Rente gehen.
       Clements ist Herausgeber der Lokalzeitung The Baytown Sun und er ist extra
       ins lokale "Starbucks"-Café gekommen, um ExxonMobil zu verteidigen, das er
       kennt und mit dessen Pressesprecher er Golf spielt. 70 Millionen US-Dollar
       zahlt der Weltkonzern der Gemeinde jedes Jahr an Steuern, "unsere Junior
       High School gehört zu den besten im Staat" und die Leiterin der
       Schulbehörde bekommt ein Traumgehalt. Klimawandel? "Das interessiert die
       Leute hier nicht. Hier geht es um Luftverschmutzung, die man riechen kann.
       Alles andere ist Sache der Konzernleitung in Dallas."
       
       "Exxon ist einfach anders", sagt Kenneth Medlock, Wirtschaftsprofessor und
       Energieexperte an der Rice University in Houston "immer der Big Guy, der
       erste und älteste Ölkonzern und der Klassenbeste." Als Venezuela 2007 die
       Ölquellen im Land verstaatlichte, hätten die anderen Konzerne klein
       beigegeben - nicht so ExxonMobil, das vor den internationalen Gerichtshof
       zog, um Venezuelas Auslandskonten einzufrieren. "So verhält sich kein
       Unternehmen, auch kein globaler Konzern", sagt Medlock, "so verhält sich
       ein Staat."
       
       In der Klimadebatte haben sich die Texaner ihren schlechten Ruf hart
       erarbeitet: 16 Millionen US-Dollar zahlte das Unternehmen für eine
       Strategie, die reputierte Wissenschaftler in die Defensive drängte und
       eigene "Spezialisten" in die Welt setzte, die den Klimawandel in Zweifel
       zogen. Der Ölgigant regierte bis in die Personalpolitik des Weißen Hauses
       unter George W.Bush hinein. Diese "erfolgreichste Desinformationskampagne
       seit den Täuschungen der Tabakindustrie" ist nachzulesen in dem Bericht
       "Smoke, Mirrors and Hot Air" der US-Organisation Union of Concerned
       Scientists, der 2007 veröffentlicht wurde und sich auf interne Papiere,
       Memos und E-Mails der Bush-Regierung stützt.
       
       Was sagt ExxonMobil zu diesen Vorwürfen? Nichts - obwohl der Konzern auf
       seiner Homepage verspricht, die "Transparenz gegenüber Unternehmen und
       Kunden zu maximieren". Interview- und Besuchsanfragen werden verschleppt
       und nicht beantwortet, E-Mails sind offiziell nie angekommen. Nach
       beharrlichem Nachhaken im Sekretariat der Pressestelle lautet das Urteil
       nach wochenlanger Prüfung: "Sorry, leider ist niemand für ein Gespräch
       verfügbar." Der Besuch in Baytown, den der Pressesprecher der Raffinerie
       organisieren wollte, wird aus der Zentrale verhindert. Das gleiche Vorgehen
       beim "American Petroleum Institute" in Washington, der Lobbyorganisation
       der Ölindustrie, laut Selbstverständnis eigentlich angelegt als "Forum für
       die Diskussion von Energiefragen": "Ich kann Ihnen keinen Ansprechpartner
       nennen". Und selbst in Buchhandlungen sucht man vergeblich nach einem
       umfassenden und unabhängigen Buch über das reichste und einflussreichste
       Unternehmen der Welt. Was bleibt, ist das Werk der investigativen
       Journalistin Ida Tarbell über "The History of Standard Oil" - aus dem Jahre
       1904.
       
       Selbst die schärfsten Kritiker preisen allerdings die Sicherheitskultur und
       wirtschaftliche Effizienz im Unternehmen: Weniger Unfälle und Störfälle als
       der Durchschnitt der Ölindustrie, effektives Krisenmanagement, exzellente
       Forschungsarbeit und sehr vorsichtige Investitionsentscheidungen
       garantieren den Erfolg. Selbst Greenpeace-Experte Kert Davies gesteht
       ExxonMobil "intellektuelle Ehrlichkeit" zu: "Sie sagen: Wir sind eine
       Ölgesellschaft, und das ist es, was wir machen. Sie würden niemals mit
       einem Marketing-Konzept wie ,Jenseits des Öls' kommen, wie BP es versucht
       hat."
       
       Auch in Houston hat ExxonMobil eine Sonderposition: Baytown sitzt auf der
       Ostseite der Bucht, auf der anderen Seite qualmen die petrochemischen Werke
       der anderen: DuPont, Shell, Valero, Lyondale, Chemiewerke, Raffinerien,
       Zementwerke, sogar eine Budweiser-Brauerei mitten darunter. Bis zum
       Horizont, an dem die Hochhaustürme von Houston im schwülen Dunst
       zerfließen, drängen sich riesige Schornsteine neben Kugelsilos von den
       Ausmaßen einer mittleren Kathedrale. Diese Herzkammer der
       US-Energieversorgung pumpt ein Drittel des amerikanischen Öls in die
       Tankstellen und Heizkessel der Nation. Und mitten durch das ausgedehnte
       Chemiequartier führt der Highway 225, inoffiziell "Refinery Row" genannt,
       offiziell "Texas Independence Highway". Er zeigt das genaue Gegenteil: Die
       Abhängigkeit des US-Staates vom Öl. Und seine Verwundbarkeit für den
       Klimawandel."
       
       Eine große Flutwelle im Houston Ship Channel könnte das Chemiequartier
       verwüsten und eine massive Umweltkatastrophe auslösen", warnt Robert
       Harriss. Er ist der Präsident des Houston Advanced Research Center (HARC)
       und zitiert eine Studie des texanischen Emergency Operations Center. Neben
       stärkeren Hurrikans sei das südliche Texas vor allem durch Trockenheit und
       Sturzregen gefährdet: "Bei der letzten Überschwemmung 1996 hatten wir hier
       Milliardenschäden." Bei einem ähnlichen Hurrikan wie "Katrina", der 2005
       das benachbarte New Orleans verwüstete, "wären die Schäden hier viel
       größer, weil es mehr Werte hier gibt und die Ölversorgung der gesamten USA
       betroffen wäre." Haben die Texaner also Respekt vor dem Klimawandel?
       Harriss schüttelt den Kopf. "Die eine Hälfte der Menschen in Houston ist zu
       arm, um sich um den Klimawandel zu kümmern, die andere Hälfte ist zu reich
       - sie leben vom Öl." Auch Harriss übrigens: HARC wurde vom Millionär George
       Mitchell gegründet, der seinen Reichtum auf den texanischen Ölfeldern
       gemacht hat.
       
       2006 schien die Zeit reif für einen Ölwechsel an der Spitze von ExxonMobil:
       Lee Raymond, der das Unternehmen 16 Jahre lang mit eiserner Hand geführt
       hatte, übergab den Chefsessel an den konzilianteren Rex Tillerson. Der
       Ölkonzern gestand nun öffentlich ein, dass es wohl so etwas wie Klimawandel
       gebe. Das habe man auch "niemals bestritten". Heimlich trafen sich
       Topmanager mit ausgewählten Umweltgruppen, der Konzern stellte die
       Zahlungen an Klimaskeptiker ein. Hatte ExxonMobil seine Rolle als böser
       Bube in der Klimapolitik und Blitzableiter für die Branche satt?
       
       Die Papiere, die Kert Davis in seinem fensterlosen Büro in Washington auf
       den Tisch wuchtet, legen einen anderen Schluss nahe. Davies recherchiert
       seit Jahren für die Website von Greenpeace USA "exxonsecrets.org" die
       Hintergründe des Klimakriegs von ExxonMobil. Die internen Memos, E-Mails,
       Presseerklärungen und Zeitungsartikel zeigen nichts von einer Kursänderung,
       sondern ein Unternehmen, das sich alle Optionen offen hält. "Sie geben sich
       zahm, weil sie wissen, dass mit dem nächsten Präsidenten ein Klimagesetz
       kommen wird", ist Davies Analyse. "Und wenn das geschrieben wird, wollen
       sie unbedingt am Tisch sitzen. Aber dafür brauchen sie Glaubwürdigkeit."
       
       Haben die Ölbarone keine Angst vor dem Ende des Ölbooms? Kenneth Medlock
       muss lachen: "Bei Preisen von 100 US-Dollar für das Fass Öl lohnt sich doch
       die Ausbeutung noch der letzten Reserven." Mit diesen Riesengewinnen können
       sie es sich sogar leisten, nicht in die teure Forschung und Entwicklung von
       Energien der Zukunft zu investieren - sondern einfach auf einen technischen
       Durchbruch zu warten und dann die entsprechenden Firmen zu übernehmen.
       "Probleme bekommen sie nur, wenn dieser Durchbruch BP gelingt", sagt
       Medlock. "Die kann selbst ExxonMobil nicht einfach schlucken."
       
       In ein paar Jahrzehnten wird aber auch für die Supermacht aus Texas die
       Zeit "Beyond oil" kommen, ist sich der Experte sicher. Denn die größten Öl-
       und Gasreserven liegen in Arabien und Russland, wo die Staatskonzerne die
       privaten Unternehmen nicht zum Zuge kommen lassen. Die Folge: Alle großen
       privaten Ölfirmen werden früher oder später nach alternativen Brennstoffen
       suchen. Die stolzen texanischen Ölbarone also doch auf der Suche nach
       Energie aus Wind, Sonne oder Biomasse, was die Konzernleitung nach einem
       fehlgeschlagenen Investment in den Achtzigerjahren vehement ablehnt?
       "Alternativ heißt nicht regenerativ", bremst Medlock die Erwartungen. Seine
       Prognose ist deshalb auch keine gute Nachricht für das Weltklima.
       ExxonMobil werde sich auf die heimischen fossilen Brennstoffe
       konzentrieren: In Utah und Kanada lagerten riesige Bestände an Ölsänden.
       Schwer zu gewinnen und extrem dreckig zu verbrennen.
       
       Auszug aus Bernhard Pötter, "Tatort Klimawandel: Täter, Opfer und
       Profiteure einer globalen Revolution", Oekom Verlag, 261 Seiten, 19,90 €
       
       9 Dec 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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 (DIR) Rex Tillerson
 (DIR) Exxon
       
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