# taz.de -- Nach Tod eines 15-Jährigen: Dritte Krawallnacht in Athen
       
       > Nach schweren Ausschreitungen am Montagabend hat sich die Lage in Athen
       > in der Nacht zum Dienstag leicht beruhigt. Einen landesweiten
       > Ausnahmezustand will die Regierung aber nicht verhängen.
       
 (IMG) Bild: Straßenschlacht mit der Polizei und brennende Geschäfte: Über mehrere Stunden schienen die Demonstranten Athens Innenstadt zu beherrschen.
       
       ATHEN dpa Nach massiven Gewaltausbrüchen am Montagabend hat sich die Lage
       in Athen in der Nacht zum Dienstag leicht entspannt. Die Randalierer zogen
       sich nach Fernsehberichten zurück. Am dritten Abend in Folge hatten
       Gewalttäter in Athen und anderen Städten schwere Verwüstungen angerichtet.
       Ausgelöst wurde die Welle der Gewalt durch den Tod eines 15-Jährigen, der
       am späten Samstagabend durch eine Polizeikugel starb.
       
       Neben Athen waren Thessaloniki und mindestens acht andere Städte Schauplatz
       von schweren Ausschreitungen. Mehr als 50 Menschen wurden festgenommen.
       Über 100 Menschen erlitten Medienberichten zufolge Verletzungen. Der
       Vorsitzende des griechischen Journalistenverbandes, Panos Sombolos, sprach
       von den schwersten Unruhen seiner 30 Berufsjahre.
       
       In Athen fuhren in der Nacht zum Dienstag die ersten Autos wieder rund um
       den zentralen Syntagmaplatz, wie das Fernsehen zeigte. Die Polizei blieb
       weiterhin in höchster Alarmbereitschaft. Zahlreiche Randalierer hatten sich
       in der Technischen Universität verbarrikadiert.
       
       Der griechische Ministerpräsident Kostas Karamanlis berief in der Nacht
       eine Sondersitzung des Ministerrates ein. "Unsere erste Sorge war und ist,
       Menschenleben zu schonen", sagte Innenminister Prokopis Pavlopoulos nach
       dem Treffen. Damit meinte er, dass sich die Polizei unter den gegebenen
       Umständen nicht auf einen Nahkampf mit den Randalierern einlässt, um keine
       Menschenleben zu gefährden.
       
       Am Dienstag will sich Karamanlis mit Staatspräsident Karolos Papoulias und
       den Vorsitzenden der griechischen Parteien treffen. Ein Regierungssprecher
       dementierte Gerüchte, dass ein landesweiter Ausnahmezustand ausgerufen
       werden könnte.
       
       48 Stunden nach dem Tod eines 15-jährigen Schülers in Athen war am Montag
       die Gewalt in Griechenland außer Kontrolle geraten. Die Polizei schien am
       Abend in der Hauptstadt nicht mehr Herr der Lage. Rund 4000 Autonome nahmen
       praktisch das Athener Stadtzentrum ein, berichteten übereinstimmend
       griechische Medien. Gewalttätige Demonstranten verwüsteten alles, was ihnen
       in den Weg kam. Entlang der drei großen Einkaufsstraßen Panepistimiou,
       Stadiou und Skoufa sowie rund um den Syntagmaplatz brannten nahezu alle
       Geschäfte. Selbst der 20 Meter hohe Weihnachtsbaum der Athener
       Stadtverwaltung brannte lichterloh.
       
       Gewalttätige Demonstranten erreichten am Montagabend auch den eleganten
       Kolonaki-Platz, wo viele Politiker des Landes wohnen und zerstörten auch
       dort alle Geschäfte. Passanten flohen in Panik in alle Richtungen. Die
       Polizei setzte massiv Tränengas ein, was aber ohne spürbare Wirkung auf die
       Randalierer blieb. Die Feuerwehren wurden an einem Eingreifen gehindert,
       weil Autonome ihre Einsatzfahrzeuge mit Brandsätzen attackierten.
       
       Verzweifelte Besitzer zerstörter Geschäfte riefen mit Tränen in den Augen
       um Hilfe. Die Feuerwehr war jedoch an einem Eingreifen gehindert, weil der
       wütende Mob die Einsatzfahrzeuge mit Brandflaschen attackierten. Athens
       Bürgermeister Nikitas Kaklamanis rief alle Bürger auf, Zurückhaltung zu
       üben: "Unsere Stadt gerät international in Verruf", sagte er im Fernsehen.
       
       Vor den Ausschreitungen hatten rund 10 000 Demonstranten in der Innenstadt
       von Athen friedlich gegen die Polizeigewalt protestiert. Die meist
       jugendlichen Demonstranten bemalten große Teile der Panepistimiou-Straße im
       Stadtzentrum mit roter Farbe. Diese sollte das vergossene Blut des jungen
       Mannes symbolisieren, der am Samstagabend durch eine Polizeikugel ums Leben
       gekommen war. Zu der Demonstration hatte die kleine griechische Partei
       Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) aufgerufen.
       
       In fast allen Landesteilen Griechenlands blieben am Montag die Schulen
       geschlossen. Das Kultusministerium erklärte den Dienstag zum Tag der
       Trauer. Für die kommenden Tage wurden neue Demonstrationen autonomer
       Gruppen und linker Parteien angekündigt. Der Sachschaden wurde noch vor den
       Unruhen am Montagabend auf 100 Millionen Euro geschätzt.
       
       Der 37 Jahre alte Polizist, der den tödlichen Schuss auf den Schüler
       abgegeben haben soll, sagte aus, er habe lediglich drei Warnschüsse
       abgefeuert. Der Jugendliche sei von einem Querschläger getroffen worden.
       Die Staatsanwaltschaft wirft dem Polizisten Totschlag vor. Einer der
       Anwälte des Beamten trat am Montag zurück. Er lies verlauten, dass er einen
       "solchen Mandanten" aus Gewissensgründen nicht verteidigen könne. Über den
       mutmaßlichen Schützen wurde bekannt, dass er wegen seines harten
       Durchgreifens unter dem Spitznamen "Rambo" bekanntgewesen sei, berichtete
       der griechische Rundfunk.
       
       Der Tod des 15-Jährigen löste auch in anderen Ländern Proteste aus. In
       Berlin hielten Demonstranten am Montag acht Stunden lang das griechische
       Generalkonsulat besetzt. In London wurden nach Protesten vor der dortigen
       griechischen Botschaft fünf Menschen festgenommen. Das Auswärtige Amt riet
       Urlaubern, die von den Unruhen betroffenen griechischen Stadtzentren zu
       meiden.
       
       9 Dec 2008
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Griechenland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Getöteter Jugendlicher: Griechenlands verlorene Generation
       
       Die Beteiligung von "normalen" Jugendlichen an Kundgebungen für den
       getöteten Jugendlichen zeigt, dass die griechische Gesellschaft eine
       Generation zu verlieren droht.
       
 (DIR) Linker griechischer Anwalt Ladis: "Die Regierung steht vorm Umsturz"
       
       "Der Polizist hat direkt auf den Jungen geschossen", sagt Szeneanwalt Harry
       Ladis über den Tod des 15-jährigen Alexis Grigoropoulos.
       
 (DIR) Nach Tötung von 15-Jährigem: Krawallbilder schockieren Griechenland
       
       Nach dem Tod des 15-jährigen Alexis Grigoropoulos sprechen die griechischen
       Medien von einer \"Ermordung\". In den Protesten artikuliert sich Wut auf
       die Regierung.