# taz.de -- Kommentar Großrazzia in Palermo: Altherrenriege in Haft
       
       > Wieder einmal ist die Mafia geschwächt, aber wieder ist sie nicht
       > geschlagen. Und das wird so bleiben - solange Staatsanwälte, nicht aber
       > der italienische Staat selbst den Kampf gegen die Mafia führt.
       
       Die neuen Nachrichten aus Palermo klingen sensationell. Dort wurden nicht
       nur knapp hundert Mafiosi eingebuchtet - dort will der italienische Staat
       mit der Großrazzia den sizilianischen Bossen einen wahrhaft epochalen
       Schlag zugefügt haben. Pietro Grasso, Chef der Nationalen
       Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft, jedenfalls lobt, er habe den Versuch der
       Cosa Nostra vereitelt, "sich wieder zu erheben", diese sei schon vor zwei
       Jahren mit einer Großoperation "in die Knie gezwungen" worden. Vor allem
       aber habe er das Vorhaben verhindert, die "Cupola"- das zentrale
       Leitungsgremium der Mafia - wieder ins Leben zu rufen.
       
       Das klingt schön - leider zu schön, um wahr zu sein. Mafiakenner wissen:
       Selbst die spektakulärsten Verhaftungen haben nie wirklich die Geschäfte
       der Ehrenwerten Gesellschaft gestoppt. Für jeden Boss im Knast steht der
       Nachfolger schon bereit. Und selbst die Cosa Nostra kassiert in Palermo bei
       der Mehrheit der Händler und Industriellen weiter Schutzgeld - wenn sie
       angeblich in ihren Grundfesten erschüttert ist, wie kann sie da weiter
       Angst machen und auf Gefolgschaft zählen? Warum verdient sie mit ihren
       Firmen weiterhin kräftig an öffentlichen Bauprojekten mit? Warum beziffern
       Kenner das Geschäftsvolumen der mafiösen Verbände Süditaliens auf über 100
       Milliarden Euro?
       
       Stutzig macht auch, dass jene im Wiederentstehen begriffene "Cupola", die
       die Polizei ausgehoben hat, eine Altherrenriege ist. Sie besteht aus
       greisen Bossen, der älteste von ihnen ist 87. Und die, so wollen die
       Fahnder glauben machen, standen für den erfolgreich vereitelten Neuanfang?
       Für einen Neuanfang, der für die Rückkehr zu den lieben, alten Traditionen
       der Mafia vor der Diktatur der Corleonesi um den 1993 inhaftierten Totò
       Riina stehe?
       
       Gut möglich, dass da tatsächlich Mafia-Traditionalisten ihr Haupt erhoben
       haben - dass sie aber für die Mafia insgesamt stehen, kann ausgeschlossen
       werden. Wieder einmal ist die Mafia geschwächt, aber wieder ist sie nicht
       geschlagen. Und das wird so bleiben - solange bloß einige Staatsanwälte
       ernsthaft den Kampf gegen die Mafia führen, nicht aber der italienische
       Staat.
       
       16 Dec 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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