# taz.de -- Sonic Youth kuratieren Ausstellung: No-Waver im Museum
       
       > Sie werden älter, aber sind noch gut im Geschäft: Sonic Youth, New Yorker
       > Indieikonen der 80er-Jahre, eröffnen eine Gruppenausstellung in der
       > Kunsthalle Düsseldorf.
       
 (IMG) Bild: Coolste Hipsterin im Gitarrenuniversum: Kim Gordon, Sängerin und Bassistin von Sonic Youth.
       
       Reinhören, abnicken, weiter im Text. So ähnlich dürften die Reaktionen
       ausfallen, wenn im Sommer das neue Album von Sonic Youth herauskommt.
       
       Bedauerlich ist das nicht. Klar, eine Neuerfindung wie in den späten
       90er-Jahren, als Spuren von Krautrock, Ambient und Free Jazz auf den Alben
       des New Yorker Projekts hörbar wurden, wäre schon ganz nett. Vielleicht
       würde das sogar für ein wenig Gesprächsstoff unter den Freunden des
       gepflegten Popdiskurses sorgen. Aber Hand aufs Herz - dafür ist die Musik
       von Sonic Youth eigentlich zweitrangig. Denn das Versprechen, das die Band
       verkörperte, war immer mehr, als ihr lärmiger und leicht entgrenzter
       Gitarrenrock einlösen konnte. Sonic Youth sind die Blaupause für
       Indie-Hipster, der Masterplan eines erfüllten Lebens aus Gitarren und
       Leinwänden, Dichtung und Politik. Dieses Leben kann man nicht als Monade
       führen.
       
       So viel sollte spätestens dann klar werden, wenn man sich den umfangreichen
       Katalog zur Ausstellung "Sensational Fix" durchliest, die am letzten
       Wochenende in Düsseldorf eröffnet wurde. Die Bandgeschichte von Sonic Youth
       ist die Historie eines weit gesponnenen Netzwerks aus Schriftstellern,
       Malern und Musikern, die in erster Linie Freunde sind. Als die Band sich in
       den frühen 80ern in New York zusammenfand, bestand ihr Freundeskreis
       schnell aus den Protagonisten des No Wave, einer Szene aus bildenden
       Künstlern, die Musik als ihr Material entdeckt hatten und sich in der Enge
       von Downtown Manhattan halt Tag für Tag über den Weg liefen. Ein
       Zufallsprinzip, das sich im Laufe der Jahrzehnte bewährt zu haben scheint.
       Erste Touren durch die USA und Europa vergrößern den Freundeskreis, und das
       Interesse der Band an neuen Künstlern und Musikern scheint weiterhin
       ungebrochen.
       
       Die jetzige Schau "Sensational Fix" besteht daher auch ausschließlich aus
       den Werken befreundeter Künstler und einigen Stücken aus der persönlichen
       Sammlung der Bandmitglieder. Der funktionale Bau der Düsseldorfer
       Kunsthalle ist jedenfalls zu klein für die gesamte Ausstellung, was sich
       als glücklicher Zufall erweist. Denn die räumliche Zweiteilung spiegelt die
       Aktivitäten der Band auf den Punkt genau wieder. Neben den seltenen, bis
       2008 überwiegend auf einem Major-Label erschienenen Aufnahmen als Sonic
       Youth sind alle Mitglieder in eine selbst für Sammler unüberschaubare Menge
       von Projekten in den Bereichen Film, Literatur und bildender Kunst
       involviert. Das erste Gesicht von Sonic Youth findet man in der Kunsthalle
       selbst. Hier schreiben Plattencover, Konzertplakate und Werke von John
       Cage, Isa Genzken und Mike Kelley den Platz der Band in der Kunstgeschichte
       fest, die dadurch in der Tradition der New Yorker Nachkriegsavantgarde, als
       durch Punk und No Wave geprägte Erben von Fluxus und Warhols "Factory"
       zugleich, erscheint.
       
       Was nur zu gut passt. Schließlich etablieren sich so langsam die Jahre von
       1978 bis 1983 als Ursprungsmythos einer an der Postmoderne geschulten
       Vorstellung von Popmusik, deren Ursprünge in einer Reihe Vinyl-Boxsets und
       Coffeetable-Books festgehalten werden und damit nicht nur für den kleinen
       Zirkel von Plattensammlern zugänglich bleiben.
       
       Doch auch für die kleinen Mythen der Bandgeschichte ist an dieser Stelle
       Platz. Ein Pressezettel erzählt die Geschichte von "Youth against Fascism",
       dem wohl bekanntesten Stück der Band, einer Stellungnahme zu den
       Brandanschlägen in Hoyerswerda und Rostock. Und selbstverständlich darf
       auch Kurt Cobain nicht fehlen, dem Sonic Youth 1991 zu einem Plattenvertrag
       bei einem Major-Label verholfen haben. Dan Graham, ein alter Freund der
       Band, zeigt Dias aus Cobains Heimatstadt Aberdeen, deren Trostlosigkeit
       klarmacht, wieso ausgerechnet er die ungeliebte Rolle als Verkörperung
       einer Generation glaubwürdig ausfüllen konnte.
       
       Letztendlich ist es aber doch sehr angenehm, wenn diese Großerzählung durch
       den zweiten Teil der Ausstellung wieder relativiert wird. An den
       Betonwänden des KIT, eines alten Tunnels, hat die Sammelleidenschaft der
       Band reichlich Platz gefunden. Dies ist der Ort, an dem man dem Versprechen
       von Sonic Youth am nächsten kommt. Nicht nur, weil deutlich wird, dass die
       Unordnung des Archivs einer der liebsten Orte der Band ist - schon seit
       Jahren zeichnen sie jedes Konzert und jede Session im Proberaum auf und
       finden so das Rohmaterial für ihre Platten und experimentellen
       Videoarbeiten -, sondern auch, weil sich zeigt, wie wenig hierarchisch die
       Vorlieben der Band sind. Beim Gang durch den Tunnel sieht das
       folgendermaßen aus: An einer Wand werden von Allen Ginsberg aufgenommene
       Privataufnahmen anderer Beatschriftsteller in verschiedenen Alltagsposen
       ausgestellt, nach denen sich jedes Literaturarchiv die Finger lecken würde.
       Schräg gegenüber hängt ein Gitarrenkasten mit einer blauen 7"-Single. Sie
       stammt von der italienischen Drone-Band My Cat is an Alien, keiner
       Unbekannten innerhalb der weltweit vernetzten Szene von Noisemusikern, bis
       jetzt aber im Sonic-Youth-Universum lediglich als Improvisationspartner von
       Gitarrist Lee Ranaldo aufgefallen.
       
       Und hier zeigen sich auch die Grenzen des Versprechens Sonic Youth. Sosehr
       die Band seit Jahren das Ohr am Puls avancierter Gitarrenmusik hat, bei
       jeder Gelegenheit die richtigen Namen droppt, Bands zu
       Auftrittsmöglichkeiten und Veröffentlichungen verhilft, so wenig findet
       sich davon in ihrem eigenen Schaffen wieder. Sonic Youth sind 2009 so etwas
       wie Überväter einer Szene, deren musikalische Ausdrucksformen sich, völlig
       abgekoppelt von ihnen, weiterentwickeln haben. So haben sie sich vielleicht
       dann doch noch neu erfunden - als Blaupause für würdevolles Altern im
       System "Underground".
       
       3 Feb 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Werthschulte
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA