# taz.de -- Elser und Stauffenberg: Ikone des Widerstands
       
       > Die guten Deutschen: Im Hamburger Institut für Sozialforschung
       > diskutierte man über die Hitler-Attentäter Claus Schenck Graf
       > Stauffenberg und Georg Elser.
       
 (IMG) Bild: Der zerstörte Bürgerbräukeller in München zwei Tage nach dem gescheiterten Anschlag von Johann Georg Elser. (Archivbild vom 10. November 1939)
       
       Im Rahmen der montäglichen Vortragsreihe des Hamburger Instituts für
       Sozialforschung war an diesem Montag der Zeithistoriker Michael Wildt mit
       einem Doppelporträt an der Reihe. Die beiden Porträtierten, Claus Schenck
       Graf Stauffenberg und Georg Elser, hatten nur eines gemeinsam: ein
       vergebliches Bombenattentat auf Adolf Hitler. Aber nach ihrer sozialen
       Herkunft, ihrer Gedankenwelt und ihren Motiven hätten die beiden
       Porträtierten unterschiedlicher nicht sein können.
       
       Hier der Spross einer alten schwäbischen Aristokratenfamilie, aufgewachsen
       im national-konservativen Milieu, durchdrungen vom Bewusstsein, zur
       deutschen Elite zu gehören. Außerdem zivilisationskritisch, ein
       begeisterter Anhänger des „Dichterfürsten“ und Verächters der Demokratie
       Stefan George. Dort der aus einem armen heruntergekommenen Elternhaus
       stammende Georg Elser. Ein Handwerker. Sympathisant der Kommunisten, aber
       kein Mitglied, einsam, ohne ein Netz freundschaftlicher oder politischer
       Beziehungen.
       
       Wildt gelang es in seinem Vortrag herauszuarbeiten, wie Elser, von
       politischen Informationen und Debatten weitgehend abgeschnitten, doch klar
       erkannte, dass Hitler auf den Krieg lossteuerte und dass der Entscheid zum
       Krieg weitgehend von der Person des Tyrannen abhing. In schroffem Gegensatz
       dazu teilte Stauffenberg während der ersten Erfolge der Wehrmacht als hoher
       Offizier die allgemeine Kriegsbegeisterung. Erst als die Offensive in der
       Sowjetunion stecken blieb, erst als sich die Niederlage der deutschen
       Truppen im Osten abzeichnete, wandte er sich von Hitler ab. Er war vom
       Führer enttäuscht, nicht vom Führerprinzip. Das kommt noch in einem von ihm
       und seinem Bruder verfassten Eid am Vorabend des 20. Juli zum Ausdruck.
       
       Was wollte Wildt beweisen? Trotz einer präzisen Charakterisierung der
       elitären und antidemokratischen Positionen Stauffenbergs kam es Wildt nicht
       auf eine Konkurrenz der Motive von Stauffenberg und Elser an. Eher wollte
       er darauf hinaus, dass Zivilcourage kein Privileg
       (geistes-)aristokratischer Gesinnung gewesen war, wie der Publizist Karl
       Heinz Bohrer es kürzlich in der SZ postulierte. Alle Menschen, so Wildt,
       Immanuel Kant paraphrasierend, haben eine Chance, sich aus der Unmündigkeit
       zu befreien.
       
       Die Diskussion konzentrierte sich, nicht zuletzt unter dem Eindruck der
       Hollywood-Produktion mit Tom Cruise, auf den Helden als entschlossenen
       Tatmenschen, wobei von jeder sozialen Verortung, jeder Widersprüchlichkeit
       Abstand genommen wird. Der ehemalige Politiker und Publizist Freimut Duve
       warf in der Diskussion populären Filmen wie der „Operation Walküre“ vor,
       durch die Heroisierung des „guten Deutschen“ Stauffenberg den Blick auf das
       „eigentliche“ Verbrechen, die Ausgrenzung und Ermordung von Millionen
       Menschen durch die Nazis, zu verstellen.
       
       Über Elser, den unheldischen Helden, wurde wenig diskutiert. Das lag nicht
       zuletzt daran, dass es im Gegensatz zu Stauffenbergs Korrespondenz, zu den
       Zeugnissen überlebender Freunde und Mitverschwörer nur sehr dürftige
       Quellen gibt und die Verhörprotokolle der Polizei nach seiner Verhaftung
       mit Vorsicht zu lesen sind. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war die
       Behandlung der beiden Attentäter höchst unterschiedlich. Stauffenberg wurde
       zuerst als Landesverräter angesehen, stieg jedoch schon Ende der 50er-Jahre
       zur westdeutschen Widerstandsikone auf. Elsers Mutter musste sich noch
       lange Zeit nach 1945 sogar der Verleumdung erwehren, das Attentat ihres
       Sohnes sei die Ränke einer NS-Clique gewesen. Letztere Behauptung stammt
       von Martin Niemöller und ist von ihm nie zurückgenommen worden.
       
       Es war Michael Wildt selbst, der die Schlussfrage stellte, ob denn
       Attentate auf mörderische Tyrannen, bei denen der Tod unschuldiger Opfer in
       Kauf genommen wird, nach unserem heutigen Verständnis zu rechtfertigen
       seien. Um dieses Thema machte die Versammlung einen großen Bogen.
       
       11 Feb 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Semler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Georg Elser
 (DIR) Theodor W. Adorno
       
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