# taz.de -- Tatort "Neuland": Im hessischen Saloon
       
       > Wer hat die Macht in der Provinz? Jörg Schüttauf sucht danach und betritt
       > Tatort-"Neuland" (So., 20.15 Uhr, ARD).
       
 (IMG) Bild: Dellwo (Jürgen Schüttauf) und seine Katrin (Nina Kunzendorf): Alte Liebe rostet nicht.
       
       Die Regeln im klassischen Western sind ziemlich überschaubar. Eine lautet:
       Wenn ein Fremder in ein Kaff kommt, braucht er im Saloon nur einen einzigen
       Whisky zu trinken, um sofort mit den örtlichen Missständen konfrontiert zu
       werden. In einer Ecke spuckt meist der missratene Sohn des Viehbarons große
       Töne, in der anderen Ecke sitzt wimmernd der alkoholsüchtige Sheriff. Der
       Fremde hat also meist alle Hände voll zu tun, das Kaff moralisch auf
       Vordermann zu bringen.
       
       Der Tatort "Neuland" vom Hessischen Rundfunk ist ein klassischer Western
       geworden. Kommissar Dellwo (Jörg Schüttauf) besucht im Nirgendwo nördlich
       des Rhein-Main-Gebiets seine alte Jugendliebe Katrin (Nina Kunzendorf). Als
       er im Dorfkrug um die Ecke absteigt, wird er am Tresen wenig behutsam in
       die Machtverhältnisse vor Ort eingeführt: Gerti (Devid Striesow), Sohn des
       mächtigen Agrarunternehmers Roland Plauer (Matthias Habich), tyrannisiert
       die Männer in der Bar, und Dorfbulle Kaleck (Peter Kurth) ist im besonderen
       Maße Opfer seiner Demütigungen.
       
       Mit dem Polizisten, der mit stolzen Bewegungen den Verkehrsunterricht der
       Grundschüler leitet, sich ansonsten aber vor den Konflikten im Dorf
       wegduckt, hat Dellwo in den nächsten Tagen viel zu tun. Denn in einer
       Kiesgrube wird das Auto eines Grundstücksmaklers geborgen - der Besitzer
       ist verschwunden. Der Kommissar aus Frankfurt leistet Amtshilfe und wird
       bei seinen Untersuchungen mit dem mächtigen Expansionstrieb des Schweine-
       und Rinder-Tycoons Plauer konfrontiert, der den Bauern der Gegend ihre Höfe
       abzuluchsen versucht.
       
       Ein kleines Wunder ist dieser "Tatort": So archaisch und zeitakkurat
       zugleich ging es schon lange in keiner Folge mehr zu. Drehbuchautor Bernd
       Lange sorgte ja gerade mit dem Drama "Sturm" auf der Berlinale für Furore,
       der Schweizer Regisseur Manuel Flurin Hendry legte zuvor mit "Strähl" einen
       gefeierten Indie-Cop-Krimi vor. Gemeinsam gelingt es den Filmemachern nun,
       das Personal und die Machtpolitik des klassischen Western für die
       südhessische Gegenwart aufzubereiten. Ironische Revolverhelden-Folklore
       sucht man dabei zum Glück vergeblich.
       
       Grausam genau werden die Macht- und Aggressionsströme im sommerlich
       aufgeheizten Mini-Kosmos nachgezeichnet - und ganz unaufdringlich mit
       aktueller globaler Politik verbunden. Dass Großunternehmer Plauer den
       Bauern so leicht ihre Grundstücke abnehmen kann, hat einen simplen Grund:
       Die meisten verschuldeten sich heillos, als sie ihre Höfe nach EU-Norm in
       Ökobetriebe verwandeln wollten.
       
       14 Feb 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Buss
       
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