# taz.de -- Katastrophen in Archiven: Biblische Heimsuchung
       
       > Dresden, Weimar, Köln: Nach drei großen Katastrophen fordern Experten
       > einen besseren Schutz des Kulturerbes in Deutschlands Archiven.
       
 (IMG) Bild: Aktuellste Katastrophe: Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs.
       
       BERLIN taz Der Anruf kam noch am Dienstagnachmittag. Wenige Stunden nach
       den Einsturz des Stadtarchivs meldete sich ein Mitglied des Kölner
       Krisenstabs bei Michael Knoche in Weimar. Vom Direktor der dortigen
       Anna-Amalia-Bibliothek wollte er wissen, was in einem solchen
       Katastrophenfall zu tun sei. Der Griff zum Telefon lag nahe, schließlich
       war Knoches historischer Buchbestand bei einem Großbrand vor knapp fünf
       Jahren stark dezimiert worden.
       
       Schon zum dritten Mal innerhalb eines Jahrzehnts fällt ein bedeutender Teil
       der historischen Überlieferung einer Katastrophe zum Opfer. Erst
       überschwemmte das Elbe-Hochwasser 2002 die Depots der Staatlichen
       Kunstsammlungen Dresden. Dann ging 2004 die Weimarer Bibliothek in Flammen
       auf. Nun wurde das bedeutendste mittelalterliche Archiv Deutschlands durch
       einen Einsturz zerstört.
       
       Wasser, Feuer, Stein: Es klingt geradezu nach einer biblischen Heimsuchung,
       was in den letzten Jahren über Gemälde, Bücher und Urkunden hereinbrach.
       Stets waren es aber auch menschengemachte Katastrophen. Die
       Überschwemmungsgefahr für die Dresdener Depots war ebenso bekannt wie die
       Brandgefahr in Weimar. Auch in Köln hat es an Warnungen eines Archivars
       offenbar nicht gefehlt, und bei den für den U-Bahn-Bau Verantwortlichen
       fehlte anscheinend jedes Bewusstsein für die Schätze, die sich in dem
       unscheinbaren Archivgebäude aus den Siebzigerjahren verbargen.
       
       Köln war im Spätmittelalter die größte deutsche Stadt, und dank Auslagerung
       im Krieg sind die Dokumente der Epoche in der ansonsten schwer zerstörten
       Stadt so geschlossen erhalten wie nirgendwo sonst (siehe Kasten). Ob es nun
       der "Verbundbrief" von 1396 ist, in dem sich die 22 Zünfte auf eine
       städtische Verfassung einigten und damit der Klüngelwirtschaft den Weg
       bereiteten, ob es die zahlreichen Urkunden sind, in denen die
       römisch-deutschen Kaiser stets aufs Neue die Privilegien der Stadt
       bestätigten, bis hin zur vollen Reichsfreiheit 1475 - es ist das
       unvergleichlich plastische Bild einer ganzen Epoche, das jetzt unter den
       Trümmern an der Severinstraße begraben liegt.
       
       Dennoch ist es oft schwer, für die Rettung von Schriftstücken auf Papier
       oder Pergament öffentliche Unterstützung zu mobilisieren. So wurden nach
       der Wende in Weimar zunächst die Wohnhäuser Goethes und Schillers für den
       Tourismus aufpoliert, obwohl sie aus DDR-Zeiten noch einigermaßen in Schuss
       waren. Die völlig marode Bibliothek dagegen hatte in der
       Investitionsplanung keine Priorität.
       
       Für den Weimarer Bibliotheksdirektor Knoche ist der Einsturz des Kölner
       Archivs ein neuerlicher Anlass, an die Versäumnisse zu erinnern. "Es fehlen
       die finanziellen Mittel, um in großem Stil die kulturelle Substanz zu
       sichern", sagte er am Mittwoch der taz. "Die Experten vor Ort finden zu
       wenig Unterstützung, und wir haben zu wenig nationale Strukturen. Es gibt
       16 Bundesländer, die alle ihr Süppchen selber kochen."
       
       Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben 14 große Bibliotheken und
       Archive nach dem Weimarer Bibliotheksbrand eine "Allianz zur Erhaltung des
       schriftlichen Kulturgutes" gegründet. Im April wollen sie eine Denkschrift
       mit Forderungen an die Politik vorstellen. Wieder einmal ist ihnen eine
       Katastrophe zuvorgekommen.
       
       Mehr Geld fordert auch der Verbandsvorsitzende der deutschen ArchivarInnen,
       Robert Kretzschmar. "Die Kollegen drängen überall auf Unterbringungen, die
       dem heutigen Standard entsprechen", sagte der Chef des Stuttgarter
       Landesarchivs der taz. "Das kostet natürlich Geld." Kretzschmar appellierte
       an Länder und Kommunen, die Gelder aus dem Konjunkturpaket für den Um- und
       Ausbau von Archivgebäuden zu nutzen.
       
       Ob der Schaden am historischen Kulturgut in Köln oder in Weimar größer war,
       hängt nach den Worten des Bibliothekars Knoche vom Blickwinkel des
       Betrachters ab. "Wenn man das Kriterium der Unikate anlegt, wird man Köln
       den größeren Verlust zubilligen müssen", sagte er. "In Weimar war dagegen
       eine zentrale Epoche der Kulturgeschichte betroffen, die für Literatur und
       Philosophie extrem wichtig war."
       
       Zudem steht in Köln noch gar nicht fest, wie viele der historischen
       Dokumente zu retten sind. Nach dem Brand von Weimar erwiesen sich am Ende
       zwei Drittel der geschädigten Buchbestände als restaurierbar.
       
       4 Mar 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralph Bollmann
       
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