# taz.de -- Kubaner wollen frei surfen: Internet libre!
       
       > Die Kubaner starten ein Volksbegehren für freien Internetzugang. Bisher
       > sind Privathaushalte nicht online. Aus technischen Gründen, so die
       > Regierung. Die Opposition bezweifelt das.
       
 (IMG) Bild: Bald grünes Licht für Kubas Privat-Internet?
       
       Die kubanische Oppositionsgruppe Red Libertad (Freiheitsnetz) hat ein
       Bürgerbegehren für den freien Internetzugang auf der Karibikinsel
       angekündigt. Um die Zugang für alle Kubaner zu legalisieren, sollen
       landesweit Unterschriften gesammelt werden, teilte der Sprecher der Gruppe,
       Yosvani Anzardo Hernández, dem oppositionellen Informationsdienst
       [1][Payolibre] am Montag mit.
       
       Internetanschlüsse für Privathaushalte gibt es auf Kuba nicht. Das liege
       daran, dass die Insel via Satellit mit dem Internet verbunden ist,
       rechtfertigt sich die Regierung: Weil diese Verbindung viel langsamer ist
       als die per Kabel könnten schlichtweg nicht alle Haushalte versorgt werden.
       Und deshalb würden Universitäten, Schulen, Kultureinrichtungen,
       Gesundheitszentren, die offiziellen Medien und die über 800
       Jugend-Computer-Clubs den Privathaushalten beim Internetanschluss
       vorgezogen.
       
       Laut dem Netzmagazin [2][Telepolis] verlaufen vor der Küste Kubas mehrere
       Unterseekabel des American Region Caribbean Optical-Ring System (Arcos),
       das die Internetnutzer Nord- und Südamerikas mit schnellen
       Breitband-Zugängen versorgt. Der größte Anteilseigner des Arcos-Systems ist
       mit 88,2 Prozent die US-Firma New World Network. Mit einer Anbindung des
       sozialistischen Inselstaates würde New World Network gegen das seit 1980
       bestehende US-Embargo verstoßen und müsste mit Sanktionen rechnen.
       Allerdings vereinbarte Kuba mit Venezuela im Januar 2007 die Errichtung
       einer 1552 Kilometer langen unterseeischen Glasfaserverbindung zwischen der
       venezolanischen Hafenstadt La Guaira und dem Osten Kubas. Das
       Joint-Venture-Projekt soll laut offiziellen Angaben in der zweiten Hälfte
       2009 fertiggestellt werden.
       
       Oppositionssprecher Yosvani Anzardo Hernández kritisiert denn auch, dass
       das technische Argument nur in die Irre führe. Denn Glasfaserverbindungen
       würden das ganze Land durchlaufen. "Bei nur 3 Megabyte Bandbreite könne
       rund 750 Benutzern ein Service in einer Übertragungsgeschwindigkeit von 4
       Bytes pro Sekunde geboten werden. Das wirkliche Problem ist, dass der Staat
       seinen Bürgern den Zugang zu Informationen verweigert."
       
       Tatsächlich, so Telepolis, haben nur 27 Prozent der insgesamt 3,5 Millionen
       Kubaner, die an ihrem Arbeitsplatz oder in einer öffentlichen Einrichtung
       Zugang zu einem Computer haben, direkten Zugriff aufs Internet. Der Rest
       muss sich mit einer Art "Internet Light" begnügen, das über einen
       CU-Account zwar den Versand von E-Mails ins In- und Ausland gestattet,
       dessen Inhalt aber auf die Seiten offizieller Institutionen und Medien
       sowie ausgewählter Unternehmen beschränkt ist.
       
       Kubaner, die sich auf ihrer Arbeit in das Internet einwählen, erwartet
       statt Google die Beta-Version von 2x3, Kubas erster eigener Suchmaschine,
       die auf dem Datenbestand von 150.000 offiziellen Webseiten basiert und über
       eine spezielle Suchfunktion für die Reden Fidel Castros verfügt. Solche
       Einschränkungen gelten aber nicht für kubanische Funktionäre,
       Wissenschaftler und Führungskräfte von Devisen erwirtschaftenden
       Unternehmen, die ebenso wie Angehörige ausländischer Botschaften und Firmen
       oder die Gäste von Luxushotels ohne Einschränkungen im Netz surfen können.
       
       Wie die [3][New York Times] berichtete, versuchen Kubas Behörden alles
       mögliche, um die Nutzung des Internets zu erschweren. Nach ihrer
       Entdeckung, werden unerlaubte Satellitenschüsseln sofort zerstört. Und in
       Havanna gibt es im Grunde genommen nur ein einziges Internetcafé, das auch
       Einheimische nutzen dürfen. Um sich dort für eine Stunde an den Computer zu
       setzen, verlangt der Laden von seinen Kunden aber rund 5 Dollar - ein
       Drittel des durchschnittlichen kubanischen Monatslohnes.
       
       Die Organisation "Reporter ohne Grenzen", die Kuba seit Jahren in ihrer
       Liste der "Feinde des Internets" führt, berichtet, dass Kubas Polizei auf
       allen Computern in Internet-Cafés und großen Hotels eine Software
       installiert hat, die eine Warnmeldung auslöst, wenn "subversive"
       Schlüsselworte eingegeben werden. Anschließend würde die Anwendung, meist
       Textverarbeitung oder Browser, automatisch geschlossen. Laut "Reporter ohne
       Grenzen" kann in Kuba bereits das Schreiben einiger "konterrevolutionärer"
       Artikel für fremde Webseiten eine zwanzigjährige Gefängnisstrafe nach sich
       ziehen, und wer sich illegal ins Internet einwähle, müsse mit fünf Jahren
       Gefängnis rechnen.
       
       Dennoch erweisen sich die Kontrollversuche der Regierung als zunehmend
       ineffektiv. Es gibt, laut New York Times, eine blühende Untergrundszene, in
       der Tausende von Menschen über verschlungene Wege im Netz mit der Welt
       außerhalb Kubas kommunizieren.
       
       Satellitenschüsseln werden weiterhin ins Land geschmuggelt und deren
       Betreiber bieten gegen Gebühren einen illegalen Internetanschluss. Oder sie
       laden Filme herunter, die sie auf CDs verkaufen. Andere ziehen Nutzen aus
       den Webanschlüssen der ausländischen oder staatlich geführten Unternehmen.
       Angestellte, die die Erlaubnis für den Zugang zum Internet besitzen,
       verkaufen oft ihre Passwörter und Identifikationsnummern an andere, die
       diese dann nachts benutzen. Auch die Anschlüsse in den Hotelanlagen werden
       heimlich von Einheimischen angezapft.
       
       Selbst die Universität für Informatik, die in Havanna in Gebäuden logiert,
       die einst vom kubanischen Geheimdienst genutzt wurden, hat sich zu einer
       Brutstätte von Cyber-Dissidenten entwickelt. Studenten laden alles aus dem
       Netz, von US-Fernsehshows bis hin zu Artikeln und Videos, die Kubas
       Regierung kritisieren und verbreiten diese recht schnell über die ganze
       Insel.
       
       Einige junge Journalisten haben unabhängige Blogs und Internet-Newsseiten
       ins Leben gerufen, wobei sie Server in anderen Ländern nutzen, um vor dem
       Zugriff der kubanischen Zensur sicher zu sein. Das prominenteste Beispiel
       ist wohl derzeit [4][Generación Y,] ein Blog, den die 33-jährige
       Sprachwissenschaftlerin Yoani Sánchez seit April 2007 betreibt, und der
       wöchentlich 8 bis 9 Millionen Besucher zählt. Dort berichtet sie relativ
       ungeschminkt von der Diskrepanz zwischen revolutionärem Anspruch und
       kubanischer Lebensrealität, wofür sie in Europa mehrfach mit Medienpreisen
       ausgezeichnet wurde.
       
       Und 2006 sorgte der Fall des Journalisten und Psychologen Guillermo Farinas
       Hernandez, international für Schlagzeilen. Er gründete die alternative
       Nachrichtenagentur [5][Cubanacán Press], die im Internet ein von den
       offiziellen Verlautbarungen abweichendes Bild von der kubanischen Realität
       präsentierte. Als die Regierung ihm und seinen Mitarbeitern den Zugang zu
       ihrer Webseite sperrte, trat Hernandez von Februar bis Ende August in einen
       Hungerstreik, um für einen "Internetzugang für alle Kubaner" zu
       demonstrieren.
       
       Ob dies nun mittels eines Bürgerbegehrens erreicht werden kann, ist jedoch
       fraglich. Gemäß Kubas Verfassung muss das Parlament zwar ein Bürgerbegehren
       behandeln, wenn dafür mindestens 10.000 Unterschriften eingereicht werden.
       Mehrere Organisationen der Opposition haben sich jüngst auf den
       entsprechenden Artikel 88 berufen, wie die Initiative, die
       Unterschriftenlisten für eine volle Anerkennung des privaten Eigentums
       kursieren ließ und der Bund lateinamerikanischer Landfrauen Flamur, der
       Unterschriften gegen das System der Doppelwährung sammelte. Aber bisher ist
       es zu keiner parlamentarischen Debatte gekommen, und Initiatoren solcher
       Aktionen konnten bisher stets sicher sein, dass sie seitens der staatlichen
       Behörden mit massiven Repressalien zu rechnen haben
       
       OP
       
       10 Mar 2009
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.payolibre.com/
 (DIR) [2] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26401/1.html
 (DIR) [3] http://www.nytimes.com/2008/03/06/world/americas/06cuba.html
 (DIR) [4] http://www.desdecuba.com/generaciony/
 (DIR) [5] http://cubanacanpress.blogspot.com/
       
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