# taz.de -- Saxofonist Joshua Redman: "Ich verstehe Jazz nicht"
       
       > Jazz in Zeiten, in denen der Fortschritt der Stile nicht mehr zu benennen
       > ist: Der Saxofonist Joshua Redman kommt auf Tournee nach Deutschland.
       
 (IMG) Bild: Ornette Coleman im Jahr 2007.
       
       In seinem Pass steht immer noch Shedroff. Aber als Joshua Redman machte er
       eine der aufsehenerregendsten Karrieren der Neunzigerjahre. Jetzt, gerade
       40 geworden, gilt der Saxofonist als einer der erfolgreichsten Jazzmusiker
       seiner Generation. Heute lebt Redman mit Frau und Kind in San Francisco und
       spielt einen Jazz, der ambitioniert und konstruktiv klingt. Sein neues
       Album "Compass" ist das beste Beispiel für seinen Beitrag zum Stand der
       Kunst: Mit zwei Schlagzeugern und zwei Bassisten zusammen nahm er diese
       Musik in einem Studioraum auf. Nun ist er mit einem Trio auch in
       Deutschland auf Tour.
       
       Joshua Redmans Mutter war Tänzerin, er wuchs bei ihr auf, "in einem
       jüdisch-undogmatischen Hippiehaushalt in Berkeley, Kalifornien", so Redman.
       Nach einem Unfall konnte seine Mutter nicht mehr arbeiten. Um jedoch
       Sozialhilfe zu bekommen, wollte sie den Namen seines Vaters nicht
       preisgegeben. Der versuchte sein Glück als Saxofonist und Musiklehrer in
       New York: Gefördert durch Ornette Coleman, machte Dewey Redman einst
       Karriere als Avantgarde-Saxofonist, später spielte er im amerikanischen
       Quartett von Keith Jarrett. Dass Joshua später den Namen seines
       afroamerikanischen Vaters annahm, hatte vor allem berufliche Gründe.
       
       Erste Auftritte und Aufnahmen hatte der junge Saxofonist Anfang der
       Neunzigerjahre in New York zusammen mit seinem Vater bestritten, und da
       wurde es ihm lästig, dass er nicht den gleichen Namen wie sein Vater trug.
       Schnell startete er damals eine eigene Karriere, eigentlich zu schnell, wie
       er rückblickend sagt. Dass junge Musiker wie er in den Neunzigern als Young
       Lions bezeichnet wurden, sei lächerlich gewesen. Abgesehen von
       Marketinggründen, habe dies keinerlei Bedeutung gehabt.
       
       Lyrische Qualität und harmonische Klarheit sind zwei Begriffe, mit denen
       Joshua Redman sein eigenes Spiel beschreibt. Die Traditionen des Jazz
       können jedoch auch zur Falle werden, sagt der Saxofonist: "Man möchte
       natürlich das intellektuelle und emotionale Niveau dieser Musik bewahren,
       doch einfach nur wiederholen, kann es ja nun nicht sein. Das ist das große
       Problem mit Komponisten wie John Coltrane und Ornette Coleman - ihre Musik
       ist so unglaublich eindrucksvoll und inspirierend, dass man sich dringend
       auf eigene Einfälle konzentrieren muss, wenn man ihr nur halbwegs gerecht
       werden will." In dieser Sichtweise hat der Jazz nur bedingt mit dem
       Bewahren des Vergangenen zu tun.
       
       Jazz ist für Redman eine Sprache, die man lernen muss, eine Sprache, die
       heute auf der ganzen Welt gesprochen wird. Doch es ist nicht nur das Image
       der Wiederholung, das ihn stört. Er möchte einfach nicht, dass der
       intellektuelle Rahmen, in den Jazz gestellt wird, die Ebene der Gefühle
       unterdrückt. "Wer sagt, dass man Jazz verstehen muss, dem antworte ich,
       dass ich ihn nicht verstehe. Wir kommen der Musik jedenfalls nicht näher,
       wenn wir sie mit zu viel Gerede überfrachten", sagt Redman.
       
       1996 nahm die New Yorker Modefirma DKNY Redman als Werbeträger unter
       Vertrag. Als "the urban guy who lives for the risk" posierte der junge
       Jazzmusiker, und seine Band wurde mit Designerklamotten ausgestattet. In
       jenen Tagen meldete Redmans amerikanische Plattenfirma große
       Verkaufserfolge mit seinen CDs. Man konnte Redman mit den Rolling Stones
       zusammen sehen und mit US-Präsident Clinton. Heute lächelt er darüber, er
       bereue zwar nichts, doch vielleicht hätte er damals besser mehr Zeit auf
       sein Instrument verwenden sollen - "einfach mehr üben", lautet ein Spruch,
       den er häufig sagt.
       
       Mit dem von ihm mehrere Jahre geleiteten San Francisco Jazz Ensemble wie
       auch mit seiner eigenen Elastic Band nahm Joshua Redman wiederholt
       Kompositionen von Ornette Coleman auf. "Eines Morgens wachte ich mit der
       Idee auf, die wunderschöne Ballade ,Lonely Woman' über einen
       Uptempo-Drum-n-Bass-Groove zu spielen", berichtet Redman. "Normalerweise
       verfolge ich keine Konzepte, die ein Stück festlegen, bevor man es zusammen
       gespielt hat. ,Lonely Woman' war so gesehen die große Ausnahme. Wir haben
       schnell festgestellt, dass es uns große Freiheit lässt, unsere eigenen
       Ideen auszudrücken."
       
       Brad Mehldau, der als Pianist in Joshua Redmans Band begann, beschreibt als
       charakteristisch für die Generation um Redman, dass es kein aktuelles
       Zentrum der Jazzentwicklung mehr gibt. Redman selbst begreift das jedoch
       als Chance. "Von den Anfängen des Jazz bis in die frühen Siebzigerjahre
       verlief die Geschichte relativ linear. Man hatte das Gefühl, dass es einen
       dominanten Stil in jedem Zeitabschnitt gab und dass sich der jeweils
       Nächste aus dem Vorangegangenen entwickelte. Neue Stile waren nicht besser
       als alte, sie waren jedoch eng miteinander verknüpft", resümiert Redman. So
       gesehen sei das Neue erkennbar und das Alte wiedererkennbar gewesen. Man
       konnte den Fortschritt also benennen und Bezüge zwischen den verschiedenen
       Epochen herstellen.
       
       Redman empfand diese Entwicklung immer als evolutionär. Doch dann gab es
       einen Bruch und als Musiker wie Mehldau und er an die Öffentlichkeit
       gingen, habe man nicht mehr auf die Jazzstile von früher reagiert. Wenn
       Mehldau heute von einem Mangel an Zentrum spreche, gehe es um ihre
       postmoderne Art zu komponieren, sagt Redman: "Wir bedienen uns aus dem
       großen Pool der Ideengeschichte des Jazz, doch wir führen nichts mehr
       weiter oder zu Ende."
       
       25 Mar 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Broecking
       
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