# taz.de -- Hausprojekt: Besetzer müssen raus
> Mitte Juni droht den Bewohnern der Brunnenstraße 183 die Zwangsräumung.
> Gütliche Einigung ist unwahrscheinlich.
Für die Bewohner der Brunnenstraße 183 spitzt sich die Situation zu. Die
Prozesse um die Anerkennung ihrer Mietverhältnisse haben sie ohnehin
verloren, nun bekamen sie am Dienstag Post vom Gerichtsvollzieher. Der
fordert die Bewohner des linken Wohn- und Kulturprojekts zum Verlassen der
Räume auf. Am 18. Juni soll das Haus, das im Bezirk Mitte in der Nähe des
U-Bahnhofs Rosenthaler Platz liegt, morgens um 7 Uhr übergeben werden.
"Die Stimmung bei uns ist dementsprechend aufgeregt", sagt Manuela Pieper,
eine von derzeit 30 Bewohnern des Hauses, denn nun müssen sie sich auf eine
polizeiliche Zwangsräumung einrichten. Versuche, vorweg vier Wohnungen an
den Eigentümer Manfred Kronawitter zu übergeben, um die Räumungskosten
gering zu halten, scheiterten, weil der Eigentümer darauf bislang nicht
eingegangen sei, erklärt Pieper.
Der sanierungsbedürftige Altbau in der Brunnenstraße 183 wurde Mitte der
90er-Jahre besetzt. Kurze Zeit später trafen die Besetzer mit der
Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) eine Vereinbarung, dass sie gegen
geringe Miete bleiben durften. Auch die folgenden Eigentümer erkannten
diesen mündlichen Kontrakt an. So konnte sich das Hausprojekt entwickeln:
Im Erdgeschoss ist seit sieben Jahren der Umsonstladen, in dem alte Möbel,
Bücher und Haushaltsgegenstände getauscht werden.
Eine ungewisse Zukunft brach für das Projekt an, als vor dreieinhalb Jahren
Manfred Kronawitter das Haus kaufte. Denn der neue Eigentümer, der in
Passau eine Arztpraxis führt, erklärte, den Altbau zu einem
Mehrgenerationenprojekt umbauen zu wollen. Die Mietverträge der Bewohner
des Hauses zweifelte er an, und er gewann alle dafür notwendigen Prozesse.
Auch der Umsonstladen, der vom Landgericht als Gesellschaft bürgerlichen
Rechts angesehen wird, soll zum 18. Juni das Haus verlassen.
Das Rechtsanwaltsteam, das die Bewohner vertritt, zeigt sich von dem
Vorstoß des Gerichtsvollziehers überrascht. Für den ältesten Bewohner, den
81-jährigen Alfred Kulhanek, sei kürzlich erst eine Verlängerung der
Räumungsfrist beantragt worden, erklärt Anwältin Sandra Nuckel. Der betagte
und gesundheitlich angeschlagene Rentner hat trotz der Unterstützung des
Hauses noch keine neue Wohnung finden können. Deshalb stellten die Anwälte
nun einen Antrag auf Räumungsschutz.
Ein letzte Rettung für das Hausprojekt könnte ein Ersatzgrundstück für
Manfred Kronawitter sein. Er sei noch immer an einem unbebauten Areal in
der Ackerstraße 28 interessiert, für das ihn der Bezirk ins Gespräch
gebracht habe, so Kronawitter gegenüber der taz. Da will aber auch die
Designerin Henriette Joop bauen und ihre Firma "Jette" ansiedeln. "Über
eine Vergabe entscheidet der Liegenschaftsfonds", erklärt Clemens
Teschendorf, Sprecher des Finanzsenators. Entscheidend sei ein
überzeugendes Nutzungskonzept. Der Anspruch daran ist hoch: Es soll in der
Ackerstraße sowohl Gewerbe geschaffen als auch einem allgemeinen Interesse
Berlins nachgekommen werden.
"Bislang ist Manfred Kronawitters Bewerbung nicht überzeugend", sagt
Teschendorf. Ein altengerechtes Wohnprojekt reiche für eine Direktvergabe
nicht aus. Dabei will auch Kronawitter Arbeitsplätze schaffen. Er plant,
eine therapeutische Tagesstätte und ein medizinisches Versorgungszentrum in
dem Neubau unterzubringen. "Das sind notwendige Einrichtungen für die
Bürger", meint der Arzt. Gegen eine glamouröse Designerin rechne er sich
aber kaum Chancen aus.
Kommt es in der Brunnenstraße nicht doch noch zu einer gütlichen Einigung
in letzter Minute, dann ist der Termin für eine konfliktarme Räumung
denkbar schlecht gewählt: Die Kampagne "Wir bleiben alle", die sich für den
Erhalt linker Freiräume einsetzt, hat vom 6. bis zum 21. Juni in Berlin zu
Aktionstagen aufgerufen. Die Sympathisanten der Bewohner der Brunnenstraße
183 sind gerüstet.
29 May 2009
## AUTOREN
(DIR) Stefan Otto
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