# taz.de -- Tausendsassa Miriam Meckel: Die glücklich Unerreichbare
       
       > Wer ist Miriam Meckel? Wissenschaftlerin? Lobbyistin? Anne Wills
       > Redaktionsleiterin? Eine Begegnung.
       
 (IMG) Bild: Immer abwehrbereit: Miriam Meckel wittert häufig Angreifer, weil sie Angriffe gewohnt ist.
       
       Donnerstag, 16 Uhr, bedeckter Himmel über dem Bodensee. In ihrem Büro sitzt
       Miriam Meckel im V-Neck-Pullover, graue Hose, nur ganz leichtes Grau in den
       blonden Haaren. Ihr Institut für Unternehmenskommunikation sitzt in einem
       pistaziengrünen Bau, am Fuß des Universitätsbergs von St. Gallen.
       
       Manche Studenten sagen, es sei ein recht linkes Institut - zumindest für
       St. Gallen, die Privatuniversität mit den guten Wirtschaftskontakten.
       Vielleicht liegt es daran, dass Meckel im Spiegel die Wirtschaftseliten für
       ihre Rückgratlosigkeit kritisiert hat. Sie kommt gerade von oben, aus einer
       Vorlesung. Sie ist freundlich und trotzdem reserviert, fast misstrauisch.
       Was will die taz?
       
       Man könnte über vieles mit Miriam Meckel sprechen. Sie ist
       Kommunikationswissenschaftlerin, war jüngste Professorin Deutschlands,
       Journalistin, Medienstaatssekretärin von Wolfgang Clement und Peer
       Steinbrück. Sie ist Partnerin in einer Beratungsagentur - sogar
       Aufsichtsrätin bei der Commerzbank-Tochter Cominvest. Zurzeit publiziert
       die 41-Jährige viel zur Zukunft der Zeitung, zum Verhältnis von Print und
       Online. Manche sagen, sie sei auch heimliche Redaktionsleiterin von "Anne
       Will", der Sendung ihrer Lebensgefährtin, jeden Tag würden sie Themen
       besprechen. Meckel schweigt zu ihrer Freundin.
       
       Sie hat einen Blog ([1][miriammeckel.de]) mit der Unterrubrik "Pipifax",
       auf dem sie etwa beschreibt, wie sich in Rom Nonnen im Vatikan vordrängeln.
       Sie erzählt dort aber fast nie, mit wem sie unterwegs ist: "Ich blogge auch
       durchaus aus einer sehr persönlichen Haltung heraus, aber es gibt Grenzen.
       Mein Privatleben liegt jenseits dieser Grenzen", sagt sie.
       
       Als sie vor vier Jahren nach St. Gallen kam, hat sie beschlossen, dieses
       ganze Internet-Ding mitzumachen - professionelles Interesse. Deshalb ist
       sie auf Facebook mit Kajo Wasserhövel befreundet, dem Wahlkampfmanager der
       SPD. "Es ist doch ganz wichtig zu wissen, was der Chefcampaigner der Partei
       macht, die jetzt im Internet richtig loslegen will." Meckel war in den USA,
       um Obamas Wahlkampf zu beobachten. "Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen
       lebt die deutsche Politik in der digital darkness", stellt sie fest. Sie
       würde auch keinem raten: "Geh zu Twitter und mach wildes Zeug." Aber oft
       herrsche auch in der Kommunikation die Bürokratie. "Man sieht manchen
       Politikern an, dass sie lieber ein Fax schicken. Damit nutzen sie die
       Technologie, um sich von den Bürgern zu distanzieren, statt sich
       kommunikativ zu nähern, wie es über das soziale Netz möglich ist."
       
       Das Thema gefällt ihr. Sie erscheint jetzt weniger misstrauisch. Meckel
       twittert selbst, stellt morgens um sechs, wenn sie aufgestanden ist,
       manchmal lustige Handybilder auf Facebook, die sie irgendwo fotografiert
       hat.
       
       Ist dieses ganze Getwittere und Geblogge nicht ein Widerspruch zu ihrem
       neuesten Buch "Das Glück der Unerreichbarkeit"? Es geht ihr aber nicht
       darum, alles abzulehnen, sondern bewusst damit umzugehen. Während sie
       spricht, vibriert im Rucksack unter ihrem Schreibtisch alle paar Minuten
       das Blackberry, ihr iPhone bimmelt dazu. Miriam Meckel reagiert nicht.
       Überhaupt gar nicht.
       
       Sie wirkt nun noch entspannter. Kein schlechter Moment, um mit dem Thema zu
       beginnen, das ihr vielleicht nicht ganz so gut gefällt. Als vor drei Jahren
       über Finanzinvestoren und Medien debattiert wurde, hat sie im Rheinischen
       Merkur David Montgomery verteidigt, der den Berliner Verlag mit der
       Berliner Zeitung kaufte, und Haim Saban, den Investor, dem ProSiebenSat.1
       gehörte. Beide finden heute in Deutschland nicht mehr statt. Montgomery hat
       sich überschuldet davongeschlichen, Saban seine Sendergruppe an andere
       Investoren weitergereicht. Muss sie ihre Position revidieren?
       
       "Ich habe es damals differenziert gesehen, und so sehe ich es auch heute",
       sagt Meckel. "Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen, bei denen die
       Investoren ihre Anteile einige Jahre gehalten haben und dann wieder
       ausgestiegen sind - Hellman & Friedman beispielsweise beim Axel Springer
       Verlag." Das allerdings war auch keine Mehrheitsbeteiligung, das Sagen
       hatten andere. Eines jedenfalls glaubt Meckel weiterhin: "Die Diskussion
       über Medien-Finanzinvestoren war völlig undifferenziert. Jenseits der
       Fakten haben viele einfach mal draufgehauen." Die Debatte habe auf
       Medienseiten stattgefunden, sagt Meckel noch, geführt von Journalisten -
       und die seien natürlich parteiisch. Das Hans-Bredow-Institut aber, wahrlich
       kein Büttel des Kapitals, habe nach einer Untersuchung der drei damals von
       Finanzinvestoren geführten Medienunternehmen Sat.1, Kabel Deutschland und
       Premiere festgestellt: Es gebe sogar Beispiele, wo die vermeintlichen
       Heuschrecken im Gegensatz zu anderen Investoren die Personalquote erhöht
       hätten. "Man muss zumindest mal die Fakten zur Kenntnis nehmen", findet
       Meckel.
       
       Das gilt für ihre Person genauso. Meckel arbeitet nicht nur in St. Gallen,
       sondern hat auch ein Büro in Berlin, bei Brunswick, der "Strategieberatung
       für Kommunikation" (Agentur-PR), die damals Montgomerys Mecom-Holding
       betreut hat. Die unabhängige Wissenschaftlerin als bezahlte Lobbyistin?
       Schon wenn man die Frage sehr vorsichtig formuliert, beginnt Miriam Meckel,
       sich zu ärgern. Ihre Stimme klingt jetzt schärfer, gereizt. Die
       Formulierungen dagegen werden unpräziser. Sie will dazu nichts Konkretes
       sagen. Hat sie selbst Montgomery beraten? Sie habe ihn ein Mal getroffen,
       so Meckel, und sich vor allem aus wissenschaftlicher Sicht für die Sache
       interessiert, eine kleine Fallstudie gemacht, zur Berichterstattung über
       Finanzinvestoren. Mit dem operativen Geschäft von Brunswick habe sie nichts
       zu tun. Sie hat Montgomery also selbst nicht beraten? Es wäre die
       Gelegenheit, einiges klarzustellen, aber Meckel laviert. Sie weicht aus.
       
       Bei der nächsten konkreteren Nachfrage zum Rollenkonflikt zwischen der
       Professorin und der Beraterin unterbricht sie plötzlich. Sie ist nun
       wirklich wütend, ihr Gesicht rot angelaufen. Meckel sagt einen Satz, der
       sich anhört, als wolle sie sich von dieser ganzen Mecom-Geschichte jetzt
       ein für alle Mal distanzieren. Sie wird ihn anschließend nicht
       autorisieren. So wie sie überhaupt nichts zum Thema autorisiert. Aus
       Gründen der Vertraulichkeit, schreibt Meckel.
       
       Warum regt sie sich in dieser Situation so auf? Strategische Abwehr eines
       PR-Profis? Wenn das so wäre, könnte sie sehr gut spielen. Sie wirkt
       wirklich aufgebracht. Sie wettert gegen die taz, die sie schon immer
       schlecht behandelt habe - weil sie etwa in der taz-nrw lange vor dem
       offiziellen Auftritt in Springers Bild am Sonntag vor anderthalb Jahren
       geoutet worden sei.
       
       Das Gespräch muss anders weitergehen, damit es überhaupt weitergeht.
       Themenschwenk also. Damals hatte sie gefragt: Warum können Investoren von
       außen kommen und deutsche Medien übernehmen, nur deutsche Akteure hält das
       Kartellrecht davon ab? Sie kritisiert grundsätzlich: zu viele Player,
       Kommissionen, zu viel Standort-Hick-Hack. "Insgesamt ist die deutsche
       Medienpolitik inzwischen schlecht aufgestellt und argumentiert nicht mehr
       zeitgemäß. In Zeiten des Internets brauchen wir keinen Ansatz des
       öffentlich-rechtlichen Binnenpluralismus, um die öffentliche
       Meinungsbildung zu ermöglichen, das funktioniert längst anders. Ich habe
       jeden Tag den reality check durch den Kontakt mit meinen Studenten. Die
       leben längst in anderen Kommunikationswelten. Manch ein Medienpolitiker
       bräuchte mal ein mediales Raumschiff Enterprise: ,Beam him up, so that he
       can see.'" - Meckel ist anzusehen, dass ihr der Satz gefällt. Und auch die
       Rolle, die dazu gehört. Sie freut sich über ihre wissenschaftliche
       Freiheit, sagt sie. In St. Gallen fühle sie sich ungeheuer wohl, diese
       Beschaulichkeit.
       
       Eingebildete Angreifer 
       
       Sie ist jetzt wieder sehr nett, manchmal lacht sie. Vielleicht doch noch
       einmal Finanzinvestoren? Sie hat ein Buch herausgegeben, das sich mit der
       Berichterstattung über Investoren befasst, "Verkauft und nichts verraten".
       Wenn sie die Berichterstattung über Josef Ackermanns
       Investment-Banking-Erfolge in FAZ und taz vergleicht, welche Haltung stünde
       ihr näher? Die Frage macht sie schon wieder wütend.
       
       Vielleicht liegt es auch daran, dass Meckel häufig Angreifer wittert, weil
       sie Angriffe gewohnt ist. Sie hat als jüngste Professorin und junge
       Politikverkäuferin - Meckel war auch Regierungssprecherin - viele
       abbekommen. "Vergnüglich war das nicht", sagt sie. Das taz-Interview
       dagegen hat durchaus vergnügliche Momente. Am Ende gibt es sogar eine
       Verabredung - zum Austausch von Satiretexten. Es habe Spaß gemacht,
       schreibt Meckel am nächsten Tag, abgesehen von den Standardvorurteilen
       gegen Finanzinvestoren. Dazu ein Smiley. Und der versprochene Link: eine
       gefakte Facebook-Gruppe der "World Leaders". Mit Statusmeldungen wie:
       "Wladimir Putin ist jetzt Abba-Fan."
       
       12 Jun 2009
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://miriammeckel.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Gernert
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA