# taz.de -- SPD-Politiker wechselt Partei: Tauss entert Piraten
> Der ehemalige SPD-Abgeordnete Jörg Tauss ist seit dem Wochenende Mitglied
> bei der Piratenpartei. Die freut sich, denn so hat sie unverhofft einen
> Sitz im Parlament gewonnen.
(IMG) Bild: Erster Pirat im Bundestag: Der ehemalige SPD-Abgeordnete Jörg Tauss.
Die Piratenpartei ist kurz vor der Bundestagswahl noch in den Bundestag
eingezogen. Der langjährige Abgeordnete und Medienexperte der SPD, Jörg
Tauss, trat am Wochenende bei den Sozialdemokraten aus und bei den
Internet-Aktivisten ein. "In meiner früheren Partei hatte ich einfach
keinen Handlungsspielraum mehr", sagte Tauss der taz. "Deshalb bin ich nun
der erste Pirat im Bundestag."
In einer Erklärung zu seinem Schritt, schrieb Tauss, er stimme zwar
weiterhin mit vielen Punkten des SPD-Programms überein. Allerdings gebe es
bei der SPD "eine schlimme Fehlentwicklung" in der Innenpolitik. Dass die
SPD nun noch den Internet-Sperren zugestimmt habe, mit denen
Kinderpornografie bekämpft werden soll, sei der Auslöser für den Austritt
gewesen. Mit dem Sperrgesetz werde "eine staatliche Zensurinfrastruktur"
geschaffen. "Diese Entwicklung muss gestoppt werden", forderte Tauss.
Nach dem Austritt forderten sozialdemokratische Politiker, Tauss solle ganz
aus dem Parlament verschwinden. "Wir müssen diesen Schritt zur Kenntnis
nehmen und fordern ihn auf, sein Bundestagsmandat zurückzugeben", sagte
unter anderem die baden- württembergische SPD-Chefin Ute Vogt der Deutschen
Presse Agentur. Bis zum Frühjahr 2009 war Tauss Generalsekretär der SPD in
Baden-Württemberg und saß seit 1994 für die Partei im Bundestag.
Am 5. März hob der Bundestag die Immunität von Tauss auf, weil gegen ihn
wegen des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt wird. Der 55jährige
Abgeordnete gibt dies auch zu. Er sagt, er habe selbst in dem Millieu
ermitteln wollen, um zu belegen, dass solche Pornografie hauptsächlich
nicht über das Internet sondern über persönliche Kontakte gehandelt wird.
Mit dem Bundeskriminalamt habe er nicht zusammenarbeiten wollen, weil es
sich in solchen Fragen nicht neutral verhalte, sondern parteiisch sei.
Das BKA hatte sich in der Vergangenheit wiederholt für verschärfte
Sicherheitsgesetze eingesetzt. Tauss hatte genau die entgegengesetzte Linie
vertreten und war damit für Teile der digitalen Bürgerrechtsbewegung zu
einem Idol geworden.
Trotz der undurchsichtigen Gemengelage sieht man bei der Piratenpartei
keinen Grund, Tauss abzuweisen. Sie hieß ihn als einen der erfahrensten
Politiker beim Thema Neue Medien "herzlich willkommen". Solange Tauss nicht
verurteilt sei, habe die Piratenpartei "keinen Anlass, an seiner Unschuld
zu zweifeln." Die 2006 gegründete Partei setzt sich für die informationelle
Selbstbestimmung und den freien Zugang zu Wissen und Kultur im Internet
ein. Die Idee für eine solche Gruppierung stammt aus Schweden - dort
bekamen die Piraten vor allem von Jüngeren bei der letzten Europawahl so
viele Stimmen, dass sie einen Abgeordneten nach Straßburg schicken konnten.
Auf der Webseite der Partei wird der Überläufer nicht nur freudig begrüßt.
Skeptiker kritisieren, dass jemand, der zumindest auf zweifelhafte Weise
mit kinderpornografischem Material umgegangen ist, sich bei diesem Thema
erst einmal zurückhalten sollte. So schreibt der Nutzer "Golem": "Im
Prinzip holt ihr euch jemanden in die Bewegung, der euch das Genick brechen
kann. Denn ihr wollt ja sicher nicht die Partei sein, die anonymes
Kinderpornosgucken schützen will."
Tauss hingegen hält das Herstellen solcher Zusammenhänge "für eine Kampagne
gegen mich und alles wofür ich stehe." Er habe sich nicht ausgesucht, dass
er sich im Laufe seiner Arbeit nun einmal mit Kinderpornografie habe
beschäftigen müssen, sagte er der taz. Deshalb wolle er zu diesem Thema
auch weiterhin nicht schweigen.
21 Jun 2009
## AUTOREN
(DIR) Daniel Schulz
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