# taz.de -- Ein ehemaliger Bankkassierer erzählt: "Geld stinkt ganz furchtbar"
       
       > Manfred Zauter über die Zeit als es noch kein Girokonto für jeden gab,
       > über Überfälle trotz Einführung von Panzerglas und über den Wandel des
       > Kundenberaters zum reinen Verkäufer.
       
 (IMG) Bild: "Den Dollar konnte ich überhaupt nicht leiden. Wie ein Dreckschwein sah ich hinterher aus. Von allen ausländischen Zahlungsmitteln hat der Dollar am meisten abgefärbt."
       
       Herrn Zauter kenne ich seit den 70er-Jahren. In seiner Filiale am
       Wittenbergplatz habe ich damals mein erstes Konto eröffnet, er hat mir in
       jenem seltsamen Sommer 1974, in dem die Portugiesen und Griechen ihre
       Militärregierungen zum Teufel gejagt haben, die Escudos und Drachmen für
       meine ersten Reisen besorgt. Er hat mir fast mein gesamtes Studenten- und
       Arbeitsleben hindurch meine Ein- und Auszahlungen gemacht und war, auch bei
       noch so flauem Kontostand, stets von ausgesuchter, aufmunternder
       Freundlichkeit. Als ich ihn endlich aufgestöbert hatte und um ein Gespräch
       bat, war er sofort bereit. "Als ich anfing bei der Bank damals, da war noch
       alles offen, das Geld war noch nicht mal hinterm Tresen gesichert. Und wer
       ist denn überhaupt zur Bank gegangen? Das waren die Firmen und
       Handwerksbetriebe, die Geschäftskunden. Und die Volksbank ist ja eine
       mittelständische Bank. Die Firmen sind zur Bank gegangen, haben vorher
       angerufen und den Gesamtlohn für ihre Firma geholt. Die Geschäftsleute
       gingen meist freitagmorgens zur Bank und haben das Geld für die Löhne der
       Angestellten und Arbeiter abgeholt, passend zur Aufteilung in die
       Lohntüten. Am Monatsende wurde das Geld für die Gehälter geholt. Und das
       war es dann. Also die ganze untere Schicht war schon mal ausgeschlossen,
       Girokonto für jeden, das gabs nicht, war nicht nötig. Das Geld gab es in
       der Lohntüte, direkt im Betrieb, für die Arbeiter einmal wöchentlich. Und
       die Rentner sind zur Post gegangen und haben dort ihre Renten ausgezahlt
       bekommen, oder sie ist ihnen zugestellt worden, nach Hause, durch den
       Geldbriefträger. Es war also nur ein bestimmter Kreis, der zur Bank ging
       und dort ein Konto hatte. Das ging so, bis die Post eines Tages sagte, wir
       stellen die Rentenauszahlungen ein, die Leute sollen sich ein Post- oder
       ein Bankkonto einrichten. Dann haben auch gleich die großen und kleinen
       Firmen nachgezogen.
       
       Das hat viel verändert. Vorher wars ja so, wer ein Bankkonto hatte, der
       hatte Geld, der war - ich will mal so sagen - was Besseres. Wenn einer in
       eine Bank reinging, er die Tür aufmachte, das war eine Stille und eine
       Eleganz, da hatte jeder Respekt. Die Beamten - man sagte so, obwohl wir
       Angestellte waren -, die waren anders gekleidet als bei der Post. Das war
       noch die Zeit, als die Kleiderordnung sehr streng war. Die Frauen durften
       keine Hosen tragen, nur Kostüm oder Bluse und Rock. Die Männer Sakko und
       Hose, dunkle Töne, Krawatte. Jeans waren absolut undenkbar! Es durfte im
       Sommer, egal wie heiß es auch war, niemals das Sakko ausgezogen werden. Und
       damals gab es noch keine Klimaanlagen. Ja - der Wandel der Zeiten! Und dann
       hatten wir also plötzlich auch ganz andere Kunden, es kamen alle
       Gesellschaftsschichten. Die neuen Kunden waren erst mal sehr zurückhaltend,
       alles war ungewohnt. Früher war es üblich, dass die Rundfunkgelder von der
       Post kassiert wurden, und die Zeitung, das wurde an der Wohnungstür
       kassiert und quittiert, Mieter zahlten ihre Miete an den Hauswart, da gabs
       die kleinen, grünen Mietbücher zum Quittieren usw. Das wurde alles
       abgeschafft und musste nun als Dauerauftrag eingerichtet werden. Damals
       gabs ja die Computer noch nicht, das wurde alles per Hand von uns gemacht,
       die Kontostände wurden in Listen gedruckt, da hat man dann erst mal in
       Büchern geblättert, um zu prüfen: Hat er das Geld überhaupt drauf?
       
       Ich war von Anfang an Kassierer. Das wollte keiner machen, man muss ja die
       ganze Verantwortung dafür übernehmen, dass das Geld immer stimmt. Und die
       Kasse ist der zentrale Anlaufpunkt. Als ich anfing, hat man mir gesagt: Der
       Kassierer ist das Aushängeschild der Filiale. Denken Sie immer daran, Herr
       Zauter, man schaut Sie als Ersten an, wenn man die Bank betritt! So war die
       Einteilung der Plätze. Wir hatten damals noch eine 45-Stunden-Woche von 9
       bis 13 Uhr und von 14 bis 16 Uhr, zweimal die Woche bis 18 Uhr. Wir waren
       so um 7 Uhr schon da. Es gab ja den Nachttresor noch, der 1995 abgeschafft
       wurde. Da konnten die Geschäftsleute nach Geschäftsschluss ihre Einnahmen
       in Geldkassetten einwerfen - das musste morgens ausgezählt werden. Dann
       habe ich meine Kasse fertig gemacht, seitlich vom Tresen waren die
       Geldfächer, unten waren die Schubladen für die Geldbündel. Um 9 Uhr war ich
       fertig und bereit. Mittags hatten wir eine Stunde Pause, die wurde dann
       auch abgeschafft, später, und danach ging es weiter. Dazu muss ich
       anmerken, wir bekamen eine Essensmarke - die Bank war damals noch großzügig
       -, damit konnten wir in den umliegenden Lokalen essen gehen. Der Arbeitstag
       war noch übersichtlich. An normalen Tagen hatte ich so 120 bis 180 Kunden.
       Wenn Ultimo war, hatte man 320 bis 340 Kunden. Damals ist man ja als Kunde,
       oder als Bürger, noch viel sparsamer gewesen. Man ist einmal zur Bank
       gegangen, im Monat, hat sein Geld abgeholt, vielleicht gesagt, da gehen
       noch 10 Mark davon aufs Sparbuch, und dann war das erledigt. Die Leute
       haben ihr Geld mit nach Hause genommen und es sich eingeteilt. Die wussten
       genau, was sie kaufen konnten, ob das Geld reicht oder nicht. Das kam noch
       aus der Zeit der Lohntüten, als man zu Hause das Geld auf dem Küchentisch
       ausgebreitet hat, da wurde dann alles gleich zur Seite gelegt, was für
       Miete, Licht, Heizmaterial usw. gebraucht wurde, und vom Rest musste man
       sich ernähren. Kreditkarten waren bei uns kaum verbreitet und nur für
       Geschäftsleute gedacht. Es war auch nicht so, dass jeder, wenn er ein Konto
       eröffnete, gleich einen Dispo drin hatte. Der musste erst beantragt werden,
       ebenso der Kredit, und zuerst mal musste man Mitglied werden, seinen
       Genossenschaftsanteil an der Bank zeichnen. Das waren damals 200 Mark. Das
       ist eine Menge Geld. Das wurde verzinst, Dividende gabs einmal im Jahr.
       Heute ist man dazu nicht mehr gezwungen, aber es wird natürlich gern von
       der Bank gesehen.
       
       Sachlicher Geldverkehr 
       
       Die Bank war damals noch eine irgendwie würdige, respektable Stätte. Die
       Filiale am Wittenbergplatz war, wie ich schon erwähnt habe, anfangs noch
       ganz offen, also man stand dem Kunden ganz normal gegenüber, nur getrennt
       durch einen normalen Tresen. Es gab auch noch keine Kamera und nichts,
       1970. Aber eines Tages fing das plötzlich an mit Sicherheitsvorkehrungen.
       Das ging von den Versicherungen aus, da kamen immer neue Auflagen. Da gabs
       erst mal diese Scheibe, als Barriere, aber es war noch ein Schalter, man
       konnte sich noch die Hand reichen. Später kam dann eine halbhohe räumliche
       Abtrennung durch Panzerglas, aber oben noch offen, das war schon in
       Steglitz, fragen Sie nicht, wie oft ich da oben drüber gestiegen bin, weil
       ich durch die Tür gegangen war ohne Schlüssel. Und dann kam immer mehr
       Panzerglas, bis es 1976 dann ein vollkommen geschlossener Glaskäfig war.
       Das veränderte schon sehr das Verhältnis zum Kunden. Zuerst war das
       Panzerglas nur versetzt, dann war es ganz geschlossen. Man hatte einen Trog
       für das Geld. Wir hatten Mikrofone. Wenn ich daran denke, was ich da
       plötzlich für eine Technik hatte. 12 bis 15 Lautsprecher waren eingelassen
       unter dem Tresen, damit die Akustik besser wurde. Aber man konnte trotzdem
       kaum was verstehen. Mit vielen Kunden hat man ja vorher auch persönliche
       Worte gewechselt, man kannte sie zum Teil lange. Das war jetzt nicht mehr
       möglich. Man hat sich zwangsläufig auf den rein sachlichen Geldverkehr
       beschränkt. Ab 1974 bekam der Kunde ja eine Nummer, die aufgerufen wurde,
       jetzt wurde die nur noch angezeigt. Und es gab diesen Strich am Boden, zwei
       Meter Abstand zum Kunden an der Kasse, ,Bitte Diskretion', und sogar eine
       Absperrung mit Ständern und Bändern als Leitweg. Und trotz allem, es hat
       nicht wirklich abgeschreckt. In meiner Gesamtzeit hatte ich drei Überfälle,
       den schlimmsten in Steglitz, also in der Zeit, als wir die besten
       Sicherheits- und Alarmsysteme hatten. Zwei Männer kamen rein mit Masken und
       Pistolen, einer sprang über den Tresen und hat eine Mitarbeiterin als
       Geisel genommen, ihr die Pistole an den Kopf gesetzt, damit ich die Tür zum
       Kassenraum aufmache. Ich habe natürlich geöffnet und getan, was er verlangt
       hat, habe ihm aber zugeredet, er soll sich doch nicht unglücklich machen.
       Sie sind entkommen, aber ein Jahr später hat man sie geschnappt. Es gab
       Kurse zum Verhalten bei Banküberfällen, psychologische Betreuung, aber man
       ist dann doch ziemlich hilflos und hat einen Schock.
       
       Das war diese Geschichte. Und ansonsten hatte sich im Wandel der Zeiten
       auch der übrige Raum verändert. Ein riesig langer Tresen wurde geschaffen,
       mit Kontoführung, Sparabteilung usw. Das waren also plötzlich regelrechte
       Hierarchien. Was vorher so rundum war, war dann plötzlich irgendwie
       kastenmäßig ab- und eingeteilt in der Filiale in Steglitz. Sagen wir mal,
       es war etwas elitär und kälter. Zugleich eröffnete 1976 die Filiale den
       ersten und einzigen Autoschalter Berlins, nach amerikanischem Vorbild - er
       ist längst geschlossen -, aber damals war es so, es gab Kunden, die mit
       ihrem großen Auto vorfuhren und meinten, sie seien was Besseres und müssten
       sofort bedient werden. Innen standen lange Schlangen, und außen haben sie
       gehupt. Das war natürlich nicht so schön! Man hat dann auch immer mehr
       hineinverlegt in den Kassenraum. Zuvor wurde draußen gebucht. Dann bekamen
       wir unsere eigene Maschine, die gebucht hat. Dadurch hatte man dann wieder
       weniger mit den Kollegen zu tun. Man war, sagen wir mal, für sich allein.
       Und wenn die Kasse mal nicht gestimmt hat, dann hat das keinen mehr
       interessiert. Ich saß da, und habe gezählt und gezählt und gesucht. Jeden
       Tag wurde ja ein Kassenabschluss gemacht, der Bestand im Keller, alles. Ich
       hatte über das gesamte Geld im Haus den Überblick, konnte selbst
       disponieren, habe bestimmt, wie viel abgeliefert wird und wie viel im Haus
       bleibt.
       
       Der Euro ist zu starr 
       
       Ich habe es gezählt und gebündelt, in Papier eingeschlagen die Münzen, oder
       sie kamen in Jutesäcke rein, die wurden von uns dann vernäht. Sie wurden
       gewogen, 6 Kilo 5-Pfennig-Stücke waren 100 Mark. Die Geldscheine habe ich
       alle mit der Hand gezählt. Ein zweiter Mann musste alles noch mal
       nachzählen, es mussten immer zwei Zeichen auf der Banderole drauf sein. Ich
       habe ohne Gummifingerling gezählt, nur ein Schwämmchen habe ich benutzt.
       Das Geld damals hat sich übrigens ganz anders angefasst als das Geld heute.
       Es ist ja nicht aus Papier, es ist aus reiner Baumwolle. Früher gabs auch
       mal dieses Perlongeld, in den 50er-Jahren, dieses Knistergeld, dann wurde
       auf Baumwolle und Hanf umgestellt, in den 60er-Jahren, glaube ich.
       Jedenfalls, die D-Mark-Scheine waren beweglicher, der Euro ist zu starr,
       gar nicht elastisch. Die Scheine damals konnte man viermal falten. Wenn man
       den Euroschein faltet, muss man hinterher ein Bügeleisen nehmen. Es ist
       Ihnen sicher aufgefallen, dass heute meist nur ganz neue Geldscheine in
       Umlauf sind. Von der Bank bekommen Sie nur neue Scheine. Und wissen Sie,
       warum? Die Geldzählmaschinen und Geldauszahlungsmaschinen können geknickte,
       leicht gerollte oder eingerissene Scheine nicht lesen. Da verzählen sie
       sich! Die Zentralbank vernichtet ständig Geld, das durch neues ersetzt
       wird, das automatentauglich ist. Der Kunde bekommt ja heute sein Geld nicht
       mehr vorgezählt in der Bank. Für mich war das Geldzählen für den Kunden
       eine Selbstverständlichkeit. Meist kannte ich die Kunden und ihre Wünsche,
       ich wusste, wer 100er oder 50er will, wer lieber langsamer vorgezählt bekam
       und wer es schneller ertrug. Jedenfalls, ich hatte eine unheimliche Routine
       beim Geldzählen erlangt im Laufe der Zeit. Also ich gehöre noch zu denen,
       die das Geld angefasst haben. Ich habe fast mein Leben lang Geld in den
       Händen gehabt, von morgens bis abends. Das sind Summen, die man sich
       überhaupt nicht vorstellen kann, das muss in die Milliarden gehen. So
       300.000 die Woche … Es waren Unsummen! Und dazu kamen noch die
       ausländischen Zahlungsmittel. Ich habe immer günstig eingekauft - An- und
       Verkauf, wie man so schön sagt. Und ganz nebenbei. Vom Erwirtschaften der
       Erträge, durch die Disposition, sollte ich möglichst mein Gehalt und das
       eines anderen herauswirtschaften. Das hat nicht ganz geklappt, ich hatte
       aber auf jeden Fall das Gehalt für die zweite Person.
       
       Zurück zum Thema Geldzählen, den Dollar konnte ich überhaupt nicht leiden.
       Wie ein Dreckschwein sah ich hinterher aus. Von allen ausländischen
       Zahlungsmitteln hat der Dollar am meisten abgefärbt. Und noch was: Alles
       Geld, das neu war, hat gestunken. Wenn ich den Tresor aufgemacht habe im
       Keller, buaah! Man sagt ja, Geld stinkt nicht, aber ich weiß es besser.
       Geld stinkt ganz furchtbar. Da unten drin ist ja alles hermetisch
       abgeschlossen, keine Luftzirkulation. Morgens, wenn man den Tresor
       aufmachte, musste man sich ganz schön anstrengen, so stark war der Sog, und
       wenn die Tür zuging, kam auch immer der Geruch und dieses Geräusch: zzzsch.
       
       Fast all das ist heute nur noch romantische Vergangenheit. Die Banken haben
       immer mehr umgestellt, was ein Riesenproblem für mich war. Ab dem Jahr 2000
       wurden die Kassen aufgelöst, die Kassierer quasi abgeschafft. Man hatte die
       tolle Idee, wir schaffen alle Kompetenzen ab, jeder kann alles! Vorher
       hatten wir Mitarbeiter, die waren spezialisiert auf Kontoführung,
       Sparbereich, Neukunden, Kundenberatung, Festgeld, Wertpapiere, Kredite usw.
       Nun hieß es, jeder macht alles! Wir konzentrieren uns aufs Kerngeschäft,
       der Kunde bedient sich selbst im ,SB-Bereich' an den Maschinen, macht seine
       Überweisungen selbst, bekommt sein Geld aus dem Automaten. Die Deutsche
       Bank war der Vorreiter von alldem. Es wurde gesagt, so, jetzt bauen wir die
       Bank ganz anders auf, das Ergebnis war aber, die Bank als solche gab es
       nicht mehr. Man hat immer mehr Service und Betreuung für den Kunden
       abgeschafft und eingespart. Im Grunde hat man den einfachen, normalen
       Kunden, der vorher mit allem versorgt wurde, einfach weggeschoben. Der
       musste nun selbst schaun, wie er zurechtkommt. Und für uns Mitarbeiter
       bedeutete das, jeder muss sich noch mal bei der Volksbank um seine neue
       Tätigkeit bewerben. Man sagte mir, Sie können machen, was Sie wollen,
       möchten Sie vielleicht in der Filiale bleiben und als Kundenberater tätig
       sein? Ich wollte ja nicht in einem Großraumbüro irgendwo sitzen, ich wollte
       weiterhin den Kontakt zu den Menschen, das war mir wichtig. Also sagte ich,
       gut, dann werde ich eben Kundenberater.
       
       Und dann ging das los, von einer Schulung zur anderen - ich habe sogar
       freiwillig Wirtschaftsenglisch gemacht -, ich musste mir eine Menge
       aneignen, ob das nun Wertpapiersachen waren oder Gesetze. Ich durfte ja
       vorher keine Wertpapiere verkaufen. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz darf
       nicht jeder einfach verkaufen und Kunden beraten, zuvor muss man eine
       Prüfung machen. Das habe ich dann auch alles noch gemacht. Freunde haben
       gesagt, ich bin verrückt, dass ich das mache, denn es war ja klar, dass ich
       gehen musste. Man hatte bereits beschlossen, Stellen abzubauen, das war
       nach der Übernahme der notleidenden Grundkreditbank. Weibliche Mitarbeiter
       ab 55 und männliche ab 58 mussten in den Ruhestand gehen. Bei mir hat sich
       das dann um ein Jahr verlängert, weil man mich wegen der Währungsumstellung
       auf den Euro noch brauchte. Ich bin gefragt worden und habe ja gesagt.
       
       Also ich habe diese ganze Zeit noch miterlebt. Die Modernisierungen. Wir
       standen dann alle plötzlich an so kleinen Stehtischen, jeder für sich,
       jeder war Kundenberater, und jeder muschelte so vor sich hin. Ganz
       zuverlässig war das natürlich nicht, was da beraten wurde, keiner war mehr
       so kompetent wie der Mitarbeiter vorher, der in seinem Metier drin war. Man
       hat gesagt, wie ein Marktplatz soll das sein, dieses Rund der
       Serviceplätze, und die einfachen Kunden, wie gesagt, sollen alles am
       Automaten erledigen und nicht stören. Wir wollen nur noch Geschäft machen.
       Beratung und Verkauf. Dass alles im Stehen! Ich habe in meiner Kasse auch
       gestanden, aber das war etwas anderes. Für mich ist das so: Wenn ich ein
       Geschäft abschließen soll im Stehen, das geht einfach nicht! Das gehört
       sich nicht, das ist dem Kunden gegenüber unhöflich. Aber man wollte
       Folgendes vermeiden: Angeblich plaudern sich die Berater mit dem Kunden
       fest, im Sitzen. Und Zeit ist ja auch Geld. Das alles haben sich Leute am
       grünen Schreibtisch ausgedacht, die nie etwas mit dem Alltag einer Bank zu
       tun hatten. Aber diese Modernisierung hat sich nicht so bewährt. Man hat
       festgestellt, es stehen zu viele Berater rum, und es kommen zu wenige
       Kunden, es wird also doch nicht so viel Geschäft gemacht wie erwartet. Wir
       ändern das mal, schaffen wieder mehr Sitzposten. Die Berater, die dann auch
       wieder kompetenter sein sollen, kommen an Schreibtische im Hintergrund, wo
       dann auch ein Stuhl ist, auf dem der Kunde sitzen kann. Vorn stehen dann
       nur noch ein bis zwei Mitarbeiter vielleicht bereit. Die machen dann das,
       was der Kunde nicht selber kann. Aber der Kunde ist denen meist gar nicht
       mehr namentlich bekannt, was ja vorher der Fall war. Sie sind doch früher
       als Kunde reingekommen, Guten Tag! Man hat Sie mit Namen begrüßt. Den hatte
       ich im Kopf. Das war für mich wichtig, denn es entsteht eine gute,
       persönliche Stimmung. Jeder freut sich. Ah! Der erinnert sich an mich, der
       kennt mich, der weiß im Prinzip, was mein Anliegen ist. Denn was nützt es
       denn, wenn mein Name irgendwo auf einem Schildchen auf der Theke steht, der
       Kunde spricht mich vielleicht mit meinem Namen an, und ich weiß nicht, wer
       da vor mir steht? Man hat das sozusagen von sich aus dazugegeben, das war
       nicht angeordnet, für mich war das selbstverständlich.
       
       Wie ist es, lieber Kunde? 
       
       Also der Umgang mit dem Kunden hat sich vollkommen geändert, überhaupt
       haben sich die Banken sehr geändert. Die Volksbank ist ja nicht so von der
       Bankenkrise betroffen jetzt, es gab nicht die großen Spekulationen im
       Ausland wie bei den anderen Banken, sie haben keine Auslandsfilialen wie
       die Commerzbank oder die Deutsche Bank usw. Die Volksbanken sind bei der
       Deutschen Genossenschaftsbank in Frankfurt angeschlossen. Da muss alles
       gleich sein, die müssen als mittelständische Bank auch liquide sein. Das
       ist also eine saubere Sache. Allerdings gabs damals auch Probleme, nach der
       Wende. Da hatten wir bereits den besten Beweis, wie so etwas schiefgeht.
       Das waren auch Immobilienfonds. Sie sind den Leuten mit großen
       Versprechungen verkauft worden: Na, wie ists denn, lieber Kunde? Du kannst
       jetzt bei mir einen Fonds kaufen. Für, sagen wir, 10.000 Mark, und dann
       hast du die Möglichkeit, Steuern zu sparen, durch Mieteinnahmen eine gute
       Rendite rauszuwirtschaften, deine Altersversorgung zu sichern usw. Und dann
       plötzlich war da leider nichts, keine Wohnungen wurden vermietet, keine
       Geschäfte haben eröffnet, alles tote Sachen, keine Rendite, kein gar
       nichts. Der Kunde hatte sein Geld zum Fenster rausgeschmissen." (In den
       90er-Jahren wurden im Genossenschaftsverbund der Volks- und
       Raiffeisenbanken geschlossene Immobilienfonds der DG-Anlagengesellschaft
       empfohlen und vermittelt, als angeblich sichere Geldanlage mit guten
       Renditen. Aber die Ostimmobilien waren wenig ertragreich oder standen leer.
       Viele Anleger verloren ihr Geld, um das sie heute noch kämpfen. Anm. G. G.)
       
       Nicht mehr meine Bank 
       
       "Heute, da werden von den Banken ja regelrecht Produkte verkauft,
       Finanzprodukte und Versicherungen, Kredite usw. Und für den Produktverkauf
       gibts Provisionen, die die Bank einnimmt. Die Mitarbeiter sind sozusagen
       auf Provisionsbasis tätig. Das sind heute die Hauptgeschäfte der Banken.
       Früher haben sie überwiegend von den Einnahmen gelebt, vom Gewinn aus dem
       Zinsüberschuss. Dann fing das an in den 90er-Jahren, dass sie mehr und mehr
       aus Provisionen, aus Vermittlung von Fonds und Versicherungen Einnahmen
       bezogen haben. Und da fing es dann auch mit den Umstrukturierungen an. Der
       Kundenberater ist zu einem reinen Verkäufer geworden, der nur noch den
       Interessen der Bank zu dienen hat. Vorher, ich habe es ja geschildert, war
       man mehr für den Kunden da, man war auch, ich sage mal, ein Verwalter
       seiner Interessen. Das kann der Mitarbeiter gar nicht mehr leisten, ob er
       will oder nicht. Das Reinholen von Provisionen ist zur Hauptsache gemacht
       worden, und zwangsläufig ist damit natürlich auch der Verkaufsdruck auf die
       Mitarbeiter gestiegen. Schlimm, diese Zeit!
       
       Das zeigt sich auch im Kleinen. Ich habe jetzt so einen Fall gehabt. Es
       ging um einen Blinden, den ich betreue. Er war so ein bisschen schwach auf
       dem Konto, war im Urlaub gewesen, und na ja … Er hatte sein Konto so stark
       überzogen, dass es noch ein bisschen mit einem Dispo erweitert werden
       musste. Man hatte ihm dann geraten, einen Kredit aufzunehmen für 3.100
       Euro. Ich habe den Ausdruck mit der Berechnung nachher gesehen. Also er
       hätte erst mal eine Versicherung abschließen müssen, eine sogenannte
       Restkreditversicherung über 743,13 Euro für den Fall, dass er die Summe
       nicht zurückzahlen kann. Dann hätte er eine Bearbeitungsgebühr von 115,26
       Euro noch zu entrichten gehabt, und 1.396,55 Euro Zinsen, Laufzeit 84
       Monate, das sind sieben Jahre. Also vorher wären es 3.100 Euro gewesen, und
       mit allem, nach 84 Monaten, hätte er dann 5.354,94 zurückzuzahlen gehabt.
       Das muss man sich mal vorstellen! Ich habe ihm natürlich abgeraten. Die
       Kollegin bei der Bank war sehr erbost. Ich war bei diesem Gespräch dabei.
       Das wäre ein Schnäppchen, hat sie noch gemeint. Und ich sagte zu ihr: Also
       wenn es Schwierigkeiten gibt mit dem Konto von Herrn X, dann machen wir
       jetzt eine Überweisung, gleich von meinem Konto! Da war sie natürlich noch
       erboster. Die Dame wollte nur diesen Kreditabschluss und sonst nichts. Ich
       habe ihr dann gesagt, schaun Sie doch mal rein in sein Konto. Jetzt, am 5.,
       wird ein Vertrag fällig, und das sind 6.000 Euro, die da auf sein Girokonto
       gehen werden. Damit ist glatt alles ausgeglichen. Das hätte sie sehen
       müssen. Aber sie wollte es nicht sehen. Wollte nur diesen Kredit verkaufen.
       Also das ist nicht mehr meine Bank!
       
       Ich bin, ehrlich gesagt, sehr skeptisch geworden. Ich sehe nicht, dass man
       etwas lernt, dass sich etwas bessert. Im Gegenteil. Und was noch auf uns
       zukommt, jetzt mit der Krise vielleicht eine Inflation, ich weiß es nicht.
       Im Grunde genommen hatten wir bereits eine Inflation. Mit der Umstellung
       von der D-Mark auf den Euro hat die sich ja eingeschlichen. Auch wenn das
       bestritten wird. Die meisten Preise haben sich verdoppelt. Denn wenn Sie
       mal schauen, beim Essengehen, da zahlen Sie heute für ein einfaches Gericht
       so um 12 Euro. Das sind 24 DM, das hat man doch damals nicht für ein
       Mittagessen ausgegeben! Oder ein Getränk, eine Apfelschorle oder ein Bier,
       kostet 3,20 Euro, 0,4 Liter! 6,40 Mark für so ein Getränk, oder 2 Mark für
       eine Kugel Eis, keiner hätte gewagt, das zu verlangen. Also es sind ja die
       kleinen, alltäglichen Dinge, die uns zu schaffen machen. Ein Ende ist nicht
       abzusehen.
       
       26 Jul 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Goettle
       
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