# taz.de -- Heavy-Metal-Band Spinal Tap: Parodie ihrer selbst
       
       > Seit 25 Jahren steht die amerikanische Band Spinal Tap auf der Bühne.
       > Dabei ist sie nur das erstaunlich langlebige Produkt einer Filmparodie
       > auf das Rockgeschäft.
       
 (IMG) Bild: Seit einem Vierteljahrhundert eigentlich eine Parodie aufs Musikgeschäft: Die Heavy Metal Band "Spinal Tap".
       
       Der Auftrag war klar: Verlange im Soho Metropolitan Hotel in Toronto nach
       einem gewissen David Plutarch. Gar nicht klar aber war, wer dann,
       sechseinhalbtausend Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Planeten,
       abnehmen würde: Michael McKean oder David St. Hubbins?
       
       Michael McKean ist Schauspieler. David St. Hubbins ist die Filmrolle, die
       ihn verfolgt. Dazwischen zu trennen, das fällt mittlerweile selbst McKean
       schwer. Oder St. Hubbins. Je nachdem, wen man fragt. Im Laufe des Gesprächs
       jedenfalls fällt der eine immer mal wieder aus der Rolle, nur um sofort
       wieder in den anderen hineinzuschlüpfen, sobald eine Frage zu den
       Hintergründen gestellt wird.
       
       Das symbiotische Verhältnis der beiden begann vor 25 Jahren. "In This Is
       Spinal Tap" porträtierte McKean den Sänger einer fiktiven Heavy-Metal-Band.
       Der Film imitierte den Stil einer Rockmusik-Dokumentation und folgte der
       Band, die sich nach einem unangenehmen medizinischen Eingriff - der
       Lumbalpunktion - benannt hatte, auf Tournee durch die USA.
       
       Unter der Regie von Rob Reiner, der sich selbst als fiktiven
       Dokumentarfilmer Marty DiBergi ins Bild rückt, improvisierten McKean und
       seine Kollegen Christopher Guest als Gitarrist Nigel Tufnel und Harry
       Shearer als Bassist Derek Smalls die Dialoge.
       
       Auch die Handlung war eine eher lose Abfolge absurder Episoden: Mal
       verläuft sich die Band auf dem Weg zum Auftritt in den Gängen hinter der
       Bühne, mal kommt niemand zur Autogrammstunde im Plattenladen, und immer
       wieder enden Auftritte in peinsamen Situationen. "Unsere Geschichte", sagt
       in diesem Fall wohl der Spinal-Tap-Sänger St. Hubbins, "ist eigentlich eine
       moralische Warnung, die von Hybris und Erlösung handelt. Nur die ganze
       nackte Haut haben sie leider rausgeschnitten."
       
       Vielleicht wegen fehlender nackter Haut war "This is Spinal Tap", als der
       Film 1984 ins Kino kam, kein großer Erfolg beschieden. Der hauptsächliche
       Grund war aber wohl: Ein Großteil der Zuschauer durchschaute das Prinzip
       der "Mockumentary" (aus den englischen Wörtern "mock", also Fälschung, und
       "documentary" zusammengesetzt) nicht und nahm die angebliche
       Tour-Dokumentation für bare Münze.
       
       Doch in dem Vierteljahrhundert, das seitdem vergangen ist, haben sich der
       Film und die Band, die für ihn erfunden wurde, zum Kultobjekt entwickelt.
       Vor allem die späteren Video- und DVD-Editionen verkauften sich gut, in
       Programmkinos wird der Film immer noch gezeigt.
       
       Auf Webseiten analysieren Fans den Film mit philosophischem Rüstzeug oder
       tragen die fiktive Bandbiografie liebevoll bis ins letzte Detail zusammen:
       vor allem den rekordverdächtigen Verschleiß an Schlagzeugern, die mal durch
       einen "bizarren Unfall beim Gärtnern" aus dem Leben scheiden, mal an der
       eigenen Kotze ersticken oder gleich auf der Bühne explodieren.
       
       Auch in der Populärkultur hat die Parodie ihre Spuren hinterlassen: Wenn
       auf einer Tournee etwas schiefläuft, beschreiben es Rockstars wie Lars
       Ulrich von Metallica oder R.E.M.-Bassist Mike Mills wie selbstverständlich
       als "very Spinal Tap". Die Grunge-Band Soundgarden coverte regelmäßig die
       Gesäß-Hommage "Big Bottom", und die radikal ehrliche
       Was-Rockstars-wirklich-wollen-Nummer "Gimme Some Money" wurde gar von
       American Express für einen Werbespot verwendet.
       
       So füllen McKean und seine Kollegen bis heute immer wieder größere Säle,
       wenn sie sich in die viel zu engen Stretch-Hosen zwängen und noch einmal
       die alten Hits mit so schön schwachsinnigen Titeln wie "Tonight Im Gonna
       Rock You Tonight" oder "Lick My Love Pump" aufführen. 2007 nutzten sie die
       große Bühne des Live-Earth-Konzerts und rockten mit "Warmer Than Hell"
       gegen den Klimawandel.
       
       "Wir sind eigentlich kein Kult", sagt dazu der Schauspieler in St.
       Hubbins/McKean, "wir sind eher eine schlechte Angewohnheit. Die Leute
       fühlen sich zu uns hingezogen wie die Fliegen zur Scheiße."
       
       Zum Jubiläum brachten Spinal Tap nun mit "Back From The Dead" sogar ein
       neues Album heraus: Darauf finden sich nicht nur Klassiker, sondern sogar
       auch sechs neue Songs, die sich mit dem bekannten Humor der ewig alten
       Klischees der Rockmusik annehmen. Bei den Aufnahmen unterstützt wurden St.
       Hubbins, Tufnel und Smalls von Branchengrößen wie Keith Emerson, Steve Vai
       und Def-Leppard-Gitarrist Phil Collen.
       
       Beim Glastonbury Festival galten sie in diesem Jahr als einer der
       Höhepunkte, vielleicht auch weil Jarvis Cocker am Bass aushalf. Zum Konzert
       im Londoner Wembleystadion, Auftakt und zugleich großes Finale einer "One
       Night World Tour", kamen immerhin etwa 10.000 Leute.
       
       Vor allem unter Heavy-Metal-Fans ist der Film bis heute ein großer Lacher
       geblieben - obwohl es doch vor allem ihre langhaarigen Helden mit den
       Falsettstimmen und endlosen Gitarrensoli sind, die das Ziel des Filmspottes
       abgeben. St. Hubbins, oder in diesem Fall wohl eher McKean, hat eine
       Erklärung dafür: "Ich habe zwar nicht gerade die Erfahrung gemacht, dass
       Heavy-Metal-Fans die humorvollsten Menschen unter der Sonne sind, aber ich
       muss zugeben, sie haben ein sehr spezielles Verhältnis zum Leben - und zum
       Tod, vor allem zum Tod. Und jemand, der damit prahlt, sich mit den
       Günstlingen des Teufels herumzutreiben, der sollte schon einen gewissen
       Sinn für Humor haben."
       
       Dieser Humor hat die Zeiten offensichtlich gut überstanden. "Spinal Tap"
       ist nicht nur eine punktgenaue Parodie auf den Monsterrock der späten
       Siebzigerjahre, sondern funktioniert bis heute als ironische
       Auseinandersetzung mit den Auswüchsen der Entertainment-Industrie. Nie
       wieder wurden die Manierismen von Rockstars so zielgenau aufs Korn
       genommen, der Größenwahn zu Geld und Ruhm gekommener Musiker entlarvt.
       
       So treffend war die Parodie, dass Gitarrengott Eddie van Halen dereinst
       gestand, dass er bei der ersten Ansicht des Films beim besten Willen nicht
       erkennen konnte, was daran lustig sein sollte: "Alles, was in dem Film
       geschieht, war mir schon passiert." Und Aerosmith-Gitarrist Brad Whitford
       berichtete, dass Sänger Steven Tyler den Film kein bisschen komisch fand.
       
       Die Fans von Aerosmith und ähnlich prätentiösen Rockbands sind bekanntlich
       anderer Meinung und schätzen den Humor von "Spinal Tap" als Erleichterung
       von der pompösen Ernsthaftigkeit ihrer Lieblingsbands. Eine Fortsetzung
       scheint nach diesem in 25 Jahren langsam gewachsenen Erfolg unvermeidlich.
       "Ein Sequel?", stöhnt es am anderen Ende der Leitung, "da müssen Sie den
       Regisseur Marty DeBergis fragen." Das war dann wohl wieder David St.
       Hubbins.
       
       28 Jul 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
 (DIR) Thomas Winkler
       
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