# taz.de -- Ausgelieferter Ex-Waffenlobbyist Schreiber: Kein Prozess vor der Wahl
       
       > Kanada hat den Ex-Waffenlobbyisten Schreiber ausgeliefert. Er soll bis
       > 1995 illegal an Politiker gespendet zu haben. Er droht mit Enthüllungen.
       > Doch es dauert, bis der Prozess beginnt.
       
 (IMG) Bild: Schreiber über Schäuble: "Den lasse ich in ein so tiefes Loch fallen, dass man den Aufprall nicht mehr hört."
       
       Der Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft, Reinhard Nemetz, hatte schon
       fast den Glauben aufgegeben, seinen prominentesten Kunden noch in
       Deutschland in Empfang nehmen zu können. "Ich hoffe, dass ich es noch
       erlebe", hatte er schon vor einiger Zeit gesagt, als sich der international
       operierende Lobbyist Karlheinz Schreiber mit Hilfe seines fintenreichen
       kanadischen Anwalts Eddie Greenspan wieder einmal mit einem Trick der
       Auslieferung aus Kanada entzogen hatte.
       
       Seit Montag ist Nemetz in seinem Glauben an die Gerechtigkeit bestärkt
       worden. Ein Flugzeug mit Schreiber an Bord landete am Morgen auf dem
       Flughafen, der den Namen jenes Mannes trägt, mit dem die Eskapaden des
       mutmaßlichen Steuerhinterziehers und Betrügers eng verbunden sind: Franz
       Josef Strauß. Am Mittag saß Schreiber in einer neun Quadratmeter großen
       Zelle des Augsburger Gefängnisses. Ihm drohten bis zu 15 Jahren Haft, sagte
       Nemetz. Die Freude der Staatsanwaltschaft, des seit zehn Jahren gesuchten,
       mittlerweile 75-jährigen Schreibers endlich habhaft geworden zu sein, wird
       vermutlich nicht überall geteilt - sicher nicht von den
       Strauß-Nachkömmlingen in der bayerischen Regierung und in der CSU.
       
       Darauf deutet auch der letzte Trick hin, mit dem der frühere Chef einer
       Firma für Fahrbahnmarkierungen aus Kaufering in Oberbayern mit engen
       BND-Kontakten die Auslieferung doch noch zu verhindern suchte: Die SPD
       wolle sich durch seine Auslieferung Vorteile im Wahlkampf verschaffen,
       lamentierte Schreiber. Da waren sie wieder, seine Drohungen, mit denen er
       jahrelang die deutsche Politik in Atem gehalten hatte. Sie verdankt
       Schreiber einen veritablen Spendenskandal der CDU, weil er 1991 für deren
       Schatzmeister Walter Leisler-Kiep nach einem Panzergeschäft mit
       Saudi-Arabien 500.000 Euro in bar locker machte. Er behauptete, dem
       CDU-Politiker Wolfgang Schäuble persönlich eine Wahlkampfspende in Höhe von
       50.000 Euro gegeben zu haben, was dieser bis heute bestreitet.
       
       Schreiber reagierte auf Schäubles Leugnen mit den Worten: "Den lasse ich in
       ein so tiefes Loch fallen, dass man den Aufprall nicht mehr hört."
       Überhaupt fühlte er sich in Kanada "wie die Katze auf der Kiste mit Mäusen,
       und ich überlege mir, welche ich zuerst fresse". Auf Schweizer Tarnkonten
       hatte er Millionenbeträge für den früheren Staatssekretär im
       Bundesverteidigungsministerium und Musterschüler von Franz Josef Strauß,
       Holger Pfahls, sowie für deutsche Manager deponiert, die ihm bei seinen
       Geschäften geholfen haben sollen. Da sich alle von den Konten bedient
       hatten, wurden sie wegen Steuerhinterziehung, Pfahls auch wegen
       Bestechlichkeit, verurteilt. Auch der Exstaatssekretär war jahrelang auf
       der Flucht, bis er in Paris von Zielfahndern gefasst werden konnte. Nur Max
       Strauß, der Sohn von Franz Josef Strauß, dem die Staatsanwaltschaft ein mit
       2,5 Millionen Euro gefülltes Konto mit dem Code "Maxwell" zurechnete,
       erwirkte in zweiter Instanz einen Freispruch, nachdem er zunächst zu drei
       Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Er hatte auf das
       Geld, das im Zusammenhang mit dem Verkauf von Airbusflugzeugen an Kanada
       und Thailand geflossen sein soll, niemals zugegriffen. Schreiber soll bei
       dem Deal an die 25 Millionen Euro verdient und nicht versteuert haben.
       Erstaunlich war die Begründung, mit der der Bundesgerichtshof 2005 dem
       Landgericht Augsburg den Freispruch für Strauß junior nahe legte: Die erste
       Instanz habe nicht hinreichend untersucht, ob das Geld nicht für Franz
       Josef Strauß selbst bestimmt gewesen sei. Der war damals internationaler
       Airbus-Verwaltungsratschef und laut Bundesgerichtshof an dem Geschäft
       "maßgeblich" beteiligt. Möglicherweise sei Sohn Max nur auf dem "Weg der
       Erbfolge" zu den Provisionen gekommen.
       
       Für die CSU, deren Chef, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer,
       gerade zur umfassenden Versöhnung mit dem grollenden Strauß-Clan aufgerufen
       und die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier rehabilitiert hat, kommt der
       Steuerflüchtling aus Kanada denkbar ungünstig. Die Frage, warum Schreiber,
       bis zu seinem Ausschluss CSU-Mitglied, die CDU reichlich abgefüllt und die
       CSU vernachlässigt haben sollte, ist immer noch offen. Schreiber hatte
       gewarnt, die SPD könne Vorteil aus seiner Überstellung nach Deutschland
       schlagen. Allerdings werde der Prozess nicht vor der Bundestagswahl am 27.
       September beginnen und voraussichtlich Monate dauern, sagte
       Oberstaatsanwalt Nemetz gestern.
       
       Bei der Vernehmung durch den Parteispenden-Untersuchungsausschuss des
       Bundestags in Toronto hatte Schreiber Andeutungen über eine
       "CSU-Kriegskasse" gemacht, aber nichts Beweiskräftiges geliefert. Der
       angebliche Geldempfänger auf Seiten der CSU, Vorstandsmitglied und
       Parteijurist Franz Dannecker, ist schon lange tot, andere Zeugen nannte
       Schreiber nicht. In den CSU-Büchern fand sich nichts von illegalen Spenden.
       Aber auch dazu hatte der Bundesgerichtshof 2005 Skepsis geäußert. Es liege
       "die Möglichkeit nicht gänzlich fern, dass die Maxwell-Beträge für eine
       Unterstützung der CSU bestimmt gewesen sein könnten".
       
       Im Prozess gegen den Geschäftsmann, dem heute der Haftbefehl überstellt
       werden soll, wird auch noch ein Skandal im Skandal anklingen. Bei ihren
       Ermittlungen waren die Augsburger Staatsanwälte, vor allem der
       unerschrockene Winfried Maier, massiv behindert worden. Haftbefehle wurden
       angehalten, die Vernehmungen des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und
       anderer Politiker verhindert, das Schreiber-Verfahren sollte zerschlagen
       werden, und Maier und seinem Mitstreiter von der Steuerfahndung, Winfried
       Kindler, wurde vorgeworfen, eigenwillig und unkooperativ zu sein. Dem
       gemobbten Maier blieb nichts anderes übrig, als auf einen Richterposten zu
       wechseln.
       
       3 Aug 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Stiller
       
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