# taz.de -- die wahrheit: Dichter auf dem Trecker
       
       > Bauernfreud und Bauernleid: Der furchige Bio-Humor des Matthias
       > Stührwoldt.
       
       Der Biobauer Matthias Stührwoldt aus Stolpe bei Plön veröffentlicht,
       seitdem er einen 107-Hektar-Hof mit 60 Kühen bewirtschaftet, regelmäßig
       Gedichte und Geschichten in der Unabhängigen Bauernstimme, einer linken
       Monatszeitschrift, die sich mit der EU-Agrarpolitik und dem bäuerlichen
       Alltag beschäftigt. Aus Stührwoldts Nebentätigkeit sind bisher vier Bücher
       entstanden, aus denen der 41-jährige auf meist ländlichen Veranstaltungen
       vorliest. Einige Hörbücher zeugen bereits davon.
       
       Es gibt nicht viele Bauern, die nebenbei noch Schriftsteller und
       Unterhalter sind, erst recht nicht solche, die ausschließlich von ihrem
       Hof, ihrer Familie, ihren Tieren und ihrem Ackergerät erzählen - und dabei
       doch die ganze Welt auf dem Kieker haben. Stührwoldt ist Milchbauer, den
       Milchbauern geht es derzeit schlecht. Auch Stührwoldt klagt über den
       Preisverfall bei der Milch infolge des Überangebots - unter anderem mit
       einem selbstverfassten "Cattle Blues". Er kann auch singen. Und er erzählt
       dazu eine Geschichte über seine Lieblingskuh "Schwarzer": Sie bringt zwar
       kaum Milchgeld ein, "auf der ,Euro-Tier' wird sie jedoch mit Sicherheit
       Sieger werden, wenn die Kuh mit der niedrigsten Leistung und der flachsten
       Laktationskurve prämiert wird!"
       
       Selbst aus noch gröberen Missgeschicken im landwirtschaftlichen Alltag
       schnitzt Stührwoldt selbstironisch eine Kolumne nach der anderen. Dieser
       Bauer macht den Eindruck, als wäre er mit sich und der Welt im Reinen -
       jedenfalls im kleinen Ganzen. Seltsamerweise gehört er auch noch zu denen,
       die ihre E-Mails innerhalb von zehn Minuten beantworten. Es kam deswegen
       bereits der Verdacht auf, dass er ein Indoor-Bauer sei. Einer, der seine
       funk- und GPS-gesteuerten Geräte vom Büro aus mit dem Joystick über die
       Äcker lenkt. Dagegen sprachen seine Geschichten: "Die Erfindung des
       Melkroboters" und "Der Düngerstreuerkomplex".
       
       Nein, die Wahrheit war technologisch einfacher, wie sich dann
       herausstellte: Stührwoldt sitzt oft und gern auf seinem Trecker - ein
       Fendt: der Mercedes unter den Zugmaschinen. Früher ist er damit abends
       sogar zur Disco und auf die Partys der Landjugend gebrettert, mit einem
       Strohanhänger hintendran.
       
       In seinem ersten Buch "Verliebt Trecker fahren" erzählt er, wie er einmal
       mit der jungen Buchhändlerin Frida nach einer Party darin übernachtete und
       sie ihm mit dem Satz "Ach, dein Fendt ist soo stark" in die Arme sank. Das
       war noch während seiner Lehrzeit auf einem Biohof, von der sein Vater ihm
       schärfstens abgeraten hatte: "Die kommen vor Hunger nicht in den Schlaf."
       Als eine Hofbesichtigung anstand, versuchte der Autor ihn dennoch zu
       überreden, sich das mal anzugucken: "Und was ist, wenn mich jemand
       erkennt?", wich der aus. Sein Sohn entgegnete: "Vater, du gehst nur auf
       einen Biohof, nicht in einen Sexshop!"
       
       Nachdem Stührwoldt den Hof seines Vaters vor zehn Jahren übernahm, sitzt er
       auf seinem eigenen Fendt und hört Deutschlandfunk: bloß "keinen hirnlosen
       Privatsender, dabei kommt man nicht zum Denken. Zum Einfallenlassen neuer
       Texte gibt es ansonsten nichts Besseres als anspruchsarme Arbeiten auf dem
       Trecker." Anscheinend ist sein Fendt inzwischen auch noch mit einem iPhone
       ausgerüstet, um beispielsweise E-Mails zu beantworten. Es gibt darüber
       keine Geschichte von ihm, wahrscheinlich, weil er seinen elektronisierten
       Kindern gegenüber gern den "naturverbundenen Landmann" herauskehrt - mit
       Nacktbaden im nahen See, Wollmütze auf dem Kopf bei der Arbeit, einem Hass
       auf Bewegungsmelder und dem Verdacht, dass alle (Rinder-)Züchter Rassisten
       sind.
       
       Von einem seiner fünf Kinder bekam er zu Weihnachten einen "Gutschein für
       einmal Gameboy-Konfiszieren" geschenkt. Seine älteste Tochter ist
       mittlerweile "selbsternannte Gleichstellungsbeauftragte" auf dem Hof.
       Seitdem werden auch die Bullenkälber benamt. Und weil er seine Frau Birte
       in seinen Büchern immer "Die Liebste" nennt, oder vielleicht auch trotzdem,
       trägt sie gern ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Die Liebste" bei der Arbeit.
       Ein Gedicht handelt zum Beispiel vom Spazierengehen mit ihr: "weit kucken
       kann man nicht / überall Mais / doch die zarte Hand der Liebsten / fühlt
       sich gut an / in meiner Pranke … wir kommen beim Nachbarn vorbei / er
       mischt gerade Futter / ,Na, haben sie dich zweckentfremdet?' / ruft er mir
       zu." Auf Mallorca notierte er: "Hier müsste man mal Steine sammeln / und
       herrje! / um all die Mandel- und Olivenbäume / rumzupflügen / macht
       bestimmt auch keinen Spaß …" Seinen Spaß hat er dann doch lieber beim
       Dichten auf seinem Trecker - während dieser die endlos-geraden deutschen
       Furchen zieht.
       
       10 Aug 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Helmut Höge
       
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