# taz.de -- Jahrestag des Mauerbaus: Frische Blumen und Theaterblut
       
       > Am 48. Jahrestag des Mauerbaus werden jede Menge Kränze nieder gelegt.
       > Nur auf dem Potsdamer Platz gibt es kein stilles Gedenken. Hier knallen
       > Schüsse.
       
 (IMG) Bild: Wowereit gedenkt in der Bernauer Straße dem Mauerbau 1961
       
       Die Offiziellen: 23 Kränze liegen vor der rostigen Wand an der Gedenkstätte
       Bernauer Straße. Weiß-rot ist der Kranz des Abgeordnetenhauspräsidenten.
       Lila-gelb der der FDP. Violett der der Linken. Angela Merkel und die
       Bundestags-SPD vertrauen offenbar demselben Floristen. Und der steht auf
       Rot-Gelb.
       
       Die dazugehörigen Würdenträger sind um kurz vor 11 Uhr noch in der Kapelle
       der Versöhnung. Ein älteres Paar legt eine Blume ab. Anfang der 70er-Jahre
       hätten sie selbst versucht, aus der DDR zu fliehen, erzählt der Mann. Dafür
       habe er zwei Jahre gesessen. Blumen bringe er jedes Jahr am 13. August.
       "Die 5 Euro sollte das einem wert sein", meint er. Seine Blume wird die
       einzige private bleiben neben den Kränzen der Offiziellen.
       
       Dann tritt eine lange Reihe von Volksvertretern vor die Mauer, darunter der
       Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), CDU-Landeschef Frank Henkel,
       Bundestagvizepräsidentin Petra Pau (Linke). Jeder zupft an seinem Kranz,
       schweigt eine Minute und geht wieder. Im Hintergrund wird ein
       CDU-Transparent entrollt. "SED/PDS/Linke - Betrug mit System" steht darauf.
       "Die Junge Union war auch schon mal kreativer", meint Petra Pau.
       
       Die Musikalischen: 14 Kränze liegen um 12 Uhr am Mahnmal für Peter Fechter
       in der Zimmerstraße. Das Gedenkpublikum ist nahezu identisch. Nur Wowereit
       wird hier von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD)
       vertreten. Das Polizeiorchester Brandenburg spielt die Nationalhymne. Am
       größten Kranz in der Mitte zupft Mathias Döpfner, Chef des Springer
       Verlags, in dessen Nachbarschaft Fechter 1962 im Mauerstreifen verblutete.
       Sofort nach einem Interview für bild.de schaltet er zurück aufs
       Tagesprogramm: "Was von unserer Frühstücksbesprechung war noch offen
       geblieben?", fragt er eine Begleiterin.
       
       Die Theatralischen: Kränze gibt es keine um 13 Uhr am Potsdamer Platz. Vor
       den sechs Mauerteilen steht Carl-Wolfgang Holzapfel. Er ist Chef der
       "Vereinigung 17. Juni", stellvertretende Vorsitzender der "Vereinigung der
       Opfer des Stalinismus" (VOS), war mal bei der CDU, bei der FDP, bei den
       Republikanern, bei der CSU. Immer "Kämpfer gegen die Mauer", wie er selbst
       sagt.
       
       Zwei Männer und eine Frau in rot gesprenkelten T-Shirts versuchen die Mauer
       zu erklettern. Dann sind Schüsse zu hören - aus einem Gettoblaster. Die
       drei sinken zu Boden, Theaterblut fließt aus ihren Mündern. Holzapfel
       verliest derweil die Namen der 136 Mauertoten. Zu jedem erklingt eine neue
       Salve.
       
       Das "demonstrative Szenarium" richtet sich gegen Schauspieler, die hier für
       Geld DDR-Visa in Touristenpässe stempeln. Das findet Holzapfel zwar
       akzeptabel, auch dass sie heute russische Uniformen tragen, doch wenn sie
       wie sonst als DDR-Grenzer auftreten, sei das unerträglich. "Denn die haben
       Menschen erschossen", sagt Holzapfel.
       
       "Wir sind die Einzigen, die hier jeden Tag den Touristen die Geschichte
       erklären", verteidigt sich einer der Uniformierten. Da haben sie ihre
       DDR-Fahne schon eingerollt. Später bauen sie ihren ganzen Stand ab.
       
       Auch die VOS-Show sei Theater - aber politisch, so Holzapfel. Wenn der
       kommerzielle Schauspieltrupp das VOS-Geballer nachspielen würde, würde er
       erst recht protestieren.
       
       EIN GRENZSOLDATSPIELER VERTEIDIGT DIE KOMMERZIELLE ERTEILUNG VON
       
       DDR-VISA AN TOURISTEN
       
       14 Aug 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gereon Asmuth
       
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