# taz.de -- Kolumne Politik von unten: No-go-Area
       
       > Ich bin keine weiße Deutsche. Das reicht, um mich in Gefahr zu bringen.
       > Sogar in einem Landgericht.
       
       Ich bin keine Muslimin, keine Ägypterin und keine Apothekerin. Auf den
       ersten Blick habe ich nicht viel gemeinsam mit Marwa El Sherbini. Aber der
       Mord an ihr hat mich hart getroffen, und das Thema ist für mich noch lange
       nicht abgehakt.
       
       Ich warte nämlich darauf, dass Angela Merkel sich bei mir entschuldigt. Für
       die Bedingungen, die es Alexander W. möglich gemacht haben, eine Kopftuch
       tragende Muslimin ganz selbstverständlich zu beschimpfen, und dafür, dass
       eine Frau aus rassistischen Gründen ermordet werden kann, ohne dass ein
       Aufschrei durch Presse und Politik geht. Das ist nur möglich in der
       rassistischen und islamophoben Atmosphäre, die von Politik und Medien in
       diesem Lande geduldet, ja gefördert wird.
       
       Unter diesen Bedingungen lebe ich ebenfalls - nicht weniger gefährdet als
       die Ermordete. Ich bin keine weiße Deutsche. Und das reicht. Es gibt Orte
       und Landstriche, wo meine körperliche Unversehrtheit nicht gewährleistet
       ist, genauer gesagt, wo der Staat sich nicht die Mühe macht, sie zu
       schützen. Ich mag zum Beispiel bizarre Berge, ich würde gerne mal in die
       Sächsische Schweiz, aber das wäre ein idiotisches Unterfangen mit meiner
       Hautfarbe. Bisher dachte ich, nur der Besuch sächsischer Dörfer könnte
       gefährlich sein. Aber nein, das gilt offenbar auch für das Landgericht
       Dresden. Der deutsche Staat kann seine nichtweißen Einwohner nicht einmal
       im Gerichtssaal vor Nazis schützen?!
       
       Ein Detail ist für mich besonders entlarvend: Als El Sherbinis Mann ihr zu
       Hilfe eilte, wurde er von einem Polizisten niedergeschossen. Klar, wenn ein
       Weißer und ein Araber miteinander kämpfen, dann schießt ein aufrechter
       deutscher Beamter natürlich sofort auf den Araber.
       
       Gewalt wird hier auf drei Ebenen ausgeübt: einmal der Mord an sich. 18
       Messerstiche. Dann der unterschwellige Rassismus in diesem Land, der solche
       Morde - und den Schuss - überhaupt erst möglich macht. Und die Metaebene:
       Das Ganze wird ins Ausland verlagert - der Mörder sei eigentlich ein
       Russlanddeutscher (eine Art Ausländer) und das Opfer sowieso eine
       Ausländerin. Irgendwie hat der Mord nicht so richtig was mit Deutschland zu
       tun. Hier, in diesem Land, muss also gar nichts unternommen werden.
       Entschuldigt hat sich Frau Merkel nur bei den Ägyptern.
       
       Das ist eine Unverschämtheit. Was ist denn mit uns, allen anderen schwarzen
       Deutschen und People of Color, die wir hier leben? Die wir Tag für Tag mit
       Rassismus zu kämpfen haben; die wir versuchen, aufklärend und positiv auf
       unsere Umgebung einzuwirken, und die wir jetzt feststellen, dass für Marwa
       El Sherbini selbst das Landgericht eine No-go-Area war? Doch kein Politiker
       zieht Konsequenzen aus diesem Mord oder aus den weiteren mehr als hundert
       rassistisch motivierten Morden, die seit der Wiedervereinigung verübt
       wurden. Jeder Mörder wird zum "Einzeltäter" erklärt, jede Tat zur
       "Einzeltat". Und wenn alle diese Morde lediglich Einzeltaten von verrückten
       Einzeltätern sind - tja, dann braucht man auch gar nichts dagegen zu tun.
       
       22 Aug 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sheila Mysorekar
       
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