# taz.de -- Government 2.0: Demokratie im Internet
       
       > In Deutschland soll zusammenfinden, was für viele schon lange
       > zusammengehört: Internet und Demokratie. Einige Experten sind skeptisch.
       
 (IMG) Bild: Mitmachen erwünscht: Auf der Seite des Bürgerhaushalts Hamburg.
       
       Motivierte Bürger können schon länger über Onlineportale bei Entscheidungen
       in Politik und Verwaltung mitmischen, zumindest auf kommunaler Ebene. Wenn
       es nach Franz-Reinhard Habbel vom Deutschen Städte- und Gemeindebund geht,
       wird das allerdings noch zunehmen. „Das Web 2.0 wird die öffentliche
       Verwaltung in den nächsten Jahren radikal verändern“, sagt er.
       
       Am Freitag haben sich in Berlin Vertreter kommunaler Verwaltungen mit
       Softwareunternehmern getroffen und darüber diskutiert, wie Verwaltung und
       Politik mit Hilfe des Internets die Bevölkerung stärker einbinden können.
       
       In über 100 Gemeinden gibt es bereits internetbasierte Bürgerhaushalte. Auf
       einer Webseite ihrer Gemeinde können Bürger ihre Meinung dazu abgeben, für
       was die Verwaltung Geld ausgeben soll. [1][Beispiel Hamburg]: Die
       Verwaltung legte dieses Jahr 12 Haushaltsposten fest und schlug Budgets
       vor. Der Nutzer konnte mit einem Schiebebalken die Beträge erhöhen oder
       verringern. Außerdem konnten sie auf dem Diskussionsforum eigene Vorschläge
       einbringen. 600 Nutzer registrierten sich 2009. Die endgültige Entscheidung
       über den Haushalt blieb dennoch bei dem Parlament.
       
       Es ist eins von mehreren Projekten, die unter dem Begriff Government 2.0
       laufen. Ein anderes ist Maerker-Brandenburg: Anwohner können Schlaglöcher
       und ähnliches auf einer Plattform posten und nachverfolgen, ob die
       Verwaltung den Hinweis bearbeitet.
       
       Doch nicht alle lassen sich von diesem Trend zu Jubelstürmen hinreißen.
       Markus Beckedahl, Betreiber von Netzpolitik.org, weist auf Probleme in der
       deutschen Entwicklung hin. „In Deutschland wird Government 2.0 von der
       Industrie vorangetrieben“, sagt er. In den USA und in Großbritannien
       schieben die Regierungen und Verwaltungen die Entwicklung an, indem sie die
       Datenbanken öffnen. Auf [2][data.gov] stellt die US-Regierung Datenbanken
       zu Steuereinnahmen, Gesundheitswesen und vielen anderen Themen online.
       Programmierer können an die Datenbanken andocken und neue Anwendungen
       entwickeln. Dieses Vorgehen wünscht sich Beckedahl auch für Deutschland.
       
       Annette Mühlberg betreut für Verdi den Bereich E-Government, ihrer Ansicht
       nach birgt die Situation in Deutschland Gefahren. Sie befürchtet eine
       „Privatisierung des öffentlichen Datenschatzes“: Weil die Verwaltung selber
       noch nicht über das technische Wissen verfügt, preschen in Deutschland
       Softwareunternehmen vor.
       
       Gut zu sehen war das auch an dem Government 2.0 Camp. Initiiert hat das
       Camp Anke Domscheit. Sie ist bei dem Softwarehersteller Microsoft
       Deutschland Direktorin für Regierungsbeziehungen. Sie macht sich auch auf
       dem Blog gov20.de für administrative Innovation stark. Die Internetseite
       ist wiederum zugelassen auf Public One, eine Firma, die sich darauf
       spezialisiert hat, Kommunen bei der Modernisierung ihrer Verwaltung zu
       beraten.
       
       Annette Mühlberg von Verdi sieht in der Rolle der Unternehmen eine Gefahr.
       „Die öffentliche Hand müsste selbst das geeignete Fachwissen haben“, sagt
       sie. Sonst, so fürchtet sie, könne es Konflikte zwischen
       Unternehmensinteressen und Gesellschaftsinteressen geben.
       
       „Da sind sicherlich Gefahren“, gibt Habbel zu. „Aber entscheidend ist, dass
       wir uns mit dieser Frage beschäftigen: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.“ So
       entspannt sieht es Mühlberg nicht. Sie warnt davor, Monopole bei
       staatlicher Verwaltungssoftware entstehen zu lassen. Dass gerade Microsoft
       mitmischt stimmt viele skeptisch. „Wenn man E-Government als Markt sieht,
       ist Microsoft der größte Player“, sagt Beckedahl. „Die werden ihre
       Programme nicht Open Source anbieten“, schätzt er.
       
       Anke Domscheit wiegelt ab. Microsoft sei strategisch nicht darauf
       ausgelegt, eine Monopolstellung zu gewinnen. Die eigenen Programmen seien
       inzwischen mit Open Source Anwendungen kompatibel. Außerdem sieht sie für
       die staatliche Unabhängigkeit kein Problem. Softwareunternehmen würden die
       Verwaltungen nur beraten.
       
       Der Bedarf auf Seiten der Verwaltungen ist da: „Wir betreten Neuland in der
       Frage der Staatlichkeit“ sagt Habbel. „Die Politik muss Kompetenz in diesem
       Bereich erst aufbauen.“
       
       Für 2009 und 2010 stellt der Bund 500 Millionen Euro bereit, um die
       Informations- und Kommunikationstechnik der Verwaltung auszubauen. 10
       Millionen Euro davon sind dafür gedacht, IT-Großprojekte zu steuern.
       Hierfür sollen laut einem Papier des Bundesbeauftragten für
       Informationstechnik zunächst externe Berater hinzugezogen werden. Auf lange
       Sicht soll jedoch eigenes Personal aufgebaut werden.
       
       31 Aug 2009
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.buergerhaushalt-hamburg.de/
 (DIR) [2] http://www.data.gov/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Salter
       
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