# taz.de -- taz-Anwalt Eisenberg zum "Bild"-Spot-Urteil: Denkwürdige Prozessgeschichte
       
       > Der taz-Anwalt erläutert die Strategie des Springer-Verlags bei seinem
       > Versuch, den taz-Werbespot zu unterbinden – und wie die taz sich dagegen
       > zur Wehr setzte.
       
 (IMG) Bild: "Gib mal taz": Zweiter Teil des von der "Bild"-Zeitung bekämpften Werbespots.
       
       1. a. Am 27. 10. 2005 erreichte die taz eine Abmahnung von Anwälten des
       Axel Springer Verlages, in dem diese die taz aufforderten, die seit August
       2005 gezeigten Filme nicht mehr zu verbreiten. Das Unterlassungsbegehren
       wurde zuvörderst auf Verstöße gegen markenrechtliche Bestimmungen gestützt.
       Die Werbung sei „rufausbeutend“, und „aufmerksamkeitsausbeutend“. Zudem
       verstießen, so das Schreiben, die Spots gegen Vorschriften des UWG, nämlich
       die Regelungen für vergleichende Werbung. Die taz sah keine Veranlassung,
       dieser gänzlich unsinnigen, nicht weiter begründeten Aufforderung zu folgen
       und hinterlegte eine Schutzschrift. In dieser wies die taz darauf hin, daß
       es sich gar nicht um eine Nutzung der Marke handelt, und daß keine
       Vorschriften des Wettbewerbsrechts verletzt werden, und führte das aus. Die
       taz wies ferner darauf hin, daß die Spots bereits seit August 2005
       verwendet wurde, ohne daß Springer das beanstandet hätte.
       
       b. Was die taz nicht wußte: Springer selbst war sich seiner Sache offenbar
       unsicher. Daher hatte er zunächst – am 19. 10. 2005 – bei einer
       unzuständigen Zivilkammer eine Unterlassungsverfügung „auf Vorrat“
       beantragt, die diese auch am 21. 10. 2005 erließ. Begründet wurde der
       Antrag damit, daß die „berühmte Marke“ Bild genutzt wurde, und weil die
       Spots das Ansehen der Bildzeitung verletzen. Erst nachdem das Landgericht
       dem Antrag stattgegeben hatte, mahnte Springer ab, unterließ aber die
       Zustellung der einstweiligen Verfügung bis zum 8. November 2005. Springer
       hatte es also in Wahrheit nicht eilig.
       
       c. Das Landgericht Hamburg hat in der daraufhin von der taz erzwungenen
       Hauptsachenklage, diesmal vor der zuständigen Kammer für Handelssachen 8.
       anerkannt , daß es sich nicht um eine „markenmäßige“ Nutzung handelt,
       meinte aber, Wettbewerbsrechte des Springer Verlages seien verletzt. Es
       hielt die Spots als vergleichende Werbung für unlauter, weil in ihr die
       Tatsachenbehauptung enthalten sei, die Bildzeitung stelle wesentlich
       geringere intellektuelle Ansprüche an ihre Leserschaft als die taz. Das
       Gericht meinte in den dargestellten Charakteren des Werbespots „sozial
       schwache und ungebildete Menschen“ zu erkennen. Das tat es, obschon die taz
       auf eine im Stern kolportierte Eigenerklärung des Axel Springer Verlages
       verwies („Stern“ Nr. 51 aus dem Jahr 2005). In dieser wird der
       Vorstandschef des Axel Springer Verlages damit zitiert, dass er gegenüber
       dem Bundeskartellamt geltend gemacht hat, dass die „Bild“-Leser … zum
       größten Teil älter und verhältnismäßig schlecht gebildet seien“.
       
       d. Das OLG hat angenommen, die taz überschreite mit dem Werbespot, auch
       wenn dieser durch Witz, Ironie und Sarkasmus geprägt sei, die Grenzen des
       wettbewerblich Zulässigen. Sie versuche, ihre Zeitung werblich
       herauszustellen, indem sie ein vernichtendes Bild von der trostlosen
       Sozialstruktur und den (fehlenden) intellektuellen Fähigkeiten eines
       typischen BILD-Zeitungslesers zeichne und damit die Leserschaft und die
       Zeitung der Klägerin ohne sachlichen Grund abqualifiziere. Das tat es,
       obschon die taz ausführlich die Markterhebungen über die soziale,
       berufliche, wirtschaftliche, edukative und familiäre Struktur der
       Leserkreise der Bildzeitung einerseits und der taz andererseits dargestellt
       hat.
       
       Das Argument, mit dem der BGH die Klage jetzt abgewiesen hat, findet sich
       bereits in der Schutzschrift der taz vom 1. 11. 2005!: Dort heißt es:
       
       Es handelt sich nicht um eine rufausbeutende, oder eine
       aufmerksamkeitsausbeutende Nutzung der Marke des Antragstellers.
       
       Die Marke wird einmal im Zusammenhang mit der Außenansicht eines
       Zeitungskioskes im Zusammenhang mit einem Zeitungsständer verwandt, auf dem
       zu lesen ist „BILD Dir Deine Meinung“ und eine Händlerschürze mit dem
       Signet der BILD, und zum zweiten in Form der Ausgabe einer Bildzeitung an
       den eine Zeitung „Gib ma Zeitung“ verlangenden Kunden.
       
       Zeitungskioske sehen in Deutschland so aus, wie die Trinkhalle aussieht.
       Wenn jemand einen Werbetrailer an einer Deutschen Zeitungsverkaufsstelle
       drehen will, hat er regelmäßig die Signets der marktmächtigen Bildzeitung
       im Blick. Diese ist in der Form, in er sie gezeigt wird, ubiquitär. Daher
       kann ein Wettbewerber, der an einer Verkaufsstelle von Zeitungen einen Film
       drehen will, diese Marke nicht umgehen. Sie ist prägend für das
       Erscheinungsbild jedes Zeitungsverkaufstelle, wie keine andere Zeitung.
       
       Auch soweit man unterstellen wollte, der Gattungsbegriff „Zeitung“ aus „Gib
       ma Zeitung“ würde als Synonym für die Bildzeitung verwendet, was aber an
       sich schon abwegig wäre, da es sich eben um einen Gattungsbegriff handelt,
       der Bestandteil jedes zweiten deutschen Zeitungstitels ist, und das Wort
       „Bild“, nicht aber das beliebige Wort „Zeitung“ prägendes Synonym für die
       „Bild-Zeitung“ ist, wird kein Ruf ausgebeutet oder eine nur über die Marke
       der Bildzeitung zu erreichende Aufmerksamkeit. Selbst wenn man das Synonym
       „Zeitung“ für bestimmend im Hinblick auf die „Bild-Zeitung“ halten wollte,
       wird dieses angesichts des Umstandes, dass an zahlreichen Verkaufsstellen
       überhaupt nur die Bildzeitung angeboten wird, in zulässiger, das heißt
       nicht unlauterer Weise genutzt. Die Werbung der Antragsgegnerin setzt sich
       von der Marktmacht der BILD gerade ab und weist daraufhin, dass ihre
       Zeitung nicht geeignet ist für alle denkbaren Zeitungsleserkreise, also
       allenfalls für eine Minorität der Leser geeignet ist. Damit spiegelt sie
       die tatsächlichen Verhältnisse an Deutschen Zeitungskiosken und
       Verkaufsstellen wieder, nutzt aber nicht fremden Ruf oder fremde Bedeutung
       und Aufmerksamkeit in unlauterer Weise aus, und beeinträchtigt auch nicht
       Marke oder wirtschaftliche Interessen des Antragstellers. Sie nutzt nicht
       die Qualität der Bild-Zeitung, oder deren Werbeanstrengungen für die eigene
       Zeitung aus, sie nutzt nicht die Marke für die Werbung für die eigene
       Zeitung. Qualitätsübertragung findet gerade nicht statt aus Sicht des
       Lesers, sondern eher Abgrenzung. Es wird auch nicht der Ruf des
       Antragstellers beeinträchtigt. Auch die Aufmerksamkeitsausbeutung ist der
       Antragsgegnerin nicht vorzuwerfen, da sie die Bildzeitung nicht herabsetzt.
       Außerdem ist die Verwendung in der Form, in der sie geschieht, nicht
       unlauter.
       
       Es handelt sich im übrigen bei der filmischen Darstellung überhaupt nicht
       um eine Markennutzung. Vielmehr bildet die Antragsgegnerin die reale
       Außenansicht eines Kioskes ab und den Erwerb einer Bildzeitung als Ausdruck
       eines Massengeschmacks. Daß der Betrachter auf die Idee kommen könnte, die
       Antragsgegnerin wolle die eigene Zeitung durch die Verwendung der fremden
       Marke fördern, also den Eindruck erwecken, diese Marke stehe für die eigene
       Zeitung, behauptet der Antragsteller selbst nicht. Eine markenmäßige
       Verwendung, wie sie die Vorschriften der §§ 14, 15 MarkenG voraussetzen,
       ist vorliegend nicht gegeben.
       
       2. Aus den vorstehenden Gründen ist auch kein Verstoß gegen die
       Vorschriften des § 6 UWG gegeben. Die Bildzeitung wird nicht herabgesetzt,
       auch werden die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der
       Antragstellerin nicht herabgesetzt oder verunglimpft. Es wird lediglich auf
       die Verschiedenheit möglicher Leserkreise und Interessen und darauf
       verwiesen, dass es sich bei der Antragsgegnerin nicht um eine Zeitung
       handelt, die breite Leserkreise anspricht (kein Massenprodukt), wie es etwa
       die Bildzeitung tut. Lauter ist die Werbung gerade, weil sie such auf Waren
       für den gleichen Bedarf bezieht (zwei Tageszeitungen), weil sie nicht zu
       Verwechselungen Anlaß gibt (niemand wird – das behauptet auch der
       Antragsteller nicht – annehmen, es handele sich um eine Werbung der
       Bildzeitung), und zwar weder in Ansehung der Zeitungen noch der Marke.
       
       Es wäre auch in sich widersprüchlich, einerseits eine rufausbeutende,
       jedenfalls aber eine aufmerksamkeitsausbeutende Benutzung aufgrund
       markenrechtlicher Vorschriften zu behaupten, andererseits aber auch die
       Regelungen zur vergleichenden Werbung in § 6 UWG, namentlich die
       Alternative in § 6 Abs.2 Nr.5 UWG zu bemühen. Denn § 6 Abs.2 Nr.5 UWG setzt
       voraus, dass die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen
       oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabgesetzt oder
       verunglimpft werden. Es hieße schon die Quadratur des Kreises gefunden zu
       haben, zugleich rufausbeutend wie auch herabsetzend zu werben.
       
       Aus den vorgenannten Gründen verstößt die Werbung auch nicht gegen die
       Markenrechte des Antragstellers.
       
       Sie ist nicht unlauter. Die Antragsgegnerin nimmt für sich die Rechte aus
       Art. 5 GG, Meinungsäußerungsfreiheit und Pressefreiheit in Anspruch. Sie
       ist ein Tendenzbetrieb. Sie darf sich auch mit anderen Printmedien,
       insbesondere solchen, die gleichsam an vielen Stellen als Monopolisten mit
       erklärter Meinungsmacht verstehen, in ein Verhältnis setzen.
       
       Das einstweilige Verfügungsverfahren wird den Axel Springer Verlag bis zu
       10.000.- € kosten, die Hauptsache in erster Instanz ca. 12.000.- €, die
       Hauptsache in zweiter Instanz ca. 13.000.- €, das Verfahren vor dem BGH ca.
       20.000.- €.
       
       2 Oct 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Eisenberg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Springer-Gegendarstellung: "Bild" kennt seinen Papst nicht
       
       Im Papst-Streit zwischen "Bild" und Bildhauer Peter Lenk erzwingt der
       Künstler eine Gegendarstellung. Lenk ist auch Urheber des Kunstwerks
       "Friede sei mit Dir" am taz-Gebäude.
       
 (DIR) taz gewinnt vor Gericht: Man darf über "Bild"-Leser lachen
       
       Der auf Betreiben des Springer-Konzerns verbotene taz-Kinospot ist wieder
       zu sehen. Im Streit vor dem Bundesgerichtshof siegte die taz gegen die
       "Bild"-Zeitung.