# taz.de -- Bertelsmann-Gründer gestorben: Abschied von einem Scheinlinken
       
       > Reinhard Mohn machte das kleine Druck- und Verlagshaus Bertelsmann in
       > Gütersloh zu einem internationalen Medienkonzern. Nach seinem Tod gilt es
       > für die Familie den Einfluss zu sichern.
       
 (IMG) Bild: Bertelsmann-Gründer Reinhard Mohn mit seiner Frau Elisabeth Mohn.
       
       BERLIN taz | Der "rote Mohn" ist tot. So haben sie ihn genannt, spätestens
       seit den 1970er-Jahren, als bei Bertelsmann die Gewinn- und
       Unternehmensbeteiligung für MitarbeiterInnen eingeführt wurde. Und noch
       eines der letzten Bücher von Reinhard Mohn trägt stolz den Titel "Die
       gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers". Bertelsmann und der
       Konzernpatriarch Reinhard Mohn, das waren, das sind die Guten, die nicht
       nur in die eigene Tasche, sondern auch für die Gesellschaft verdienen.
       
       Dieses Image wird im Konzern auch weiter eifersüchtig gehegt und gepflegt.
       Auch und gerade von Reinhard Mohns zweiter Ehefrau Liz. Und dieses Image
       hat Deutschlands größtem Medienkonzern mehr geholfen als alle technischen
       Neuerungen und Zukäufe durch die Jahrzehnte. Wirklich gestimmt hat es
       allerdings immer nur sehr bedingt. Denn auch die 1977 von Reinhard Mohn
       gegründete Bertelsmann-Stiftung hatte und hat neben allem
       gesellschaftlichen Mehrwert zuvörderst zwei etwas profanere Aufgaben: Die
       Stiftung, der mit 76,9 Prozent der Anteile mehr als zwei Drittel der
       Bertelsmann AG gehören, hilft erst einmal, Steuern zu sparen. Zudem
       erschließt sie dem Konzern durch ihre Studien und Projekte neue
       Geschäftsfelder. Und sie sorgt für ein politisches Klima, das zumindest
       nicht gegen die höchst weltlichen Interessen des Konzerns gerichtet ist.
       
       So ist das von der Bertelsmann-Stiftung ins Leben gerufene Centrum für
       Hochschul-Entwicklung (CHE) eben nicht nur ein Thinktank pro
       Studiengebühren. Sondern auch ein wesentlicher erster Baustein auf dem Weg
       von Bertelsmann zum Bildungsunternehmen, den Konzernvorstandschef Hartmut
       Ostrowski seit seinem Amtsantritt Anfang 2008 propagiert: "Bildung ist in
       unserer modernen Gesellschaft ein Megatrend", sagt Ostrowski im
       Spiegel-Interview, im "angloamerikanischen Raum" beschäftige sich
       Bertelsmann bereits "mit Anbietern, die Berufsausbildung etwa für
       Krankenschwestern oder Buchhalter anbieten". Und im nordenglischen West
       Riding managt die Bertelsmann-Tochter Arvato schon heute eine Kommune mit
       320.000 Einwohnern. Das Rathaus ist teilprivatisiert,
       Bertelsmann-MitarbeiterInnen betreuen Bürgerbüros, verwalten Steuern und
       zahlen Sozialleistungen aus. "Public-Private Partnership" nennt sich das.
       
       Und hierauf verstehen sich die Bertelsmann AG und ihre Stiftung bestens:
       "Die Bertelsmann Stiftung will frühzeitig gesellschaftliche
       Herausforderungen identifizieren sowie exemplarische Lösungsmodelle
       entwickeln und verwirklichen", heißt es zum Stiftungszweck. Anders als die
       meisten anderen Unternehmensstiftungen werden daher bei der Bertelsmann
       Stiftung nicht unabhängige Projekte Dritter gefördert - man arbeitet
       "ausschließlich operativ", wie es in der Satzung heißt.
       
       Das operative Geschäft der Stiftung mit den Wünschen des Konzerns in
       Einklang zu bringen, gelang Reinhard Mohn wohl nirgendwo so überzeugend wie
       im Kerngeschäft - den elektronischen Medien. Als sich Bertelsmann in den
       1990er-Jahren die Mehrheit an der RTL-Gruppe sicherte und das TV-Geschäft
       weiter ausbauen wollte, drohte der Konflikt mit den damals gültigen
       Konzentrationsvorschriften im Medienbereich. Wie gut, dass sich die
       Stiftung parallel um die "Medienordnung 2000" sorgte und hier mit der
       Politik äußerst erfolgreich Lösungsmodelle durchspielte. Seitdem galt die
       alte Faustregel, Bertelsmann sei irgendwie SPD-nah, was eigentlich nie
       wirklich stimmte - während der große mediale Widersacher Leo Kirch zu Recht
       im konservativen Lager verortet wurde.
       
       Offiziell hatte sich Reinhard Mohn da längst vom aktiven Vorstandsgeschäft
       verabschiedet: Der Patriarch hielt sich eisern an die konzerninterne
       Spielregel, nach der bei Bertelsmann für Führungskräfte schon mit 60 Jahren
       Schluss ist. Mohn wechselte zunächst an die Spitze des Aufsichtsrats, 1981
       dann zur Bertelsmann-Stiftung. Derweil baute er seine zweite Frau Liz
       langfristig zur Konzern-Mitlenkerin auf - und seine Kinder Brigitte und
       Christoph in die Unternehmensleitung ein.
       
       Daraus entspann sich ein Machtkampf mit den angestellten Topmanagern des
       Konzerns, der 2002 im Rauswurf des damaligen Bertelsmann-Vorstandschefs
       Thomas Middelhoff gipfelte: Middelhoff, der Bertelsmann zu den höchsten
       Gewinnen der Unternehmensgeschichte verholfen hatte, wollte aus dem nicht
       börsennotierten Familienunternehmen endlich einen global konkurrenzfähigen
       Weltkonzern machen, ihn für Anleger öffnen. In einem der seltenen Artikel
       Mohns war damals zu lesen, es sei "gefährlich, Manager zu haben, welche
       insgeheim ihre persönlichen Ziele im Unternehmen als vorrangig bewerten".
       Er, Mohn, sei "überzeugt, dass die weltweite Welle von wirtschaftlichen
       Zusammenbrüchen damit in Zusammenhang steht", schrieb der
       Bertelsmann-Patriarch in der Welt am Sonntag, sechs Jahre vor Middelhoffs
       Arcandor-Pleite. Künftig werde keine führende Position bei Bertelsmann mehr
       gegen den Willen der Familie besetzt, verfügte Mohn. Und leistete sich
       zusammen mit Liz 2006 den letzten großen Coup zum Machterhalt: Für
       astronomische 4,5 Milliarden Euro kaufte Bertelsmann ein Aktienpaket des
       belgischen Financiers Albert Frère zurück. Die Schulden des Deals wiegen
       heute noch schwer.
       
       Auch bei den Public-Private Partnerships lahmt der Konzern: Im fränkischen
       Würzburg, das als erste deutsche Stadt Dienstleistungen an Bertelsmann
       outsourcen wollte, ziert man sich seit einem Machtwechsel im Rathaus
       erfolgreich. Das 2007 begonnene Projekt "Würzburg integriert" liegt seit
       2008 auf Eis, "Würzburg frustriert", hatte die Main-Post schon vorher
       getitelt und berichtet, dass nirgendwo Fortschritte für die BürgerInnen zu
       verzeichnen waren.
       
       Doch Bertelsmann sieht optimistisch in die Zukunft, auch wenn der heutige
       Vorstandschef Ostrowski in diesem Jahr erstmals von Stellenabbau sprechen
       musste. Sich die Situation schöner zu reden, als sie ist, auch das gehört
       zur Tradition von Bertelsmann. Das weiß niemand besser als Reinhard Mohn,
       der zum wohl peinlichsten Kapitel der Unternehmensgeschichte den Konzern
       lange schweigen ließ. Es geht um die Legende von Bertelsmann als
       Widerstandsverlag unter dem Nationalsozialismus. Sie war schon gleich nach
       Kriegsende bemüht worden, um von den Allierten die so begehrten Lizenzen
       für neue Druckerzeugnisse zu erhalten. Wobei man sich als ein der
       Bekennenden Kirche nahestehender Verlag präsentierte, der 1944 sogar noch
       von den Nazis geschlossen worden war. Dass Bertelsmann neben durchaus
       christlicher Literatur in deutlichen größeren Mengen
       Wehrmachtssonderausgaben von kriegsverherrlichenden Büchern mit gutem
       Gewinn absetzte, geriet dagegen lange Zeit aus dem Blick. Genauso wie die
       Tatsache, dass das Unternehmen nicht etwa wegen Unterstützung des
       Widerstands, sondern wegen ganz banaler Schiebereien mit dem gegen
       Kriegsende immer knapper werdenden Rohstoff Papier mit den staatlichen
       Behörden aneinandergeriet. Aufgeflogen war das alles erst Ende der
       1990er-Jahre, doch Mohn reagierte klug: Eine renommiert besetzte
       Historikerkommission stellte 2002 zwei Wälzer vor, die die
       Bertelsmann-Geschichte ohne Beschönigung aufarbeiteten.
       
       Ein ursprünglich 2006 zum 85. Geburtstag von Reinhard Mohn geplanter Film
       in eigener Sache, der allerdings erst mit Verspätung fertig wurde, fällt
       dagegen wieder in die Geschichtsklitterung zurück: Im von
       Bertelsmann-Tochter Teamworx mit großem Staraufgebot produzierten
       Hochglanzstück spielt Sebastian Koch einen Reinhard Mohn, der stets das
       Gute will und gern mit den Angestellten einen draufmacht. Um der
       Gerechtigkeit Genüge zu tun: Im Film sagt der echte Mohn auch, dass es hier
       und da weniger um das Wohl der Menschheit ging als schlicht darum, Steuern
       zu sparen. Doch das Werk ist ohnehin nie öffentlich gezeigt worden, sondern
       wurde nur zur Bertelsmann-internen Erbauung gezeigt.
       
       Nun, nach dem Tod des Patriarchen am Samstag, muss sich Liz Mohn beweisen.
       Im Sinne von Reinhard Mohn gilt es Bertelsmann durch die Krise zu führen,
       ohne den Einfluss der Familie auf den Konzern aufzugeben. Wenn sie das
       schafft, hat sie ihren eigenen Film verdient.
       
       4 Oct 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
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