# taz.de -- Urheberrecht im Internet: Der Trick mit dem toten Briefkasten
       
       > Rapidshare-Server laufen den Internet-Tauschbörsen langsam den Rang ab.
       > Die Netzpiraterie 3.0 stellt die kulturverarbeitende Industrie vor völlig
       > neue und schier unlösbare Probleme.
       
 (IMG) Bild: Hat man den Link, kann man downloaden. Gegen Bezahlung funktioniert das sehr fix.
       
       Der Kampf gegen widerrechtliche Kopien von Musik, Filmen und Software wird
       immer aussichtsloser. 95 Prozent aller Downloads sind illegal, schätzt die
       Musikindustrie. Seit Jahren mühen sich die Anwälte der Medienindustrie ab,
       vor allem gegen Nutzer von sogenannten Internet-Tauschbörsen vorzugehen.
       Sie sind beliebte Verbreitungswege, um Musik, Software und Filme
       millionenfach unters Volk zu bringen.
       
       Doch der Datenfluss der Internet-Tauschbörsen ist häufig langsam und wer
       hier Urheberrechte verletzt, kann leicht entdeckt werden. In diesen
       virtuellen Tauschringen werden PCs mit Hilfe einer Software weltweit
       vernetzt, die auch das Kopieren von Dateien zwischen den PCs automatisch
       abwickelt. Auch in Deutschland wurden schon Tausende dieser Internet-Nutzer
       mit kostspieligen Abmahnverfahren überzogen, weil sie Urheberrechte
       verletzt haben.
       
       Die Tauschbörsen waren allerdings nur ein Vorgeschmack auf die
       Netzpiraterie 3.0, die die Medienindustrie jetzt im Internet erlebt. Denn
       Filme, Musik und Software stehen nun auf Servern zum Abruf bereit, von
       denen jedermann mit geringem Risiko und maximalem Komfort herunterladen
       kann. Dieser Albtraum für Urheber hat einen Namen: "Ein-Klick-Hoster".
       
       Filehoster wie "uploaded", "megaupload" oder "ultrashare" bieten
       Speicherplatz wie auf einer riesigen öffentlichen Festplatte an. Es sind
       tote Briefkästen, in denen Internet-Nutzer anonym, kostenlos und nahezu
       unbegrenzt Dateien hinterlegen und wieder abrufen können. Zu finden sind
       dort aber nicht nur Familienfotos oder Urlaubsvideos, sondern auch jede
       Menge urheberrechtlich geschütztes Material. Die Bedienung ist einfach: Ein
       Klick zum Hochladen, einer zum herunterladen. Wer eine Monatsgebühr von
       wenigen Euro bezahlt, kann dies mit maximaler DSL-Geschwindigkeit tun. Für
       die Ein-Klick-Hoster ist das ein Millionen-Geschäft.
       
       "Von unseren Servern laden zu jeder Tages- und Nachtzeit mehrere Millionen
       Nutzer gleichzeitig Dateien hoch oder herunter", sagt Bobby Chang, Chef des
       weltweit größten Ein-Klick-Hosters "Rapidshare". Die Rapidshare AG mit Sitz
       im schweizerischen Städtchen Cham hat sich innerhalb von drei Jahren in die
       Top 20 der am meisten besuchten Web-Seiten weltweit katapultiert.
       Rapidshares Internet-Leitungen können pro Sekunde mehrere hundert Gigabit
       Daten verschicken.
       
       Zur Zeit liegt Rapidshare noch vor ebay.com und amazon.com und etwa
       gleichauf mit google.de. "Auf unseren Servern befinden sich ständig mehr
       als 50 Millionen Dateien, die etwa 4,5 Millionen Gigabyte
       Festplattenspeicher belegen", sagt Chang, der die Dienstleistung seiner
       Firma mit dem Postgeheimnis vergleicht. "So wie die Post dürfen auch wir
       nicht automatisch jeden Inhalt durchsuchen, den unsere Kunden uns
       anvertrauen". Eine Kontrolle, was da alles verschickt wird, sei angesichts
       der schieren Masse nicht möglich: "Wir können keine Uploads kontrollieren -
       aus technischen und rechtlichen Gründen nicht", sagt Chang zum Ärger der
       Inhaber von Urheberrechten.
       
       Alexander Wolf von der Rechteverwertungsgesellschaft GEMA ist davon
       überzeugt, dass Rapidshare auf die Begehung von Rechtsverletzungen
       ausgelegt ist: "Rapidshare gehört heute zu den Top 10 der illegalen
       Anbieter weltweit. Hier wird wissentlich die illegale Vervielfältigung und
       Verbreitung von Urheberrechten, Filmwerken, Musikwerken unterstützt."
       
       Auch wenn viele Dateien auf den Rapidshare-Servern legal sind, bleibt der
       Sharehoster ein Schlaraffenland für Netzpiraten. Um es diesen aber nicht zu
       leicht zu machen, bietet Rapidshare selbst keine Suchfunktion an.
       Herunterladen kann eine Rapidshare-Datei nur, wer den genauen Dateipfad
       kennt. Diese Links sind aber über Google schnell zu finden. Wer etwa die
       den Namen des Pixar-Animationsfilmes "OBEN" mit dem Suchwort "Rapidshare"
       in der Suchmaschine kombiniert, bekommt 380.000 Treffer. In den
       Google-Ergebnissen findet man ohne große Umschweife Links, mit denen sich
       der Film direkt von Rapidshare herunterladen lässt.
       
       Tausende Nutzer betreiben das systematische Hochladen neuer Filme und Musik
       als eine Art Sport. "Links zu Rapidshare lassen sich in vielen Foren und
       privaten Blogs finden", sagt Julian Finn von der Kampagne "Fairsharing".
       Inzwischen gebe es eigens Suchmaschinen wie "Rapidsearch", die
       ausschließlich Rapidshare-Links anbieten.
       
       Seit zwei Jahren prozessiert die GEMA gegen Rapidshare wegen des Vorwurfes,
       nicht genügend gegen die Verletzung von Urheberrechten zu unternehmen.
       "Unser Ziel ist es, einen Lizenzvertrag mit Rapidshare zu vereinbaren. Das
       ist für alle Seiten die optimale Win-Win-Situation", sagt Wolf und stößt
       damit bei Rapidshare auf taube Ohren. Doch die Gerichtsverfahren laufen
       bislang, ohne dass das Unternehmen seine Geschäftspraxis grundlegend ändern
       musste. Eine endgültige gerichtliche Entscheidung läßt auf sich warten.
       
       Die Vertreter der Urheber tappen bei den Ein-Klick-Hostern in ein
       rechtliches Vakuum. Denn während ihre Ermittler in konventionellen
       Tauschbörsen auf eigene Faust einzelne Nutzer über deren IP-Nummer gezielt
       identifizieren und juristisch verfolgen können, legen die Ein-Klick-Hoster
       großen Wert auf Diskretion. Bei Rapidshare wird das Sicherheits-Team nur
       bei eindeutigen Rechtsverstößen aktiv: "Wenn wir Kenntnis davon haben, dass
       eine Datei die urheberrechtlich geschützt ist, auf Rapidshare öffentlich
       gemacht wurde, dann löschen wir sie", erklärt Chang:"Ich werde unseren
       Usern aber nicht unterstellen, dass sie vorsätzlich Material bei Rapidshare
       hochladen, um es illegal zu verbreiten".
       
       Das Dilemma der Ein-Klick-Hoster macht deutlich, dass sich die Verbreitung
       von digitalen Kopien über die Gerichte kaum mehr stoppen lässt.
       Grundsätzliches Umdenken ist nötig. Julian Finn fordert deshalb, das
       Tauschen im Internet nicht mehr zu kriminalisieren. "Geistige Werke wie
       Bücher, Filme und Musik sind darauf angelegt, dass viele Menschen sie
       anhören und konsumieren. Es belebt die kulturelle Vielfalt wenn jeder
       Mensch Zugriff auf möglichst viele solcher Inhalte hat", sagt Finn.
       
       Er und seine Mitstreiter von der Kampagne Fairsharing glauben, dass eine
       pauschale Abgabe eine Möglichkeit sein könnte, die Urheber dennoch
       finanziell zu entschädigen. "Wenn man pro Monat fünf Euro für jeden
       DSL-Anschluss erhebt und zusätzlich für den Kauf von Computerhardware und
       MP3-Spielern eine Abgabe von 2,5 Prozent aufschlägt, würden etwa 600
       Millionen Euro zusammenkommen", sagt Finn. So eine "Kultur-Flatrate" könnte
       den Verlust kompensieren, der den Urhebern durch illegale Kopien entstanden
       ist.
       
       Die Idee einer Kultur-Flatrate wird bereits bei den Rundfunkgebühren sowie
       für Computerdrucker und CD-Rohlinge umgesetzt. Mittlerweile gibt es auch
       die ersten Handy-Tarife, die das unbegrenzte legale Herunterladen von Musik
       mit einschließen. In Dänemark gibt es solche Angebote auch schon für
       Festnetz-DSL-Anschlüsse.
       
       Die neue pauschale Internet-Abgabe stößt nun auch bei der GEMA auf offene
       Ohren. "Jeder, der den Markt kennt, kann eine Kultur-Flatrate nicht
       grundsätzlich ablehnen", sagt Alexander Wolf von der GEMA. Die Kultur
       Flatrate sei nur sehr unkonkret und müsse sehr detailliert ausgestaltet
       werden.
       
       Mittelfristig wird der Musik-, Film- und Softwareindustrie wohl tatsächlich
       kaum etwas anderes übrig bleiben, als bei der Durchsetzung des
       Urheberrechts neue Wege zu beschreiten. Denn selbst wenn Rechteinhaber die
       Ein-Klick-Hoster mit Hilfe der Gerichte stoppen sollten, wäre auch dieser
       Erfolg wohl nur von kurzer Dauer. Denn die Netzpiraten werden dann auf eine
       neue Technik umsteigen - mit der sie der Industrie wieder einen Schritt
       voraus sind.
       
       13 Oct 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tarik Ahmia
       
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