# taz.de -- Haushaltspolitik: Alles Sinistre kommt aus Niedersachsen
       
       > Die Blaupause für die Finanztricksereien im Bund lieferte ausgerechnet
       > Christian Wulff, der seine fiskalische Redlichkeit wie eine Monstranz vor
       > sich her trägt. Rechnungshof kritisiert Kreditaufnahme auf Vorrat.
       
 (IMG) Bild: Gar nicht so schwer: Nasenbär Diego führt im Zoo Hannover zeitgemäße Haushaltspolitik vor.
       
       Lange bevor der Bundestagswahlkampf heiß lief, predigte Ministerpräsident
       Christian Wulff dem Volke sein Mantra vom unchristlichen Leben auf Pump.
       Dann bastelte sein Finanzminister im September einen Haushaltsentwurf, der
       verfassungswidrige Kredite in Milliardenhöhe auswies. Wem das irgendwie
       bekannt vorkommt, liegt richtig. Alles Sinistre, das dem Duo Merkel /
       Westerwelle eingefallen ist, um das Wahlkampfversprechen "keine neuen
       Schulden" zu halten, hat Niedersachsens schwarz-gelbe Landesregierung im
       Vorfeld idealtypisch durchexerziert.
       
       In Hannover gingen neben der Opposition auch der Bund der Steuerzahler und
       der Rechnungshof auf die Barrikaden. Dessen Präsident Richard Höptner
       äußerte "erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit" des Werkes von
       Finanzminister Hartmut Möllring (CDU).
       
       Möllring projektiert im Entwurf des Nachtragshaushalts die Neuverschuldung
       für 2009 und 2010 auf je 2,3 Milliarden Euro. Geflissentlich übersehen
       hatte der Rechenkünstler den Paragrafen 71 der Landesverfassung und die
       ergänzenden Ausführungen im Haushaltsrecht. Sie besagen, dass die
       Nettokreditaufnahme nur so hoch sein darf wie die zu erwarteten
       Mindereinnahmen. Laut der maßgeblichen Steuerschätzung vom Mai liegt die
       Verschuldungsgrenze in diesem Jahr bei exakt 1,261 Milliarden Euro - eine
       satte Milliarde Euro niedriger als die im Etatentwurf angepeilte
       Kreditaufnahme.
       
       Zur Begründung der "exorbitant hohen neuen Schulden" hatte Wulff drohende
       Steuerausfälle und Niedersachsens Sonderprogramme zur Abfederung der
       Wirtschaftskrise ins Feld geführt. Möllring berief sich seinerseits auf den
       Verfassungsparagrafen 71, der überhöhte Kreditaufnahmen in zwei
       Sonderfällen erlaubt: Erstens "zur Abwehr einer nachhaltigen Störung des
       gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts", zweitens "zur Abwehr einer akuten
       Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen".
       
       Landesrechnungshofchef Höptner ließ das nicht durchgehen lassen. Er könne
       nicht erkennen, wie die Regierung mit den geplanten Schulden die Störung
       der Wirtschaft zu beheben gedenke. Für das Konjunkturprogramm jedenfalls
       seien Kredite in dieser Höhe nicht notwendig. Zum Schluss wurde Höptner
       grundsätzlich: Es entspreche nicht der Verfassung, mit neuen Krediten eine
       "mittelfristige" Reserve für mögliche Steuerausfälle anzulegen.
       
       Nun steht Wulff ziemlich dumm da. Ungefähr so dumm wie seine Kanzlerin und
       Adlatus Guido Westerwelle, als herauskam, dass die 70
       Milliarden-Euro-Kredite zur Stabilisierung der Sozialbeiträge in einem
       Schattenhaushalt gebunkert und damit am Bundeshaushalt vorbei gelotst
       werden sollen.
       
       Für Wulff ist das besonders peinlich. Seit Jahren feilt er am Image des
       soliden, treu sorgenden Landesvaters, dem nichts mehr zuwider ist, als
       gewissenlose Schuldenmacher. Und er wurde nicht müde, diese fiskalische
       Redlichkeit wie eine Monstranz vor sich her zu tragen.
       
       Zur Jahreswende belehrte er die Niedersachsen, man dürfe "nicht maßlos auf
       Pump leben". Deshalb dürfe und werde es keine Neuverschuldung im Haushalt
       geben. Drei Monate später bereicherte er die Bundesratssitzung mit dem
       Statement: "Das Schuldenmachen selbst in guten Zeiten ist ethisch
       fragwürdig. Nur eine solide und nachhaltige Haushaltspolitik gibt dem Staat
       die Möglichkeit, auf Krisen wirkungsvoll zu reagieren."
       
       Da war die Wirtschaftskrise schon in vollem Gange und solche Aussagen pure
       Augenwischerei. Im Mai sah sich der Ministerpräsident dann veranlasst, im
       Landtag zurück zu rudern. Seine Haushaltspolitik habe nur ein Ziel: bei der
       Nettoneuverschuldung auf jeden Fall die Drei vor dem Komma zu verhindern,
       sagte Wulff. Eine Zahl, die der letzte SPD-Finanzminister Heinrich Aller
       fast gerissen hätte.
       
       Die ganze Budget-Trickserei, brachte SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner die
       Sache kopfschüttelnd auf den Punkt, sei also ohne Not in Gang gesetzt
       worden, nur um zu beweisen, dass die Christlichen "bessere Finanzler sind
       als die Sozialdemokraten".
       
       22 Oct 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Quasthoff
       
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