# taz.de -- Autobranche: "Herr Meyer" spitzelt bei Karmann
       
       > Bei dem Autozulieferer sollen wochenlang Mitarbeiter ausgehorcht worden
       > sein. Insolvenzverwaltung spricht lieber von einem
       > "Sicherheitsbeauftragten". Gewerkschaft findet das indiskutabel.
       
 (IMG) Bild: Stets im Blick des Insolvenzverwalters? Beschäftigte von Karmann auf dem Weg zu einer Betriebsversammlung.
       
       Die MitarbeiterInnen des Autozulieferers Karmann haben es ohnehin schon
       schwer. Wieder einmal haben 720 von ihnen in der vergangenen Woche ihren
       Arbeitsplatz verloren. Außerdem wurde die Lehrwerkstatt mit ihren 137
       Auszubildenden geschlossen. Und auch die verbliebenen 900 Mitarbeiter
       müssen weiterhin um ihren Job bangen. Denn trotz der hinter den Kulissen
       laufenden Verhandlung mit VW ist die Zukunft des Osnabrücker
       Autozulieferers nach wie vor offen.
       
       Am Donnerstagabend stellte sich nun heraus, dass die Mitarbeiter des
       Autozulieferers auch noch von einem verdeckt arbeitenden
       "Sicherheitsbeauftragten" bespitzelt wurden. Mehrere Wochen lang war der
       Mann als "Herr Meyer" bei Karmann tätig gewesen. Offiziell war er im
       Betrieb als persönlicher Sicherheitsbeauftragter vorgestellt worden. Das
       wurde durch Aussagen ehemaliger Mitarbeiter von Karmann bekannt.
       
       Sie berichteten, dass sich der Mann bei den Karmann-Mitarbeitern
       eingeschmeichelt habe. Er habe Einfluss auf den Insolvenzverwalter und
       könne dafür sorgen, dass sie ihre Arbeitsplätze behielten, behauptete "Herr
       Meyer". So wollte er die Mitarbeiter dazu verleiten, kompromittierende
       Aussagen über ihre Kollegen zu machen. Hatten die sich vielleicht negativ
       über ihre Arbeitgeber oder die Insolvenzverwaltung geäußert?
       
       Der wirkliche Name des Spitzels ist durch die Aussagen der ehemaligen
       Mitarbeiter bekannt. Er heißt Börries von Ditfurth und war bis Juli 2006
       Hauptgeschäftsführer der Leipziger Industrie- und Handelskammer (IHK). Dort
       wurde er aus dem Dienst entlassen, weil er während der Arbeit scharfe
       Pistolen getragen und damit sogar Mitarbeiter bedroht hatte.
       
       Von Ditfurth bestritt die Vorwürfe zwar, gab aber zu, tatsächlich Waffen
       mit ins Büro genommen zu haben. Wenn er von der Jagd direkt zur Arbeit
       fahre, dürfe er seine Waffen schließlich nicht im Auto liegen lassen,
       erklärte er damals. Polizei und Staatsanwaltschaft sahen das anders. Bei
       einer Durchsuchung im Privathaus von Börries von Ditfurth beschlagnahmten
       sie Gewehre und Munition. Außerdem ermittelten sie wegen des Verdachts der
       Nötigung und unerlaubten Waffenbesitzes gegen von Ditfurth, der Oberst der
       Reserve bei der Bundeswehr ist.
       
       Pietro Nuvoloni, Sprecher der Insolvenzverwaltung von Karmann, bestätigt,
       dass ein "Sicherheitsbeauftragter" bei Karmann tätig gewesen sei. Von einem
       "verdeckten Ermittler" will er nicht sprechen. So etwas gebe es nur beim
       Staatsschutz.
       
       Der Sicherheitsbeauftragte habe zum einem die Aufgabe gehabt, "Diebstähle"
       einzudämmen. Zum anderen habe er verhindern sollen, dass "geheime
       Informationen" an Dritte weitergegeben werden, etwa an Mitbewerber beim
       Verkauf des Unternehmens oder an die Presse. Der "Sicherheitsbeauftragte"
       habe außerdem das Telefonnetz und die EDV-Anlage auf Lecks untersuchen
       sollen, so Pietro Nuvoloni.
       
       Die Vorwürfe, ob von Ditfurth Mitarbeiter ausgehorcht habe, könne er nicht
       überprüfen, sagt Pietro Nuvoloni. Ditfurth selbst habe allerdings am
       Freitagmorgen vor dem Insolvenzverwalter versichert, dass das "niemals der
       Fall" gewesen sei. Die Insolvenzverwaltung werde die Vorwürfe dennoch
       überprüfen, versprach Nuvoloni. Einen Kontakt zu Börries von Ditfurth
       wollte er aber nicht herstellen. Auch auf anderen Wegen war von Ditfurth
       nicht zu erreichen. Unter der Nummer seiner Unternehmensberatung in Sachsen
       ging niemand ans Telefon.
       
       Der Betriebsrat von Karmann reagierte entsetzt auf den Einsatz des Spitzels
       im Betrieb. "Das verstößt ganz klar gegen das Betriebsverfassungsgesetz",
       sagt Gerhard Schrader, stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrates.
       Dass es Diebstähle bei Karmann gegeben hat, kann er zwar bestätigen. Doch
       das rechtfertige nicht ein solches Vorgehen.
       
       "Zur Aufklärung von Diebstählen haben wir die Polizei", sagt Schrader.
       Betriebsrat und IG Metall verlangen von der Insolvenzberatung eine
       Aufklärung des Falles. Schrader: "Wir wollen wissen: Zu welchem Zweck wurde
       der Ermittler eingesetzt? Und was hat das eigentlich gekostet?"
       
       1 Nov 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Reinert
       
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