# taz.de -- Nachruf Claude Lévi-Strauss: Der wilde Denker
       
       > Der Ethnologe und Philosoph Lévi-Strauss war der einflussreichste Denker
       > der Welt. Mit seinen Theorien des Strukturalismus legte er den Grundstein
       > für Michel Foucaults Theorien.
       
 (IMG) Bild: Claude Lévi-Strauss schrieb mit "Traurige Tropen" seine ethnologischen Forschungsergebnisse aus Brasilien auf. Es wurde sein berühmtestes Buch.
       
       Lange bevor er lesen und schreiben konnte, soll Claude Lévi-Strauss eines
       Tages aus der Tiefe seines Kinderwagens zu seiner Mutter gerufen haben,
       dass die drei ersten Buchstaben der Schilder von Fleischer (boucherie) und
       Bäcker (boulangerie) "bou" bedeuten müssen, weil sie in beiden Fällen die
       gleichen seien. Die Fähigkeit, in verschiedenen Dingen ein und dasselbe
       Muster zu entdecken, wird den Forscher, der dann einer der
       einflussreichsten Denker der Welt wurde, ein Leben lang begleiten. Wie
       gestern bekannt wurde, ist der Ethnologe und Philosoph kurz vor seinem 101.
       Geburtstag in Paris gestorben.
       
       Lévi-Strauss wird am 28. November 1908 in Brüssel als Kind französischer
       Eltern geboren. Mitte der 30er-Jahre wird er als Professor an die neu
       gegründete Universität in São Paulo berufen. Er nutzt die Zeit für
       ethnologische Forschungsreisen. Seine Erlebnisse wird er 20 Jahre später
       unter dem Titel "Traurige Tropen" veröffentlichen, sein berühmtestes Buch.
       Unverhofft wird es zu einem internationalen Bestseller. Der Bericht
       eröffnet Einblicke in das Alltagsleben sogenannter primitiver Kulturen und
       warnt vor ihrem drohenden Untergang durch die eindringende westliche
       Zivilisation.
       
       Das methodische Vorgehen des Ethnologen begeistert eine ganze Heerschar von
       Wissenschaftlern. Bald schon macht die angewandte Methode des sogenannten
       Strukturalismus Schule. Lévi-Strauss gilt fortan, neben Linguisten wie
       Ferdinand de Saussure und Roman Jakobson, als einer ihrer Erfinder.
       Poststrukturalistische Denker wie Michel Foucault wären ohne diese Vorgaben
       nicht denkbar.
       
       Neben den Verwandtschaftssystemen wendet sich der Forscher den Mythen
       indigener Völker zu. Er will zeigen, dass sich im bildlichen Denken der
       "Wilden" Strukturen aufweisen lassen, die in vielem nicht weniger
       vernünftig sind als unsere Weltbilder. Die Entstehung und Weitergabe von
       Mythen erklärt er mit dem Bild des Bastlers. Der Bastler erfindet nicht
       etwas völlig Neues, sondern kombiniert als Improvisator Materialien, die er
       gerade zur Hand hat. Die "Bricolage", französisch für Bastelei, ist einer
       der zentralen Begriffe in Lévi-Strauss Werk. Mit ihm ist ein
       Wissenschaftler gestorben, der im westlich-humanistischen Denken zu Hause
       war und es zugleich fruchtbar überschreiten konnte.
       
       Er zeigte, dass das Denken der "Wilden" Strukturen aufweist, die nicht
       weniger vernünftig sind als westliche Weltbilder.
       
       4 Nov 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominik Busch
       
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