# taz.de -- Neue Methoden in Kuba: Blogger zum Schweigen bringen
       
       > Normale Journalisten kann Kubas Staatsmacht korrumpieren. Um Blogger zu
       > kontrollieren, braucht es andere Methoden. Das Regime fängt an, das zu
       > begreifen.
       
 (IMG) Bild: Im Dunkeln in ein Auto gezerrt.
       
       Vor Jahren habe ich eine Untersuchung der Internationalen
       Arbeitsorganisation gelesen. Darin wurde der Journalistenberuf als der
       zweitgefährlichste weltweit angesehen, übertroffen nur vom Beruf des
       Testpiloten. Damals gab es noch keine Blogger.
       
       Es waren die Zeiten, als ich noch davon träumte, Journalistin zu werden.
       Ich sah mich eiligst von Flughafen zu Flughafen hüpfen. Einen Fotoapparat
       um den Hals und ein Mikrofon in der Hand, würde ich Präsidenten und
       Filmstars interviewen. Ich sah mich panisch vor leeren Blättern sitzen und
       mich kurz vor Abgabeschluss vor wutschnaubenden Chefredakteuren verstecken.
       
       Ich würde aufsehenerregende Interviews führen, unvergessliche Reportagen
       schreiben und schwere Skandale aufdecken. Der Traum zerplatzte, als ich an
       der Journalistenschule der Universität von Havanna nicht angenommen wurde.
       Aber der Frust ging vorbei, als ich mich in jemanden verliebte, der gerade
       aus einer Zeitung herausgeflogen war, weil er geschrieben hatte, was er
       dachte.
       
       In Kuba Journalist zu sein, ist nicht mit den Risiken verbunden, die
       Medienleute in Ländern wie Mexiko oder Kolumbien eingehen. Hier werden
       keine Redakteure erschossen oder entführt – man vergiftet einfach den
       Beruf. Warum sollte man jemanden physisch eliminieren, der unbequeme
       Wahrheiten aufschreibt, wenn man ihn einfach per Zensur auslöschen kann?
       Warum ihn umbringen, wenn man alle Möglichkeiten hat, ihn zu domestizieren?
       
       Der berufliche Tod taucht nicht in den Statistiken auf, lediglich in der
       Frustration jener, die sich – wie ich – irgendwann einmal der Aufgabe zu
       informieren verschrieben haben. Wer auf der Insel Journalist werden möchte,
       weiß, dass alle Medien in der Hand der Macht sind. Er weiß, dass er sagen
       muss, was opportun ist, und zwar nicht halbherzig – es muss mit Hingabe
       sein, mit Leidenschaft. In diesen Fällen gibt es schon ein Risiko – für das
       eigene Gewissen.
       
       Seit rund 20 Jahren gibt es auf unserer Insel einen neuen Typ von
       Journalisten. Das Adjektiv "unabhängig" unterscheidet sie von den
       offiziellen. Wie man sich denken kann, haben viele von ihnen nicht
       studiert, aber sie haben gelernt zu berichten, was die Parteipresse
       verschweigt. Im Frühjahr 2003 verwandelten sich Gefahr und Risiko in
       Strafe. Viele gingen ins Gefängnis und traten Haftstrafen von zehn,
       fünfzehn, zwanzig Jahren an. Die meisten sitzen noch.
       
       Wir Blogger kamen später, unter anderem deswegen, weil die Technologie
       unter uns erst sehr langsam Einzug hielt. Ich glaube, dass sich die
       Staatsmacht nicht vorstellen konnte, dass die Bürger auf eine
       weltumspannende Ressource zurückgreifen würden, um sich auszudrücken.
       
       Sie haben eine Weile gebraucht, um das zu begreifen. Jetzt haben sie es
       gemerkt. Sie wissen, dass sie nicht die gleichen Methoden wie bei all den
       Journalisten anwenden können, um einen Blogger zum Schweigen zu bringen.
       Diese Nervensägen des Web kann man nicht einfach aus einer Redaktion
       entlassen, man kann ihnen auch keine Ferienwoche in Varadero oder einen
       Lada versprechen. Um einen Blogger auszulöschen, muss man ihn eliminieren
       oder richtig einschüchtern. Sie haben begonnen, das zu verstehen, sie, der
       Staat, die Partei, der General.
       
       13 Nov 2009
       
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