# taz.de -- Three-Strikes in Großbritannien: "Kriegserklärung der Industrie"
       
       > Die britische Regierung plant rabiate Maßnahmen gegen Filesharer: Schon
       > beim zweiten Verstoß soll der Netz-Zugang gesperrt werden. Das hat
       > Netzaktivist Cory Doctorow aufgedeckt.
       
 (IMG) Bild: Der Aktivist Cory Doctorow, fotografiert vom Aktivisten Joi Ito.
       
       Eigentlich dachten Internet-Aktivisten bereits, die so genannten "Three
       Strikes"-Gesetze seien endgültig vom Tisch. Doch nun hat sich das
       EU-Parlament dazu entschieden, kein explizites Verbot für die Netzsperren
       für Filesharer zu formulieren, während in Frankreich ein entsprechendes
       Gesetz bereits (wenn auch in abgemilderter Form) verabschiedet ist.
       
       Und nun will auch die britische Regierung nicht untätig bleiben: Sie plant
       die Umsetzung noch radikalerer Maßnahmen, die die Musik- und Filmbranche
       vor den Verlusten durch das wilde Kopieren im Netz ein für alle Mal
       schützen soll.
       
       Treibende Kraft ist Peter Mandelson, seines Zeichens Secretary of State for
       Business, Innovation and Skills. Der Minister gilt als Freund der
       Content-Industrie, seitdem ihn der amerikanische Plattenboss David Geffen
       bei einem Mittagessen von der Wirksamkeit von "Three Strikes"-Regelungen
       überzeugt hatte.
       
       Die neuen Pläne der britischen Regierung wurden nun vom viel gelesenen
       US-Internet-Aktivisten Cory Doctorow aufgedeckt, der derzeit in London
       lebt.
       
       Demnach soll das Gesetz zum Schutz von Urheberrechten, Gestaltungsmerkmalen
       und Patenten aus dem Jahr 1988 ergänzt werden. Laut Doctorow, dessen Quelle
       in der britischen Labour-Regierung sitzt, plant Mandelson, sich bislang nur
       durch Einzelgesetze mögliche Sanktionsmaßnahmen zu genehmigen.
       
       Er dürfe dann beim Kampf gegen Online-Rechtsverletzungen Gefängnisstrafen
       verhängen, den besagten "Three Strikes"-Plan ohne gerichtliches Verfahren
       einführen oder die Möglichkeit für Rechteinhaber schaffen, selbst zu einer
       Art Online-Polizei zu werden.
       
       Auch den Internet-Providern würde es an den Kragen gehen: Werden die als
       Unterstützer von Rechtsverletzungen bewertet, müssten diese dann ihre
       Nutzer ausspionieren oder jedes einzelne Stück nutzergenerierten Inhalt
       vorab kontrollieren. Doctorows Fazit: "So eine schlimme Politik habe ich
       noch nie gesehen. Das ist eine Kriegserklärung der Unterhaltungsindustrie."
       
       Diese wende sich zusammen mit der Regierung gegen die Prinzipien der freien
       Meinungsäußerung, des Datenschutzes, der Versammlungsfreiheit, der
       Unschuldsvermutung und des Wettbewerbs.
       
       Sollte Mandelson seine Pläne wirklich durchsetzen können, würde wohl selbst
       die "Three Strikes"-Regelung in einer verschärften Form eingeführt: Während
       man in Frankreich und Südkorea vor dem Abdrehen des Internet-Zugangs
       immerhin zwei Mal gewarnt wird, soll es in Großbritannien bereits nach der
       ersten Warnung die letzte geben.
       
       Wie Doctorow in einem [1][sehenswerten Video] erklärt, fallen mit der
       Sperre des Internet-Zugangs wichtige demokratische Rechte weg. Auch sei es
       vielen Menschen kaum möglich, ohne Netz zu arbeiten.
       
       Neben den schwerwiegenden Auswirkungen auf die Bürger- und Menschenrechte
       geben Kritiker der rabiaten Regelung zu bedenken, dass es keinesfalls
       sicher ist, dass die Maßnahme überhaupt erfolgreich ist.
       
       Aus dem einzigen Land, in dem man bislang tiefergehende Erfahrung mit
       "Three Strikes"-Gesetzen hat, Südkorea nämlich, sind keine nennenswerten
       Rückgänge der Kopiertätigkeit des Volkes zu vermelden.
       
       Stattdessen fordert eine Urheberrechtsgruppe um die koreanischen
       Filmproduzenten nun, dass alle Dateitauschbörsen Zwangsfilter erhalten, die
       das Hochladen geschützter Materialien von vorne herein ausschließen. Werden
       doch entsprechende Dateien gefunden, soll der Staat die Angebote abdrehen.
       
       Dieser Kampf könnte aussichtslos sein: Erst in der vergangenen Woche
       verabschiedete sich die Tauschbörsensuchmaschine Pirate Bay offiziell aus
       dem Netz, weil die Macher glauben, dass solche zentralen Anlaufstellen dank
       Fortschritten in den Dateitauschprotokollen gar nicht mehr nötig sind.
       
       Der Trend gehe stark zur Dezentralisierung, die durch die Rechteinhaber
       nicht zu fassen sei. Auch vor den "Three Strikes" kann man sich im übrigen
       verstecken: Schon in Frankreich werden nur bestimmte Bereiche des Netzes
       wirklich nach Dateitauschern durchforstet, um denen blaue Briefe zu
       schicken.
       
       Beginnen die Netzkopierer, Verschlüsselungsverfahren einzusetzen oder ihre
       Tauschaktivitäten anderweitig zu schützen, würden sie im See der Daten
       einfach untergehen und unauffindbar sein.
       
       23 Nov 2009
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.hyperorg.com/blogger/2009/11/17/cory-no-three-strikes-and-youre-out/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ben Schwan
       
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