# taz.de -- Kommentar Doping-Freigabe: Alle Macht den Mittelchen!
       
       > Claudia Pechstein ist nur das jüngste Opfer der mächtigen
       > Anti-Doping-Mafia. Dabei wären fast alle Probleme aus der Welt, würde man
       > die tollen Mittelchen freigeben.
       
 (IMG) Bild: Her mit den schnellen Pillen!
       
       Der tragische Fall der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein beweist es mal
       wieder: Nicht Doping ruiniert Karrieren, sondern seine Verfolgung. Für zwei
       Jahre ist Pechstein nun wegen Blutdopings gesperrt, diese Entscheidung hat
       der Internationale Sportgerichtshof Cas gerade bestätigt. Dabei beruht die
       Aburteilung nur auf Indizien. Man male sich einmal aus, wie erfrischend und
       leistungssteigernd sich eine totale Freigabe aller leistungssteigernden
       Mittel auswirken würde, nicht nur auf den Sport. Eine bessere Welt dank
       Doping. Warum? Darum: 
       
       Moral: Niemand muss mehr lügen und betrügen - und niemand muss sich mehr
       beschweren, dass andere mit Lug und Trug an ihm vorbeigeradelt oder
       -gerannt sind. Wenn alle gespritzt sind, gewinnt am Ende doch wieder der
       Sportlichste.
       
       Superlative: Das ewige Im-Kreis-herum-Hecheln und Ringen um
       Hundertstelsekunden hätte ein Ende, jeden Tag würde es neue Rekorde geben,
       überboten von noch neueren Rekorden, ein wahrer Rekordregen stellte sich
       ein - und würde wie nebenbei dem von der Moderne überforderten Menschen
       zeigen, wozu er in Wahrheit fähig ist.
       
       Körper: Es muss endlich Schluss sein mit Höchstleistungen, die nur durch
       dubiose, wettbewerbsverzerrende und oft nur schwer nachweisbare technische
       Tricks erzielt werden. Es kann nicht angehen, dass zum Siegen
       nanotechnologisch aufgemotzte Badeanzüge oder aerodynamische Superhelme
       nötig sind. Hören wir doch wieder mehr auf unseren Körper - und geben ihm,
       was er braucht.
       
       Fortschritt: Die Forscher wären beflügelt von der Herausforderung, immer
       bessere Dopingmittel herzustellen und dabei die eigenen Grenzen, mit dem
       einen oder anderen Mittelchen, zu überwinden. Deutschland wäre endlich
       wieder innovativ. Und wer weiß, welche feinen Medikamente dabei
       herausspringen?
       
       Nachwuchs: Die Jugend wäre plötzlich sportlich. Denn ihr Forschergeist wäre
       geweckt (auch so kann man auf Bildung setzen): Jeder kann an sich selbst
       rumtüfteln, statt an Computerprogrammen und Mofas, und so die eigene
       Leistung steigern. Wozu Drogen, wenn man alle Macht dem Doping geben kann?
       Auch für pädagogisch sinnvolle Veranstaltungen wie "Jugend forscht" bieten
       sich hier völlig neue Betätigungsfelder.
       
       Tour de France: Endlich könnte man wieder guten Gewissens den schweißfreien
       Berg- oder Sprintspezialisten zuschauen oder einfach die schöne Landschaft
       genießen, ohne ständig bange und spaßvergällende Gedanken an
       Spritzenbesteck, Eigenblut oder Urinproben verschwenden zu müssen.
       
       Medien: Sportliche Superlative wollen gesehen werden. Und die
       öffentlich-rechtlichen Sender, die ebendiese Höchstleistungen ausstrahlen,
       würden dank der sensationellen Einschaltquoten und Werbeeinnahmen endlich
       so reich, dass sie sich unabhängig machen könnten, von Gebühren und von der
       Politik. Ätsch, Koch!
       
       Sponsoren: Den Veranstaltern böten sich plötzlich solvente Sponsoren an,
       die sich bisher aus Imagegründen nur im Hintergrund gehalten haben. Schluss
       mit der falschen Bescheidenheit: "Die Weltmeisterschaft im Gewichtheben
       wird Ihnen präsentiert von: Anabolen Steroiden aller Art!" Oder: "Das
       Sechs-Tage-Rennen findet wie immer im Fuentes-Stadion zu Madrid statt."
       
       Gesundheit: Das Standard-Argument aller Dopingfeinde, mit den Mittelchen
       ruiniere man sich die Gesundheit, verfängt nicht: Ist es nicht am Ende
       völlig egal, ob ich als "cleaner" Fußballer langfristig an einem
       Hüftschaden laboriere oder als "nicht so cleaner" mittelfristig an einem
       Leberschaden?
       
       Der gute alte Sport: Es würden sich mit der Zeit und anfangs sicher
       belächelt in den Turnhallen, auf den Tennisplätzen und den Aschenbahnen
       dieser Republik ganz altmodische Back-to-the-roots-Sportlergruppen bilden,
       die - einfach aus Spaß an der Freude und am Extremen - wieder zurückkehren
       werden zum guten alten dopingfreien Sport.
       
       26 Nov 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) D. Zinser
 (DIR) A. Frank
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Doping im Spitzensport
       
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       willkommenes Leiden.