# taz.de -- die wahrheit: Ab in die Ministerklappe
       
       > Der Deutsche Ethikrat kippt seine umstrittene Entscheidung zur Babyklappe
       > nach massivem Druck aus der Politik.
       
       Damit hatte die versammelte Moralapostelschaft vom Deutschen Ethikrat nicht
       gerechnet! Eben noch hatten sie sich in einer Kampfabstimmung gegen die
       Beibehaltung der Babyklappen ausgesprochen, da mussten sie schon die
       nächste peinliche Entscheidung treffen. Das neue Problem lautete kurz und
       knapp: Wohin mit ungewollten Ministern?
       
       Der Fall des hessischen Winzersohnes Franz Josef Jung war zwar der Auslöser
       der Frage, dürfte aber nur die Spitze des Weinbergs sein. Denn kein
       Kabinett macht derzeit den Eindruck, von gewollten Posteninhabern besetzt
       zu sein. Peter Harry Carstensens Wutausbruch beim Kamingespräch der
       Kanzlerin mit den Worten "Ihr habt sie doch nicht alle!" drückte den
       schleichenden Auflösungsprozess sehr prophetisch aus. Bald wird nämlich
       auch die Riege der 30-Jährigen in den Parteien verbraucht sein.
       
       Der Fall Jung zeigt bereits jetzt das ganze Ausmaß der Lieblosigkeit, die
       das gesellschaftliche Klima derzeit prägt. Kaum war er zurückgetreten,
       verriegelte im fernen Wiesbaden Jungs Stiefbruder Roland Koch die
       Staatskanzlei und ließ Bärenfallen im Vorhof auslegen. Schließlich hatte er
       seinen treuen Spendenjockel seinerzeit nicht nach Berlin geschickt, um ihm
       noch einmal zu begegnen. Aus den Augen, aus dem Sinn - das gilt erst recht
       für den fortgejagten Sündenbock in der hessischen Vermächtnisaffäre, bei
       der in den Achtzigerjahren Millionen Mark Parteivermögen von der CDU in die
       Schweiz verschoben wurden. Doch auch bei allen anderen Landesverbänden
       gingen sofort alle Klappen runter. Selbst der aufmüpfige
       Schleswig-Holsteiner Carstensen machte, noch hochrot am Kamin sitzend, alle
       Schotten dicht; entsprechend dicke war die Luft.
       
       Der Ausweg schien nach Hannover zu führen. Von dort aus hatte sich gleich
       nach der Sitzung des Ethikrates die neue EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann
       trotzig zu Wort gemeldet, mitnichten der Empfehlung der Moralisten zu
       folgen, die Babyklappen zuzumachen. Beherzt packte Jungs Nachfolgerin
       Ursula von der Leyen den rotbäckigen Kriegsveteranen Franz Josef in den
       Kofferraum ihres Karmann Ghia, legte ihm ein Babyfon unter die
       Entlassungsurkunde und brachte den Wimmernden noch in der Nacht ins Haus
       der Kirche. Aber alles Drücken, Stopfen und Pressen war umsonst. Die
       Babyklappe war zu eng für den dickschädeligen Hessen. So blieb nur der
       Heizungskeller im eigenen Haus, um am Ende nicht für den Erfrierungstod
       eines verwahrlosten Weinbauern verantwortlich zu sein, als dessen
       Spezialität einmal die Eisweinspätlese galt.
       
       Als der Generalsekretär der CDU und Kirchenmann im Hause Merkel, Hermann
       Gröhe, von der verzweifelten Unterbringungsaktion der neuen
       Arbeitsministerin erfuhr, ordnete er sofort die Leibesvisitation aller
       Kabinettsmitglieder an, um auf eine bauliche Erweiterung aller deutschen
       Babyklappen hinzuwirken. Das Motto der Adventszeit "Keiner soll einsam
       sein" müsse auch für entlassene und abgelegte Minister gelten. Und da man
       schon bis Weihnachten mit den nächsten traurigen Fällen rechnen müsse,
       dürfe mit der Umsetzung keinesfalls gezögert werden. Das Mindeste sei es,
       so der umsichtige Gröhe, vor den bereits angebrachten Klappen eine
       Weihnachtskrippe unterzustellen, die eine vertretbare Zwischenlagerung
       ermöglichten. Das aber könne nur der Tropfen auf das heiße Stroh sein,
       langfristig sei eben der Ethikrat gefordert.
       
       Und der hat nun schon übers Wochenende erneut getagt und die
       Babyklappenentscheidung vom Vortage kassiert. Zu groß war der Druck der
       Politik geworden. Wichtig schien dem Gremium nun, das anonyme
       Aufeinandertreffen von Politikern und Neugeborenen zu verhindern.
       Schließlich könne man nie wissen, in welchen Abständen eingeworfen werde.
       Und was bei einem Hänfling wie Brüderle noch harmlos wäre, könne sich fatal
       auswirken, wenn Peter Harry Carstensen seine Rücktrittsdrohung wahr machen
       würde. Dieses norddeutsche Trumm würde jedes arme Kindlein zerquetschen.
       
       1 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Umbach
       
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