# taz.de -- Abschiedstour der Techno-Rapper Deichkind: Pimp dein Showtool
       
       > Große Wahrheiten, einfach ausgesprochen: Die Techno-Rapper der Band
       > Deichkind starten im Neon-Voodoo-Style ihre vorerst letzte Tournee.
       
 (IMG) Bild: Ein großes Kollektiv: Deichkind.
       
       "Arbeit nervt" und "Kein Gott, kein Staat, lieber was zu saufen" - große
       Wahrheiten einfach ausgesprochen, das ist das altbekannte Geheimnis der
       Hamburger Band Deichkind. Mit nicht besonders anspruchsvoll gerappten
       brachialen Spaßparolen, krachenden Technobeats und einer Menge
       fluoreszierender Mülldeko hat sie sich die Gunst von Grundschülern und
       Hausbesetzern gleichermaßen erspielt. Jetzt startet die Tour "Deichkind
       3.0", die "die vorerst letzte" sein soll.
       
       "Deine Eltern sind auf einem Tennisturnier" heißt es in der Partyhymne
       "Remmidemmi", ihrem erfolgreichsten Stück. Von der Sozialstudie bis zur
       Verballhornung, Deichkinds Texte bedeuten möglicherweise mehr als jede
       Blau-Schwarz-Bildmalerei eines Peter Fox oder die Poplyrik des
       Konsensintellektuellen Distelmeyer.
       
       "Wir haben was dagegen, wir wollen das so nicht haben. Aus Boxen und
       Verstärker bauen wir uns Barrikaden", heißt es im Lied "Krieg". "Ein Hoch
       auf die internationale Getränkequalität" wird in einem anderen Song im
       bekannten Demorhythmus gerappt. "Kein Mensch ist illegal, schon gar nicht,
       wenn er breit ist", heißt es weiter. Damit sind Deichkind ein weiteres
       Beispiel für den radikal-spaßpolitischen Geist in der elektronischen
       Musikszene.
       
       Am Wochenende luden sie zur Generalprobe ihrer Krawallrevue in eine Halle
       im Berlin-Pankower Gewerbegebiet und zeigten die leuchtende und laute
       Landung des Deichkind-Raumschiffes.
       
       Schattenspiele waren da zu sehen, blinkende Lichter und tappsige
       Tanzschritte. Die bekannten Pyramidenhüte wurden noch mal zum
       beeindruckenden Showtool gepimpt, eine Choreografie erarbeitet und
       allerhand Klöterkram gebastelt. Ansonsten bleiben Deichkind ihrem
       Neon-Voodoo-Style treu; mit Totenkopfstab und Kriegsbemalung gehts in den
       Spaßguerillakampf. "Remmidemmi-Kunsttheater" nennen sie das, und es gibt in
       der Tat nicht wenig zu gucken - natürlich auch etwas zu hören -, und wie
       immer sagen die drei MCs mit wenig sehr viel.
       
       Angefangen haben sie 1997 als mehr oder weniger klassische HipHop-Band. Mit
       "Bon Voyage" hatten sie ihren ersten Hit, kamen aber beim sich selbst viel
       zu ernst nehmenden HipHop-Publikum sonst eher weniger an. Dann nahmen sie
       2005 bei Raabs Bundesvision Song Contest teil und präsentierten erstmals
       die Kombination von schnelleren und härteren elektronischen Beats mit
       Sprechgesang. Sie nannten das Techrap und sollten damit weitaus mehr Erfolg
       haben. "Ich hatte uns immer eher als Satireband empfunden. Deswegen haben
       wir uns Neuland zugetan, denn das Genre Techno ist satirisch noch nicht
       annähernd ausgeschlachtet", sagte DJ Phono mal in einem Interview mit
       dieser Zeitung. Eine gute Idee.
       
       Phono ist auch für das Showkonzept zuständig. Auf zwei Trampolinen lässt er
       wilde Sprungtänze vollführen, die das Logo der Punkband Dead Kennedys
       zieren. Vielleicht Hommage, vielleicht dreist geklaut. Vielleicht haben
       Deichkind aber auch eine Verbindung zu Punk, die sich in mehr zeigt als nur
       in einer irgendwie ablehnenden Haltung gegenüber Arbeit. Ein reduzierter
       bis zuweilen nerviger musikalischer Unterbau, eine ästhetische
       Verweigerung, die sich in Mülltütenkostümen und stolzer Zurschaustellung
       von Bierbäuchen zeigt, und eine Liveshow, bei der die große Party fast
       wichtiger erscheint als eine musikalisch ausgereifte Darbietung, sprechen
       dafür.
       
       Deichkind verweigern außerdem weitestgehend konsequent den typischen
       Personenkult des Popbusiness. Sie lassen sich oft mit Masken oder versteckt
       unter der Pyramide auf dem Kopf fotografieren und betonen gerne, dass sie
       ein großes Kollektiv sind. Neben dem Gründer Philipp Grütering sind heute
       unter anderem DJ Phono und Ferris MC dabei. Im letzten Jahr starb plötzlich
       der Deichkind-Produzent und Freund Sebastian Hackert. Auch ein Grund für
       den kommenden Rückzug der Band.
       
       Auch die vielleicht letzten Deichkind-Shows sind noch mal ein großer
       Kindergeburtstag. Man darf sich schmutzig machen und mit Flüssigkeiten
       durch die Gegend spritzen. Grenzen zwischen Band und Zuschauern werden
       aufgehoben. Wie auf dem Melt Festival 2006, als sie für eine unvergessene
       Ausnahmesituation sorgten, indem sie das Publikum dazu aufforderten die
       Bühne zu stürmen. Hinterher hieß es, das sei eine sehr brenzlige Situation
       gewesen, da die Bühne leicht auch hätte einstürzen können. Krawall und
       Remmidemmi eben, welch ein Spaß.
       
       1 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laura Ewert
       
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